TMS „Odin“ auf grünem Kurs an den Sund – Besonderer Erstanlauf zum Campfire-Symposion 2021 im Ozeaneum

TMS Odin läuft am 29.9.2021 in den Stralsunder Nordhafen ein. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Stralsund, 29.9.2021

Stralsund, Deutschland (Weltexpress). „Stralsund-Traffic“, meldet sich Seelotse Jens Mauksch aus Devin bei der Rostocker Revierzentrale, „Odin“ hat um 12.15 an der Steinernen Fischbrücke von Wolgast kommend in Stralsund festgemacht. Ein feines Schiff. Hat man selten, sowas“. Kapitän Maik Schröter, der neben ihm auf der Brücke des Binnentankmotorschiffs steht, strahlt übers ganze Gesicht. Obwohl das Schiff schon 1964 in Hamburg gebaut wurde, ist es noch lange kein Oldtimer. „Odins“ hellgraue Farbe glänzt nur so, obwohl der Himmel verhangen ist und sich die Sonne versteckt hat. Er und sein Schiffsführer-Kollege Andreas Einhorn haben seit 1989/90 nach dem Umbau vom Frachter zum Tanker jede freie Minute in die Pflege mit Rostmaschine und Pinsel investiert. Obwohl ihr Arbeitstag ohnehin schon lang ist. Da „Odin“ mit zwei Patentinhabern besetzt ist, darf bis zu 18 Stunden hintereinander gefahren werden. „Dazwischen muss man auch mal abruhen“, meint Maik. „Und ich bin auch noch fürs Kochen zuständig“, ergänzt Andreas.

Die ODIN-Crew v.l.n.r. Eignerin Kerstin Malchow, Kapitän Maik Schröter, Kapitän Andreas Einhorn auf der Brücke. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Stralsund, 29.9.2021

Neue Aufgaben warten

Vor fünf Tagen haben sie im nordrhein-westfälischen Bergkamen am Datteln-Hamm-Kanal, wo „Odin“ stationiert ist, die Leinen losgemacht und dann via Mittellandkanal, Havel, Oder Kurs auf Stralsund genommen. „Eine Rekordreise vom Tempo her“, meint Maik, „und hier noch ein Erstanlauf.“ Sonst fahren die beiden Binnenschiffer, die ihr Handwerk zu DDR-Zeiten bei der Deutschen Binnenreederei gelernt haben, mit ihrem 47 Meter langen, 6,61 Meter breiten und 1,80 Meter tiefgehenden 435-Tonnen-Spezialtanker je Reise 260 Kubikmeter oder 150 Tonnen Ammoniak flüssig und unter Druck von BASF Ludwighafen oder Antwerpen zum Kohlekraftwerk Bergkamen. Dort wird die beißende, giftige Chemikalie, eine Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff mit der Formel NH3, auch mit Wasser als Salmiakgeist zum Haareblondieren bekannt, zur Entschwefelung oder Wäsche der Rauchgase gebraucht. Wobei als Endprodukt Gips anfällt, der zu Baumaterialien weiterverarbeitet wird. Im Stralsunder Hafen kommt alle paar Tage ein Zug damit an, der im Kraftwerk Jänschwalde beladen und per Schiff nach Norwegen weiter transportiert wird.

„Am 31.10.2022 ist mit den Bergkamen-Reisen Schluss“, weiß Eignerin Kerstin Malchow, die das Schiff von ihrem Vater übernommen hat, der Binnenschiffer in der dritten Generation war und drei Schiffe betrieb: „An dem Tag nämlich geht das Kohlekraftwerk vom Netz“. Auf den Ammoniak-Tanker warten dann neue Aufgaben. Die sind verbunden mit dem „Campfire Symposion 2011“, das am 30. September im Ozeaneum stattgefunden hat. „Odin“ soll später auch von der Energiewende profitieren und Geld einfahren „mit dem Transport, der Lagerung und dem Bunkern von grünem Ammoniak“, formuliert es die Reederin, „und natürlich auch damit zur Verminderung des Kohlenstoffdioxidgehalts beitragen.“

Der Stralsunder Seelotse Jens Mauksch auf der Brücke vor der Alten Lotsenwache in Stralsund. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Stralsund, 29.9.2021

Eindeutige Vorteile

Die Stralsund-Reise ist finanziert worden von Campfire, dem Insitut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald. Die Tagung steht unter dem Motto „Wind und Wasser zu Ammoniak“. Das soll im Offshore-Bereich aus Windkraft und Wasser gewonnen werden – deshalb „grünes“ Ammoniak – und später auch als emissionsfreier Schiffsantrieb eingesetzt werden können. Wasserstoff hingegen benötigt ein vielfaches an Lagerkapazität, extreme Kühlung bis – 253 Grad, hohen Überdruck und kostet über 20-mal so viel. „Daher gehört dem Ammoniak die Zukunft“, ist sich Kerstin Malchow sicher. Bei Campfire liest sich das so: „Von zentraler Bedeutung im CAMPFIRE sind innovative Technologien für die saisonale und dezentrale Produktion von Ammoniak aus lokal erzeugtem Wind- oder Solarstrom, Luft und Wasser sowie dessen Verwertung als innovativer Energieträger für eine emissionsfreie maritime Mobilität sowie in der stationären Energieversorgung“. Dafür steht auch das Förderprogramm „WIR – Wandel durch Innovation in der Region“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Was heißt nun „grünes Ammoniak“? „Unsere Luft besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff“, erklärt Maik Schröter, „den kann man sehr leicht aus der Luft gewinnen und mit Wasserstoff zusammenführen zu Ammoniak. Wenn der Wasserstoff noch durch erneuerbare Energien produziert wird, ist auch das Ammoniak grün.“

Das Gas wird nur in Tankwaggons und Schiffstanks befördert, so dass die Straße nicht belastet wird. „Odin“ ist da klar im Vorteil, zumal ihr Sicherheitsstandard sehr hoch ist, der jährlich überprüft wird. Aufgrund der geringen Abmessungen in der Länge und Höhe kann das Schiff alle deutschen Wasserstraßen befahren, ebenso die Zone 2 „küstennahe Gewässer“. Auch das hat es Schiff und Crew, die für ein Stralsunder Bier schon den „Klabautermann“ angepeilt hat, ermöglicht, sich bis Freitag früh um fünf Uhr am Sund in Sichtweite des Ozeaneums vorzustellen und für eine sauberere Zukunft Flagge zu zeigen.

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