Thron aus Blut: Orson Welles „Macbeth“ in ungekürzter Pracht auf DVD – Serie: Belletristische Filmkunst in der Arthouse-DVD-Box „Arthouse Collection Literatur II“

Die erste der insgesamt fünf Shakespeare-Verfilmungen des widerspenstigen Regieexzentrikers verlief ebenso apokalyptisch wie das Drama selbst. Inszeniert am Rande des finanziellen Ruins, mit minimalem Budget in Settings wie von der Theaterbühne, ist Welles cineastischer Gewaltakt schiere Vermessenheit. Seine Größenwahn nährt sich dem der Bühnengestalt, wenn er die Schauspieler unbarmherzig zwingt, mit schottischem Akzent zu sprechen, sie verloren durch das Felslabyrinth aus Pappmaché irren lässt und die Katastrophe vor Augen trotzig sein wahnwitziges Vorhaben bis zum bitteren Ende vorantreibt. Wie Macbeth – Welles, Bühnenfigur und Kinofilm – triumphieren in ihrer Niederlage. Seine grandiose Tragödie macht den schottischen Heerführer erst zum düsteren Heroen, der in unzähligen Schlachten so oft aus dem Blutkelch getrunken hat, dass sein Durst unstillbar geworden ist. Macbeth ist ein vom Kriege Traumatisierter, der mit dem Frieden nicht umgehen kann. Er tötet weiter, um nicht irrsinnig zu werden, bis er den Schlaf und seine Seelenruhe gemordet hat.

Macbeths Wachen und der Alptraum Lady Macbeths (Jeanette Nolan) verschmelzen in Welles expressionistisch anmutender Szenerie. Dunstschleier symbolisieren im klassischen Filmvokabular Hollywoods den Übergang in Märchen- oder Traumreich. Welles steinige Szenerie versinkt in Nebelschwaden, die auch Höllenqualm sein könnten. Als Macbeth krönt sich der Regisseur und Hauptdarsteller mit einer Krone, deren Zacken an Hörner erinnern, zum dämonischen Herrscher dir felsigen Höllenwelt, Orson Welles – „Herr Satan persönlich“. Vor und hinter der Kamera mordet er sich zu Königswürden.

„Fair is foul and foul is fair

hover through the fog and filthy air.“

(Shakespeare)

Ein ums andere mal wiederholen die Hexen die Worte in Shakespeares „Macbeth“. Jedes mal scheint ihnen eine andere der schier unendlichen Deutungsmöglichkeiten innen zu wohnen. Keine der Bedeutungen versteht Macbeth und dennoch verfolgen sie ihn, als ahne er den grausigen Scherz, den das Schicksal ihm spielt. In seinem Unterbewusstsein gärt es wie in dem Kessel, aus dem drei Handpaare eine Wachsfigur formen, der sie seinen Namen geben. „Macbeth“. Eine Puppe in den Händen des Schicksals mit einer Krone aus Auswurf und Tod. Das Bild der Hexen regiert den Film, wie schon Shakespeares Theaterstück. Selbst auf der Metaebene ist Macbeths Herrschaft eine Illusion. Niemals enthüllt Welles ihr Antlitz. Gesichtslos wird das Grauen absolut. Shakespeares Hexen sind mehr und gleichzeitig weniger als Zauberinnen. Sie sind Nornen, Parzen, die weird sisters, die das Zukünftige prophezeien, nicht bestimmen. Gleich Totenvögeln kauern ihre gespenstischen Silhouetten am Ende des Blutbades auf einer Klippe und rufen triumphierend Macbeths Namen in die Dunkelheit. Der mörderische Kreislauf schließt sich, auf das der Tanz um den Kessel aufs Neue beginnen kann.

Seine wegweisende Inszenierung löscht alle konventionellen Shakespeare-Interpretationen aus. Eine solche brachte Laurence Olivier als „Hamlet“ im selben Jahr eine Oscar-Nominierung ein. Selbst die inszenatorische Präzision des kaum minder perfektionistischen Olivier kommt gegen die „brutale Skizze“, als die Welles seinen Film einmal bezeichnete, nicht an. Die imaginative Kraft des lange vernachlässigten Films, dessen Einflüsse bis zu Akira Kurosawas „Ran“ und Roman Polanskis „Macbeth“ reichen, ist ungebrochen. Der Arthouse Verleih bringt den Film in neuer Qualität im rund zwanzig Minuten längeren Director ´s Cut heraus. Mit einem Booklet und einem 4-minütigen Kurzfilm mit Aufnahmen von Welles 1936 inszenierter Theateraufführung des „Voodoo Macbeth“ als besonderen Extras, ist die DVD Teil der Arthouse Collection Literatur II.

Titel: Macbeth

Land/ Jahr: USA 1948

Genre: Drama

DVD-Start: 16. September 2010

Regie und Drehbuch: Orson Welles

Darsteller: Orson Welles, Jeanette Nolan, Edgar Barrier, Roddy McDowaall, Dan O ´Herlihy

Kamera: John L. Russell

Musik: Jaques Ibert

Schnitt: Louis Lindsay

Laufzeit: 114 Minuten

Verleih: Arthouse

www.arthouse.de

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