Rotgolden und mit vorgewärmter Milch dezent vermengt, duftet der Tee in meiner Tasse. Vor mir steht eine silberne Etagere mit krustenlosen Sandwiches, die mit Gurke, Räucherlachs und Frischkäse belegt sind, sowie Scones (Gebäck) mit Konfitüre und „Clotted Cream“ (Streichrahm). Ein livrierter Ober reicht mir eine weiße Stoffserviette. Ich sitze auf der Terrasse vom Grand Hotel in Nuwara Eliya und blicke auf gepflegte Rasenflächen, Rhododendren, Rosenbeete und Obstbäume. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, ich sei in „God ´s Own Country“ – England“. Das ist jedoch nicht der Fall. Ich bin ganz woanders, nämlich in Asien, in Nuwara Eliya, Sri Lankas höchstgelegener und „englischter“ Bergkurort (1889 m). Das kleine Städtchen mit rund 25.000 Einwohnern befindet sich inmitten von Teeplantagen und erstreckt sich weitläufig über ein Plateau. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wusste kaum jemand von dieser Hochebene. Hier waren Hirsche, Elefanten und Leoparden unter sich. Landvermesser waren es, die auf das angenehme Klima mit Durchschnittstemperaturen um die 16 Grad hinwiesen. So wurde der englische Gouverneur Sir Edward Barnes darauf aufmerksam und ließ 1828 eine Straße und eine Herberge für Kranke und Rekonvaleszente bauen, um ihnen eine lange Reise nach England zu ersparen. 20 Jahre später entdeckte Sir Samuel Baker (der spätere Erforscher der Nilquellen) den kleinen Ort, rodete den Dschungel drum herum und legte Felder und Wiesen an. Der Boden, bestehend aus einer tiefen Schicht schwarzen Mutterbodens über gelbem Lehm und Kies, versetzte jeden Gärtner in Euphorie. „In den Augen von Europäern und Siechenden ist es der Himmel von Ceylon“, schrieb 1859 Sir James Emerson Tennent über Nuwara Eliya. 1875 fand im neu erbauten Hippodrom das erste Pferderennen statt, der Hill Club versorgte die Mitglieder mit englischem Lifestyle. Die Kolonialbeamten ließen sich Cottages bauen, die ebenso in Cornwall oder Yorkshire hätten stehen können. Aus Nuwara Eliya – „Königliche Stadt des Lichts“ wurde „Little England“. Zentrum bis heute ist die Marktgegend rund um die New Bazaar Street. Dort liegen auch das Post Office, der Victoria Park, der Botanische Garten und der 18-Loch-Golfplatz. Höhepunkt der Tourismussaison ist das singhalesische Neujahr (April-Vollmond). Dann können sich die Hotelpreise vervielfachen. Nuwara Eliya ist jedoch nicht nur als „Sanatorium Ceylons“ weltberühmt, sondern auch für seine „Tea Factories“, die überall im Bergland zur Besichtigung, Verkostung und Kauf einladen wie zum Beispiel „Pedro Tea Estate“ aus dem Jahr 1885.
Die ersten Sprösslinge von Teepflanzen kamen Mitte des 19. Jahrhunderts nach Sri Lanka. Sie stammten aus Assam in Indien. Bis dahin wurde in Sri Lanka Kaffee angebaut. Doch eine Rostpilzseuche vernichtete die Plantagen vollständig. So sattelten die britischen Kolonialherren auf Tee um. 1870 konnte der Schotte James Taylor zum ersten Mal Tee erfolgreich anpflanzen. Denn durch die britische Eroberung des Königreiches von Kandy im Jahre 1815 standen große Flächen zur Verfügung, welche sich mit ihrem feuchten Klima, Niederschlägen in der Nacht und Sonne tagsüber, hervorragend für den Anbau von Tee eigneten. Der erste Teegarten hieß „Loolecondera“ und lag ungefähr an derselben Stelle wo sich heute „Pedros Tea Estate“ befindet. Viele der Tee Büsche sind bereits weit mehr als 100 Jahre alt und liefern immer noch besten Tee. Taylor selbst, ein rastloser Querkopf und trinkfester Junggeselle erlebte bis zu seinem Tod 1892 den rasanten Anstieg des Exports auf 22.900 Tonnen und begründete eine folgenreiche Partnerschaft mit Sir Thomas Lipton, der ihn 1890 besuchte. Lipton hatte die Produktpalette im Lebensmittelhandel seiner Familie, die allein in London über 70 Geschäfte besaß, 1888 um Tee erweitert. Als findiger Marketingstratege packte er Teemischungen ab und verkaufte sie unter seinem Namen als „Markentee“. Bis heute ist Lipton einer der großen Namen im weltweiten Teegeschäft. Die wachsende Beliebtheit des Tees aus Ceylon (Name von Sri Lanka bis 1972) bei britischen Kunden stimulierte Londoner Konzerne zur Übernahme der kleinen bis mittelgroßen Plantagen. Allein Lipton besaß circa 2300 Hektar „unter Tee“ in Ceylon. Auch „Loolecondera“ wurde verkauft und Taylor 1891 entlassen.
Für ein Grundeinkommen von rund 1000 Rupien (7 Euro) pro Tag ernten die vorwiegend weiblichen Pflückerinnen täglich zwischen 16 und 22 kg Tee. Insgesamt sind auf dem 2.000 Hektar großen „Pedro Tea Estate“, das heute dem Staat gehört, 1250 Arbeiter beschäftigt. 12 Tonnen Teeblätter pro Tag beträgt damit die Ernte allein von dieser Teeplantage. Doch neben den Geheimnissen der Herstellung spielt bereits die Technik des Pflückens eine Rolle. Die zahllosen tamilischen Teepflückerinnen, die auf Sri Lankas steilen Hängen ihre Runden drehen, machen beim Abernten Millionen Mal den gleichen Griff nach zwei zarten, hellgründen Blättern plus der Teeknospe des jungen Triebes. Sorten mit besonders hohem Blütenanteil erhalten das Prädikat „Flowery“ und kommen als FOP (Flowery Orange Pekoe) in den Handel. Silbrig glänzend oder golden leuchten die feinen Blüten später nach dem Brennen zwischen den schwarzen Blattkrümeln hervor und tragen in der Tasse zum blumigen Aroma bei. Die Briten tauften das Wunder „Tips“ – nach dem Mottto „in der Spitze liegt die Würze“.
Laut Statistik trinken die deutschen Bundesbürger jährlich rund 26 Liter Tee pro Kopf. Als er im 17. Jahrhundert nach Europa kam, wurde Tee als Tonikum in Apotheken verkauft. Erst im frühen 18. Jahrhundert fing man an, ihn auch als Genussmittel und Alltagsgetränk zu verwenden. Grundsätzlich fördert Tee die Gesundheit und das Wohlbefinden allgemein, aber es zeigt sich auch, dass viele Inhaltsstoffe ganz bestimmte Bereiche des Körpers beeinflussen, indem sie vor Stress und Krankheit schützen und Knochen und Immunabwehr stärken. So wird Tee längst nicht mehr nur wegen seines Geschmacks, sondern wegen seines umfassenden Nutzens geschätzt. Hier ein paar Beispiele:
Die Ursprünge des Nachmittagstees, wie man ihn zum Beispiel im Grand Hotel oder im St. Andrew ´s in Nuwara Eliya genießen kann, liegen in den 1840er-Jahren, als die Häuser der britischen Oberschicht mit Gaslicht ausgestattet wurden und die Bewohner dadurch später zu Abend essen konnten. Zu dieser Zeit nahm man nur zwei Mahlzeiten am Tag zu sich: Frühstück und Abendbrot. Die gesellschaftlich einflussreiche Duchess of Bedford ging dazu über, gegen 16 Uhr einen Tee und einen leichten Snack zu sich zu nehmen, um die lange Zeit bis zum „supper“ (Abendessen) zu überbrücken. Und sie kam auf die Idee, ihre Freundinnen zu dieser Zwischenmahlzeit in ihr Haus in Woburn Abbey in Bedfordshire einzuladen. Die Gewohnheit sprach sich herum und setzte sich in den Salons im ganzen Land und in den britischen Kolonien durch.
Die Anreise ins zentrale Bergland erfolgt in der Regel über Kandy. Dort sollte man auf jeden Fall den legendären Tempel „Dalada Maligawa“ besuchen. Sonore Trommelschläge hallen am späten Nachmittag durch die milde Luft und weisen Pilgern und Touristen den Weg. Sie begleiten die Zeremonien rund um den heiligsten Tempel Sri Lankas, in dem die wichtigste Reliquie des Landes untergebracht ist: ein Backenzahn des Buddha. Wohlbehütet wird dieser Schatz: Vier mächtige Elefantenstoßzähne und zwei Steinlöwen bewachen den Schrein, der Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. Geschenke und Opfergaben gleißen unter dem Licht der Kerzen um die Wette, in den umliegenden Zellen sieht man Mönche in orangenen Gewändern. Der Zahn selbst befindet sich aber erst im zweiten Stock des umliegenden Gebäudes: Auf langen Tischen werden hier Berge von pinkfarbenen Lotusblüten aufgehäuft, und devot gehen die Gläubigen vor einer unscheinbaren Mauernische in die Knie. „Halle der glückseligen Erscheinung“ heißt das Kämmerchen. Auf goldenen Täfelungen leuchten die Darstellungen von Sonne, Mond und Pfauen. Dahinter hängt schließlich der Reliquienbehälter an goldenen Ketten. Wie bei einer russischen Puppe sind sieben Goldkassetten ineinander verschachtelt. Die kleinste und innerste beinhaltet schließlich den heiligen Zahn. Danach sollte man sich einen Gin & Tonic im kolonialen „Queen ´s Hotel“ (1813 erbaut) gönnen. Ein weiteres Highlight ist der Botanische Garten von Peradeniya, rund sechs Kilometer von Kandy entfernt. Besonders empfehlenswert ist eine Zugfahrt von Kandy nach Nuwara Eliya. Die Fahrzeit beträgt rund vier Stunden. Wer will, kommt hier mit den Einheimischen ins Gespräch und kann ihre natürliche Gelassenheit bewundern. „Was immer du tust, tu es mit einem Lächeln“, sagt ein Sprichwort aus Sri Lanka. Weitere Infos: www.meiers-weltreisen.de













