Die geplanten Reformen markierten eine „Zeitenwende“, sagte Erdogan. Er will den zwölf Millionen Kurden mehr Sprachfreiheit und andere demokratische Rechte gewähren, um den 25-jährigen Kurdenkonflikt zu beenden. So sollen unter anderem Kommunen im türkischen Südosten das Recht erhalten, ihre vor Jahren durch türkische Ortsbezeichnungen ersetzten alten Namen wieder einzuführen. Weiterhin soll im religiösen und sozialen Leben wie auch im Wahlkampf der Gebrauch der kurdischen Sprache erlaubt sein. Gleichzeitig sollen die Straßenkontrollen der Sicherheitskräfte im Kurdengebiet verringert werden. Innenminister Besir Atalay forderte einen möglichst breiten Konsens, um eine neue demokratische Verfassung zu erarbeiten. Die derzeitige Verfassung der Türkei stammt aus der Zeit nach dem letzten Militärputsch von 1980.
Viele der von Atalay aufgezählten Reformen entsprechen Forderungen der EU an die Türkei. So sagte Atalay auch, seine Regierung wolle ein unabhängiges Gremium zur Prüfung von Beschwerden über Diskriminierungen aller Art schaffen. Viele Kurden in der Türkei klagen über eine Benachteiligung im täglichen Leben. Laut türkischer Presseangaben ist unter anderem auch die Zulassung der kurdischen Sprache als Wahlfach in den Schulen geplant.
Erdogan wehrte sich in der Parlaments-Debatte gegen die Haltung der Oppositionsparteien, die das Reformvorhaben als Gefährdung der staatlichen Einheit des Landes betrachten. Er warf ihnen vor, dass sie im Grunde eine Fortsetzung des Kurdenkrieges und damit noch mehr Leid für die Menschen wollten. Die Fraktion der CHP, der von Mustafa Kemal Atatürk gegründeten linksnationalistischen Volks-Partei, verließ daraufhin aus Protest den Sitzungssaal. Seit dem Beginn des Aufstandes der kurdischen PKK-Rebellen im Jahr 1984 sind in diesem Konflikt mehr als 40 000 Menschen getötet wurden.