Störfaktor Kleindarsteller – Der Kultursenat sonnt sich in Erfolgen der Theater und Orchester

Es scheint ihn nicht sonderlich zu beunruhigen, dass die Sanierung der Staatsoper (an deren Notwendigkeit nicht zu zweifeln Ist) finanziell ein Fass ohne Boden ist. Je mehr die Kosten aus dem Ruder laufen, desto mehr Sorglosigkeit legt der Senat an den Tag. Zum Beispiel ist der Umbau ohne Innenausstattung geplant. Die 4,7 Millionen Euro fehlen. Für den zusätzlich gebauten Tunnel bringt die Klimaanlage eine Million Mehrkosten pro Jahr. Die Deckung der Betriebskosten ist ungeklärt. Anscheinend verlassen sich die Verantwortlichen darauf, dass Daniel Barenboim es schon schaffen wird, die Finanzierung durchzusetzen. Wenn der Senat berichte, zwei Drittel der Besucher im Ausweichquartier Schillertheater seien neue Gäste, wäre nach Meinung der Abgeordneten Sabine Bangert (B90/Grüne) zu fragen, wo das Stammpublikum der Staatsoper geblieben sei, das auch Einnahmen bringen könnte.

Unter der Oberfläche aber schwelt ein Konflikt, den nur die Oppositionsparteien ernst nehmen. Es geht um die Bezahlung der Kleindarsteller der Komischen Oper (und ähnlicher Beschäftigungsverhältnisse). Sabine Bangert wollte wissen, wie sich der im Berliner Vergabegesetz festgelegte Mindestlohn von 8,50 Euro mit den Honoraren der Kleindarsteller verträgt. Bei 18 Euro für 3 Stunden Probe oder Vorstellung bekommt der Künstler 6 Euro die Stunde, netto 4,80. Kulturstaatssekretär André Schmitz war bemüht, das Problem kleinzureden. Es seien Studenten und Rentner, die dies als Hobby betrieben und etwas hinzuverdienen wollten. Er mische sich da in die Geschäfte der Opern nicht ein. Völlig im Kontrast dazu steht eine Zuwendung der Bundesregierung von 1,8 Millionen Euro pro Jahr für die Staatskapelle. Das erklärt der Regierende ganz locker: Die Kapelle habe bei schlechtem Wetter im Freien spielen müssen und habe das Herz der Bundeskanzlerin erwärmt.

Den im Saal anwesenden Kleindarstellern und Gewerkschaftern wurde klar: Wo ihre Lage kein Verständnis findet, bleiben nur Kampfmaßnahmen, auf die sie sich vorbereiten werden. Noch lehnt die Leitung der Komischen Oper Verhandlungen mit der Gewerkschaft Ver.di über einen Tarifvertrag ab. Die Honorarordnung von 2008 aber ist völlig unzureichend hinsichtlich der Bezahlung und der Regelung der Arbeitsbedingungen. Zum Beispiel gibt es bei Arbeitsunfällen keine Lohnfortzahlung. Bangert meint, die von Wowereit gelobten Mehreinnahmen der Komischen Oper müssen für Tariferhöhungen eingesetzt werden, auch für die Besetzung offener Stellen im Orchester. Wo Löhne und Arbeitsbedingungen geregelt werden, werden auch andere Sparten und Kollegen in anderen Häusern ihre Bedingungen daran messen. Das Problem ist nicht vom Tisch.

Die Sorgen der Kleindarsteller erinnern auch an die Lage der Tausenden freischaffenden Künstler in Berlin, die sich mit Müh und Not durchhangeln und häufig ihre Rettung in Hartz IV suchen müssen – mit all seinen Knebelbestimmungen. Darunter sind viele, die durch Stellenstreichungen oder Streichung ganzer Orchester in die latente Arbeitslosigkeit getrieben worden sind wie zum Beispiel die Berliner Symphoniker. Letztere müssen sich nicht nur aus eigener Kraft über Wasser halten, sondern zudem auch steigende Preise verkraften. Zum Beispiel ist die Saalmiete für ein Konzert in der Philharmonie in den Jahren seit ihrer Entlassung in die »Eigenverantwortung« von 10 000 auf 15 000 Euro gestiegen. Doch auch da, wo es Bezahlung nach offiziellen Honorarordnungen gibt wie für die Musiklehrer, reichen die Einkommen immer weniger für den Lebensunterhalt aus.

Die Geringschätzung dieser Probleme durch die Regierungsmehrheit im Kultur- und im Bildungsausschuß des Abgeordnetenhauses gibt Anlass zum Überlegen. Vielleicht sollte im Abgeordnetenhaus das Amt des Bürgerdeputierten eingeführt werden. Dann könnten Bühnenarbeiter, Garderobiere, Chorsänger, Kleindarsteller, Orchestermusiker, Musiklehrer und andere mitreden und die Abgeordneten mit den alltäglichen Problemen der Arbeitswelt vertraut machen.

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