Steinmeiers „böse Geister der Vergangenheit und die neuen Gewänder“ oder wo ist der Bundespräsident, wenn es ernst wird?

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Quelle: Pixabay, Foto: Christian Bueltemann

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wir haben es mit einer Bundesregierung und einem Bundespräsidenten zu tun, die keinen Anlass gesehen haben, am 28. Juni 2019, dem einhundertsten Jahrestag von „Versailles“, an die perfide Planung des Zweiten Weltkrieges durch die Initiatoren von Versailles zu erinnern. Man muss nicht alleine den britischen Wissenschaftler Keynes als Mitglied der damaligen britischen Delegation mit seiner Ansicht über die Gewissheit des nächsten Krieges als Ergebnis von „Versailles“ heranziehen.

Der russische Präsident Putin hat in seiner zukunftsweisenden Rede am 20. Dezember 2019 in St. Petersburg auf das Verhängnis von „Versailles“ gerade für Deutschland hingewiesen. In den russischen Berichten über diese Rede wurde darauf aufmerksam gemacht, dass einer der Architekten des Ersten Weltkrieges, der französische Marschall Foch, diese Ansicht 1919 durchaus präzisierte. Er sprach von dem nächsten Krieg, der in zwanzig Jahren wieder losbrechen würde. Foch dachte an 1939 und sollte es genau vorhersehen. Es ist der Marschall Foch, dem US-Präsident Trump im Sommer 2017 im Invalidendom zu Paris an seinem Grabmal Tribut zollte.

Das Versagen der deutschen Staatsspitze ist nicht damit abgetan, dass es sich um eine Angelegenheit handeln würde, die nun einmal einhundert Jahre zurückliegen würde. Die katastrophalen Fehler von „Versailles“ liegen geradezu auf einem „historischen Tablett“. Dieses „Versailles“ links liegen zu lassen, das bedeutet unter den heute herrschenden Bedingungen, die Fehler von damals sehenden Auges wiederholen zu wollen und diesmal gegen einen Nachbarn weiter östlich vorzugehen.

Was macht Geschichte für einen Sinn, wenn man keine Konsequenzen daraus ziehen will? Muss das grenzenlose Elend wiederholt werden und Geschichte für den ewig gleichen Zweck auch noch umgeschrieben werden?

In Deutschland wurde nicht darüber berichtet, was der ukrainische Präsident dem Vernehmen nach bei den Gedenkveranstaltungen in Auschwitz in seiner Rede gesagt haben soll. Danach hat er in der Verantwortung für das Grauen des Zweiten Weltkrieges das nationalsozialistische Deutsche Reich und die kommunistische Sowjetunion geradezu gleichgesetzt. Deutsche Mainstream-Medien schreiben und senden das auch und sie machen es am Hitler-Stalin-Pakt fest. Wissen die Vorgenannten, welchen ungeheuren Vorwurf sie denjenigen machen, die einen Blutzoll unvorstellbaren Ausmaßes gezahlt haben?

Dann kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass diese blutige Konsequenz in dem Verhalten der britischen Delegation bei Stalin lag, die ohne jedes Verhandlungsmandat für ein Abkommen zu Stalin geschickt worden war, als die Emissäre aus Berlin eintrafen. Warum weigert sich die Bundesregierung und warum weigert sich der Bundespräsident, gegenüber der Russischen Föderation nicht jene friedensstiftenden Konsequenzen an den Tag zu legen, wie sie 1648 und 1915 nach desaströen europäischen Konflikten die europäische Diplomatie bestimmten?

Warum weist der Herr Bundespräsident wieder und wieder darauf hin, ein bestimmtes Geschichtsbild festzuzurren, wenn er „Versailles“ als das „Tor zu Hölle“ geradezu unterschlägt?

Es darf keinen Schlussstrich unter irgendetwas in der Dimension der beiden Weltkriege geben. Nicht zuletzt deshalb, weil nur die Offenheit sicherstellt, dass keine gesellschaftlichen Faulgase entstehen. Leistet die deutsche Staatsspitze genau diesem Übel durch ihr Verhalten Vorschub?

Noch hat man die Möglichkeit, das deutsche Volk über die Maulkorb-Medien zu kujonieren, aber um welchen Preis? Konsequenzen sind aus der Geschichte unbedingt zu ziehen und es ist die Rechtsordnung eines Staates, die der vornehmste und friedensstiftende Ausdruck dafür ist. Als der Herr Bundespräsident im Deutschen Bundestag in diesen Tagen von den „bösen Geistern in neuen Gewändern“ sprach, hätte er einen Augenblick länger bei diesem Gedanken verweilen sollen. Sind es nicht vielmehr die „bösen Geister in alten Gewändern“, die das deutsche Volk erneut staatlicherseits ins Verhängnis führen? Wo ist der flammende Appell des Herrn Bundespräsidenten, die Friedenspflicht des Grundgesetzes umzusetzen und den Schwadroneuren im Bundeskabinett in den Arm zu fallen, wenn sie wieder weltweit militärisch auftreten wollen?

Wo sind der Herr Bundespräsident und der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, wenn deutsche Soldaten wieder ohne ein Mandat der Vereinten Nationen in Kriege geschickt werden?

Deutschland sollte und wollte sich an die Charta der Vereinten Nationen und die dort festgelegte Einhegung des Krieges halten. Seit 1999 demontieren deutsche Staatsführungen das einzige internationale Instrument, das zwischen dem Zweiten Weltkrieg und uns heute steht: die Charta der Vereinten Nationen. Stattdessen haben wir mitgemacht, als die USA die UN zum Anhängsel der NATO gemacht haben.

Wo ist der Herr Bundespräsident, der bei der NATO in Brüssel mit der Faust auf den Tisch haut, weil die NATO jede Rechtfertigung nach der Charta der Vereinten Nationen als seit 1999 globales Aggressionsbündnis verloren hat?

Anmerkungen:

Siehe zum Thema auch den Artikel Trump und Macron am Grab von Marschall Foch – Auftakt zum Weltkriegs-Remake? von Wolfgang Effenberger.

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Willy Wimmer
Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung a.D. Von 1994 bis 2000 war Willy Wimmer Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).