Der Künstler ist kein Unbekannter. Jean-Léon Gérôme (1824–1904) gehörte zu den erfolgreichsten Künstlern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seine Bilder finden sich in den Schausammlungen der größten amerikanischen, britischen und französischen Museen. In Deutschland verfügte bislang nur die Hamburger Kunsthalle über Werke dieses in den letzten Jahren erneut in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangten Künstlers. Die 2010/2011 im Getty Museum in Los Angeles, im Musée d’Orsay in Paris und im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid gezeigte Gérôme-Retrospektive belegt den hohen Stellenwert, den dieser Star des Salons des 19. Jahrhunderts heute erneut genießt.
Die Geschichte um dieses nun wieder entdeckte Kunstwerk ist spannend: Jean-Léon Gérômes Der heilige Hieronymus wurde dem Städel 1935 von den Erben Otto Haucks geschenkt. In den Wirren der NS-Zeit und des Zweiten Weltkrieges wurde das von der Bankiersfamilie gestiftete Gemälde nicht inventarisiert und näher bezeichnet, sondern nur mit einer Eingangsnummer versehen. Im Kontext der derzeitigen Arbeiten zur Wieder- und Neueröffnung aller Sammlungsbereiche des Städel Museums wurde das Gemälde von Dr. Felix Krämer, Sammlungsleiter der Kunst der Moderne, als kapitales Werk von Gérôme erkannt. In den letzten Monaten wurde das Gemälde in der Restaurierungswerkstatt des Städel Museums durch Christiane Haeseler behutsam restauriert und konserviert. Wenn am 17. November 2011 der renovierte Gartenflügel des Städel-Altbaus mit der völlig neu gestalteten Sammlungspräsentation "Kunst der Moderne“ (1800 bis 1945) seine Pforten öffnen wird, wird Gérômes Heiliger Hieronymus erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Das Gemälde "Der heilige Hieronymus [Saint Jérôme]" entstand 1874 auf dem Höhepunkt von Gérômes Karriere. Wie kein Zweiter verbindet der Künstler in seinem Å’uvre maltechnische Perfektion mit der Schwüle sentimentaler Historienmalerei und den Klischeevorstellungen vom Orient. Und da gibt es noch die Namensverwandtschaft zwischen dem Heiligen – französisch Jérôme – und dem Maler. In dem wiederentdeckten Gemälde zeigt Gérôme eine technische Meisterschaft, die selbst vor dreckigen Fingernägeln und dem Schmutz unter den Füßen des Heiligen nicht haltmacht.