Berlin, Deutschland (Weltexpress). … angezählt ist die SPD ja schon seit Monaten. Ja, sie stand sogar schon kurz vor dem Knockout. Aber als der erklärte Favorit aus Würselen in die Knie ging, sprang Andrea Nahles in den Ring. Immerhin steht ihr der adoleszente Juso-Zelot Kevin Kühnert gegenüber, der sie intellektuell jederzeit und überall in die Tasche steckt.
Kühnert hat nun wochenlang das Messer gewetzt. Wenn er sich dabei nur nicht geschnitten hat. Wie predigt eine verantwortungsvolle Mutter ihren Kindern? „Messer, Gabel, Scher und Licht, sind für kleine Kinder nicht.“ Das hätte der Kleine mal beherzigen sollen. Auch wenn so manche, altkluge Kinder schon in jungen Jahren ihren Eltern geistig überlegen sind, riskieren sie, wenn sie zu vorlaut sind, vom Vater trotzdem eine Tracht Prügel.
Heute Nacht wissen wir, wie die Auseinandersetzung zwischen Nahles und Kühnert ausgegangen sein wird. Machen wir uns nichts vor, die „elterliche Gewalt“ wird siegen und die Genossen tun alles, um den Kleinen aus der Jugendgruppe zu disziplinieren. Freilich erst hinterher. Kevin weiß es nur noch nicht. Und wieder einmal wird sich nach diesem ganzen Rummel beweisen: Parteien sind Vereine zur erfolgreichen Verhinderung von Politik.
Mit Prognosen ist es ja immer so eine Sache, zumal Ergebnisse von Voraussagen in der Zukunft liegen. Dennoch wage ich zu behaupten, dass der gesamte SPD-Kader die Hosen gestrichen voll hat. Sollten die Mitglieder das Votum für die GroKo ablehnen, hat nicht nur die Vorsitzende ein Problem. Die Partei würde auf lange Zeit kaum noch eine Rolle mehr spielen. Wenn man bedenkt, dass die Nachfahren Willi Brandts mit gerade einmal 15% Wählerzustimmung sich immer noch Volkspartei nennen, kann man getrost von einer Wahrnehmungsverzerrung sprechen. Immerhin würden die Genossen von 85% der Wähler NICHT gewählt.
Auch die CDU kann sich kaum entspannt zurücklehnen, hängt doch auch ihre Zukunft von dem Erfolg des renitenten Kevin ab. Kaum zu glauben, dass ehemals gestandene Parteien sich mit Verve und semantischer Publikums-Nötigung dem Wähler verkaufen wollen, dass das Scheitern der GroKo einem Weltuntergang gliche. Zugegeben, es wäre eher der Untergang unserer Protagonisten, von denen einige dann auf dem freien Arbeitsmarkt ihr Glück versuchen müssten. Aber da sieht es zurzeit schlecht aus, zumal die Mindestlöhne nicht sehr attraktiv sind.
Deshalb das Credo: Unter keinen Umständen Neuwahlen. Die so genannten Volksparteien würden vermutlich zu dekorativen Splittergruppen mutieren und so manches Großmaul müsste die Zähne zusammenbeißen. Wäre auch nicht das Schlechteste, zumindest könnten er dann nicht mehr laut reden. Wie sagte Charles Pierre Péguy, der berühmte französische Dramatiker 1898 so nett? Jede Partei lebt von ihrem Kult und stirbt an der eigenen Politik. Diesen weitsichtigen Worten kann ich mich nur mit den mir eigenen anschließen: Wenn es eine Partei mit vernünftigen und klugen Politikern gäbe, müsste nicht nur die Politik neu definiert werden. Man würde auch Schwätzer mit Denkern ersetzen
Aber noch ist es nicht soweit. Die SPD-Wähler werden unter maximaler Überwindung eigener Logik ihren inneren Widerstand im Keim ersticken und mehrheitlich für eine große Koalition abstimmen. Heerscharen von Minister, Staatssekretäre, Bundestagsmitglieder werden mentale Freudentänze aufführen und eine Kerze in der heimischen Kirche entzünden, weil ihre Dienstfahrzeuge und Diäten erhalten bleiben und nicht etwa, weil sie endlich das Volk mit Wohltaten überhäufen können.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Claudio Michele Mancini wurde unter dem Titel „Jetzt wird ausgezählt…“ im Scharfblick am 3.3.2018 erstveröffentlicht.