Berlin, Deutschland (Weltexpress). Vor mehr als 20 Jahren, am 12. Mai 1996, wurde die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright in der US-Fernsehshow «60 Minutes» von der Moderatorin Lesley Stahl auf die Opfer der 1991 in Kraft getretenen Sanktionen gegen den Irak angesprochen: «Wir haben gehört, dass eine halbe Million Kinder gestorben sind. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und – sagen Sie, ist es den Preis wert?» Madeleine Albright antwortete damals: «Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert.» Erinnert sich noch jemand daran? Die Ministerin musste nicht zurücktreten. Sie konnte ihr Unwesen weiter treiben, auch noch – gemeinsam mit dem deutschen Außenminister Joseph Fischer – während des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im Jahr 1999. Die Menschen leiden dort bis heute unter diesem Krieg, nicht zuletzt, weil große Landstriche radioaktiv mit Uranwaffen verseucht wurden.
Doppelte Standards – beim Blick auf Nordkorea spricht Merkel nun vom Völkerrecht
Mehr als 20 Jahre später hat nun nicht nur die US-Regierung (was niemanden überrascht hat), sondern auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verschärfte Sanktionen gegen Nordkorea gefordert. Das Land hatte am 3. September 2017 erneut einen Atomwaffentest unternommen, und zwar einen mit sehr großer Sprengkraft, so dass von einem Test mit einer Wasserstoffbombe gesprochen wird.
Die Kanzlerin, so hieß es in verschiedenen Pressemitteilungen der deutschen Regierung zwischen dem 3. und 5. September, habe mit dem französischen und mit dem US-Präsidenten, mit dem Präsidenten Südkoreas und dem Ministerpräsidenten Japans telefoniert. Sie sprach von einer «uneinsichtigen und konfrontativen Haltung Nordkoreas», habe Südkorea und Japan ihre «Solidarität» versichert und sei mit dem französischen und auch mit dem US-Präsidenten einig darin, dass «Nordkorea das internationale Recht mit Füssen tritt», «der jüngste Atomtest durch Nordkorea eine Bedrohung der Sicherheit der ganzen Welt darstellt», die «Staatengemeinschaft […] geschlossen und entschieden reagieren muss», «der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen rasch weitere und verschärfte Sanktionen beschließen» und sich auch die EU für eine «Verschärfung [ihrer] Sanktionen gegen Nordkorea» entscheiden müsse. Die Kanzlerin habe zudem angekündigt, «weitere Gespräche zu führen, um zu einer gemeinsamen Haltung zu einer Sanktionsverschärfung durch die Vereinten Nationen sowie die EU zu kommen». Selbstverständlich fügte Merkel floskelhaft hinzu, Ziel sei es weiterhin, «eine militärische Eskalation zu vermeiden und eine friedliche Lösung zu ermöglichen.»
Der russische Präsident setzt andere Akzente
Interessant ist aber auch, wie der russische Präsident Wladimir Putin zum erneuten nordkoreanischen Atomtest und zur Frage verschärfter Sanktionen gegen Nordkorea Stellung genommen hat. Er tat dies während der Pressekonferenz nach dem BRICS-Gipfel im chinesischen Xiamen am 4. September.
Auch er verurteilte den erneuten Atomwaffentest Nordkoreas und bezeichnete ihn als Provokation. Zugleich aber beurteilte er verschärfte Sanktionen als «nutzlos und nicht zielführend». Das bisherige Sanktionsregime sei «an seine Grenzen gestoßen und komplett ineffektiv». Er forderte dazu auf, nicht zu vergessen, was in Irak und später in Libyen passiert sei. Saddam Hussein habe sein Programm zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen eingestellt. Das Resultat war, dass er und seine Familie unter dem Vorwand, solche Waffen im Land suchen zu wollen, getötet wurden. Dann sagte der russische Präsident: «Jeder ist sich dessen bewusst, und jeder erinnert sich. Auch Nordkorea ist sich dessen bewusst und erinnert sich. Denken Sie, dass Nordkorea nach der Annahme von Sanktionen seinen Kurs, Massenvernichtungswaffen herzustellen, ändern wird? […] Sie werden Gras essen, aber sie werden dieses Programm nicht ändern, solange sie sich nicht sicher fühlen.» Der russische Präsident verwies auf die humanitären Folgen verschärfter Sanktionen. Die Führer des Landes würden ihre Politik nicht ändern, «aber das Leiden von Millionen könne sich um ein vielfaches erhöhen».
Militärische Hysterie zu schüren führt in die Sackgasse
Sicherheit könne es nur geben bei einer «Rückkehr zum Völkerrechts». «Wir müssen Fortschritte machen in Richtung eines Dialogs zwischen allen betroffenen Parteien. Es ist wichtig für alle Parteien, einschließlich Nordkoreas, dass sie sich nicht die Köpfe darüber zerbrechen müssen, ob ihnen die Vernichtung droht; im Gegenteil, alle Seiten des Konfliktes sollten zusammenarbeiten. […] In diesem Umfeld, in dieser Situation eine militärische Hysterie zu schüren ist absolut sinnlos, es ist eine Sackgasse. […] Militärische Hysterie wird nichts Gutes bewirken, kann aber zu einer globalen, den ganzen Planeten erfassenden Katastrophe und zu enormen Opfern führen. Diplomatie ist der einzige Weg, um das nordkoreanische Nuklearproblem zu lösen.»
Pro memoria: Koreakrieg
Im Krieg gegen Nordkorea in den Jahren 1950 bis 1953 hat die US-Luftwaffe 28 von 34 nordkoreanischen Großstädten dem Erdbeben gleich gemacht und dabei mehr als 2,5 Millionen Zivilisten umgebracht. Dieses völlig sinnlose Morden – an der Front war längst ein Stellungskrieg eingetreten, bei dem es weder Sieger noch Besiegte gab – wird bis heute kaum zum Thema gemacht. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben viele Völker der Erde ihre Erfahrungen mit der US-Politik gemacht – zu wenige sprechen darüber. Was für eine Schande, dass die deutsche Kanzlerin anhebt, in solch schmutzige Fußstapfen zu treten.