Von Bedeutung ist m.E. insbesondere der 1. Teil (CD I). Hier werden alle grundlegenden Mythen des Zionismus und sympathisierender nicht-jüdischer Strömungen an Hand eindeutiger Zitate zionistischer Führer wie David Ben Gurion und israelischer Wissenschaftlicher wie Shlomo Sand widerlegt. So etwa die Behauptung, die Mehrzahl der Juden seien im Jahre 70 n.Chr. aus ihrem Land in Palästina vertrieben worden und nun 2000 Jahre später zurückgekehrt. Weder gibt es einen historischen Beleg für die Massenvertreibung noch sind die „Zurückgekehrten“ überwiegend die Nachkommen derer, die damals und später ihre nahöstlichen Heimat verlassen haben. Da das Judentum die erste große Bekehrungsreligion war, ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der heutigen muslimischen oder christlichen Palästinenser in der Antike Juden waren – worauf bereits 1918 David Ben Gurion, der erste israelische Ministerpräsident, und der spätere 2. Staatspräsident Israels Jitzchak Ben Zwi in einem gemeinsam herausgegebenen Buch aufmerksam gemacht haben – und dass andererseits die Mehrzahl der seit dem 19. Jahrhundert nach Palästina ausgewanderten europäischen Juden einst andere Religionszugehörigkeit hatten. Insbesondere stellen die Juden keine biologisch definierte Ethnie dar. Die Zugehörigkeit zum Judentum allerdings auf die Religion zu begrenzen, scheint mir zu kurz gegriffen. Letztlich wird es durch den Antisemitismus in all seinen – nicht nur religiösen – Spielarten definiert. Weitere eindeutige Zitate zionistischer Führer zeigen den bewusst kolonialistischen und militaristischen Charakter ihrer Bewegung und weisen etwa die Behauptung, dass Israel sich von Anfang an einer arabischen militärischen Übermacht zu erwehren gehabt hätte, in den Bereich des Märchens. Im Wesentlichen folgt aus diesen Grundlagen der zionistischen Bewegungen notwendigerweise alles Weitere, z.B. auch die anhaltende Politik der Vertreibung der – Jahrhunderte lang weit mehrheitlichen – nicht-jüdischen Bevölkerung Palästinas. Das machte noch zu Beginn dieses Jahrtausends der Tourismusminister im Kabinett Sharon und Ex-General Rehavam Ze’evi, Gründer der rechtsgerichteten Moledet-Partei, deutlich als er sagte:
„Das Wesen des Zionismus ist der Transfer. Der Transfer der jüdischen Nation aus der Diaspora (nach Palästina) und der Transfer der Araber aus Palästina“.
Die Tatsache, dass es natürlich auch andere Stimmen wie etwa die des Humanisten und „Kulturzionisten“ Martin Buber gab, die auf ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Juden und Nicht-Juden in Palästina orientierten, dass aber diese für die politische Linie des Staates Israel stets irrelevant waren und blieben, deutet darauf hin, dass sich die herrschende expansive Politik notwendigerweise aus den realen Grundlagen der zionistischen Bewegung ergab. Dazu der Oberbefehlshaber der israelischen Streitkräfte und spätere Verteidigungs- und Außenminister, Moshe Dayan, nachzulesen im Tagebucheintrag des Außenministers und zeitweiligen Ministerpäsidenten Moshe Sharetts vom 26.5.1955: (Ein Friedensschluß) „würde uns die Hände binden und uns die Aktionsfreiheit nehmen, die wir in den kommenden Jahren brauchen.“
Der zweite Teil des Hörbuchs (CD II), der sich der Entwicklung der jüngeren Vergangenheit – darunter der Politik Israels gegenüber der sogenannten Palästinensischen Autonomiebehörde in der West Bank oder der Regierung der islamistischen Hamas im Gaza-Streifen sowie überhaupt der Frage der Demokratie in Israel und insbesondere auch gegenüber dem 1/5 der arabischen Bürger Israels – widmet, zeigt all das, was auf Grund des im 1. Teil dargelegten Befundes zu erwarten ist. Während die „Demokratie“, die für die jüdische Bevölkerung Israels in der Tat ungeachtet ihrer grundsätzlichen Beschränkungen durch ihren kapitalistischen Charakter und ihrer speziellen Einschränkungen durch die mannigfachen Auswirkungen der siedlerkolonialen Unterdrückung der nicht-jüdischen Bevölkerung Palästinas vergleichsweise mit den umliegenden arabischen Staaten zwar durchaus real ist, erweist sich der Gebrauch, der von den Zionisten von diesem Begriff gemacht wird, wesentlich als propagandistisch. Das machte am 28. Mai 1993 der frühere Verteidigungsminister und spätere Ministerpräsident, Ariel Sharon in ’Yedioth Ahronoth’, der größten Tageszeitung Israels, unter der Überschrift „Demokratie und der jüdische Staat“ folgendermaßen klar: „Die Begriffe „Demokratie“ oder „demokratisch“ kommen in der Unabhängigkeitserklärung in keiner Weise vor. Dies ist kein Zufall. Es war nicht die Absicht des Zionismus – dies ist kaum erwähnenswert -, eine Demokratie aufzubauen. Er wurde allein angetrieben von der Errichtung eines jüdischen Staates in Eretz-Israel, der dem ganzen jüdischen Volk und dem jüdischen Volk allein gehört. Deswegen hat jeder Jude in der Diaspora das Recht, in Israel einzuwandern und ein Bürger Israels zu werden.“
Bei dem vorliegende Hörbuch haben wir es mit einer Dokumentation zu tun, die so gut wie alle relevanten Fragen auf überzeugende Art beantwortet – durch den Mund jüdischer und nicht-jüdischer Zeugen wie den bereits erwähnten aber auch solcher wie Uri Avnery, Albert Einstein, dem Israel immerhin einst das Amt des Staatspräsidenten angetragen hatte, worauf er wohlweislich verzichtete, Erich Fromm, Jeff Halper, Theodor Herzl, Yeshayahu Leibowitz, Moshe Sharett, Norman Finkelstein, Arnold Zweig, Moshe Zimmermann und Moshe Zuckermann sowie dem früheren US-Präsidenten Jimmy Carter und dem Völkerrechtlers Norman Paech. Nachdem die Juden jahrhundertelang Opfer christlich-abendländischen und schließlich im 20. Jahrhundert des nazistischen Antisemitismus waren, kann eine solche Dokumentation nicht vollständig sein, ohne auch einen emotionalen Zugang zu eröffnen. Das geschieht hier durch den Rückgriff auf Texte aus dem hervorragenden Gedichtband des verstorbenen österreich-jüdischen und antizionistischen Dichters Erich Fried „Höre, Israel!“(1974).
Wenn man alle hier aufgeführten – und seit langem bekannte – Fakten Revue passieren lässt und sich der Tatsache bewusst bleibt, dass die Regierungen der imperialistischen Staaten diese selbstredend auch kennen, bleibt die Frage nach dem Grund für ihre anhaltende Unterstützung der zionistischen Politik Israels, gleich ob dort die „linke“ Arbeiterpartei oder offen rassistische Rechtsausleger die Regierung bilden. Da sind natürlich zum einen die geostrategischen Interessen an der Kontrolle der instabilen Staaten, die über gewaltige Erdölvorkommen verfügen. Allerdings bleibt eine Frage offen, die auch von den Autoren dieses Hörbuchs nicht gestellt wird – vielleicht, weil die mögliche Antwort zu grauenhaft ist. Das Hörbuch erwähnt, dass seit Jahren mehr Juden aus Israel aus- als nach Israel einwandern. Welcher Art sind dann wohl die, die dort bleiben oder gar einwandern? Die Bevölkerungsstruktur droht, sich zu Gunsten der radikalten Zionisten und/ oder religiösen Fanatiker zu verschieben. Das hat nicht nur schon jetzt Auswirkungen auf den speziellen Charakter der bürgerlichen Demokratie im Land selbst. Wenn wir es hier in wachsendem Maße mit Menschen zu tun haben, die durch die Erfahrung des stets drohenden abendländischen Antisemitismus traumatisiert sind, muss davon ausgegangen werden, dass eine nicht unerhebliche Zahl von ihnen potentielle Selbstmordattentäter sind. In diesem Zusammenhang wird seit langem auch vom „Massada“-Komplex gesprochen. Aber anders als ihre jüdischen Vorfahren in der antiken Festung Massada und auch anders als die bislang bekannten islamistischen Selbstmordattentäter, gebietet das heutige Israel über ein im Einzelnen unbekanntes aber zweifellos gewaltigen Arsenal an Atomwaffen. Das dürfte die Handlungsfähigkeit auch der imperialistischen Staaten, von denen Israel ökonomisch so abhängig ist, gegenüber diesem Land eng begrenzen.