Sieht aus wie ’selbstgemacht` – „Alex Katz. Prints“ in der Albertina in Wien

Alex Katz, Grey Day, 1992, Siebdruck

Dabei hat sie nicht einmal Katz selbst gemacht, diese Drucke, denn er hat sie zwar geschaffen, sie erfunden, gezeichnet, gestichelt, aber ausgeführt als perfekt wiedergegebene kühle Folien der Wirklichkeit haben sie seine Drucker zusammen mit ihm. Und wie viel er ihnen verdankt, das stellt er dem dazugehörigen Katalog in einer Widmung voran: „Ich möchte die Ausstellung den Druckern widmen, die mit mir zusammengearbeitet haben“, und zählt dann 17 Werkstätten auf, in denen teilweise mehrere ihm geholfen haben bei den Lithographien mit Zinkplatten, den Kaltnadel- und Ätzradierungen, den Siebdrucken, Aquatinten mit und ohne der Sprühdose, den Linol- und Holzschnitten, den Cutouts – das sind bemalte oder bedruckte Aluminium-Silhouetten, und die Holztafeltechnik, was etwas Besonderes ist, kommt auch hinzu.

Wir kannten bisher vorwiegend den Maler Alex Katz. Wir kannten den schon älter Gewordenen aus den Ausstellungen in der Bundeskunsthalle Bonn 2002 und zur Zeit der Biennale 2007 in Venedig. Die Ausstellung in der Albertina bringt nun einen breiten Überblick über sein druckgraphischen Werk mit etwa 150 Blättern und ausgestanzten Aluminium, dessen Gesamtheit er im Herbst 2009 der Albertina geschenkt hatte, nachdem er auch anderen Sammlern wie dem Ehepaar Brandhorst, bzw. deren Stiftung und Museum in München Werke geschenkt hatte. Alex Katz, der wie sein Name andeutet, das Kind russisch-jüdischer Einwanderer der 1920er Jahre ist und 1927 in den USA geboren wurde und vom zu Geld gekommenen Vater und der Mutter stets gefördert wurde und Werbegraphik studierte, fängt erst Mitte der Sechziger Jahre mit den Drucktechniken, hier dem Siebdruck an, nachdem er schon als Maler reüssierte. Seinem Diktum, er sei in seinem malerischen Werk niemals so weit gekommen wie bei seinem Linolschnitt „Kim mit Baseballmütze“, schließen wir uns nicht an.

Auf dem 99,4 x 126 Zentimeter großen Blatt, das tiefrot eingefärbt ist, aber kein dunkles Rot, auch kein helles, sondern ein rotes Rot hat, sehen wir eine junge Frau, deren Silhouette uns in weißen Linien entgegenkommt, im fünfachtel Porträt also auch das zweite Auge gerade noch angeschnitten, den Blick nach vorne gerichtet, mit durchaus gehökerter Nase und einem breiten Mund. Sportlich sieht sie aus, aber mehr auch nicht. Kein Bild, das uns zum Träumen bringt oder noch sehr viel mehr Assoziationen erzeugt – bis auf eine. Wir denken, wir kennen sie. Und so geht es einem mit den Porträtierten von Alex Katz immer und ewig. Man kennt sie. Und das Flächige an ihnen.

Aber natürlich kennt man sie nicht. Das, was man kennt, ist ihre Ästhetik, besser ihre Ästhetisierung, die Art und Weise wie gemäß der Pop Art, des Minimalismus, unserer heutigen Werbefotografie und dem schablonenartigen Rastern Gesichter einfach nach öffentlichen Gesichtern aussehen. Und vor allem all die Damen, die mit roten Kappen und Hüten vorwiegend in herb abgeschnittenen Kopfenden oder Kinnpartien aus dem Anfang der neunziger Jahre, einen besonders sportlichen Eindruck machen, die sind wie die Mädels aus den Werbeprospekten. Eindeutig, dass der Einfluss für Katz nicht daher kommt, sondern umgekehrt, die Ästhetik seiner Bildfindungen nicht nur vor Jahrzehnten Pop Art und die Kunst der Zeit beeinflusste, sondern bis heute die Modeindustrie.

Die Wiener Ausstellung zeigt nun, dass Katz auch ganz anders kann. Das bezieht sich nicht nur auf die rasanten Gesichter aus bemaltem Aluminium auf Metallstangen in unserer Gesichtshöhe zum Begrüßen, sondern auf die zahlreichen Landschaftsbilder, vorwiegend in Schwarz-Weiß und in Linolschnitt. Aber auch die zarten Radierungen und Aquatinta Blätter zeigen, daß es hinter den gedeckten Farben und den weißen Spuren ein Mehr gibt. Sie sehen also nach Meer aus und nach Mehr, nämlich, dem was hinter dem Bild wohl sein mag. Von diesen Bildern geht auch eine meditative, ja spirituelle Wirkung aus. Es ist ein weiter Weg, den Alex Katz von seinen Anfängen bis heute gegangen ist. In dieser Ausstellung kann man diesen Weg, was seine Druckgraphik angeht, sehr gut mitgehen.

Bis 12. September 2010

Katalog: Alex Katz Prints, hrsg. von Klaus Albrecht Schröder und Marietta Mautner Markhof, Hatje Cantz Verlag 2010. Werner Spieß lesen wir immer gerne, weil er uns immer wieder etwas zu sagen hat, auch wenn seine Bandbreite in der Kunstgeschichte weit ist. Nicht „auch wenn“, sondern viel eher „weil“, denn es gelingt Spieß auch im Einleitungsbeitrag des Kataloges „Hauchdünne Schnitte durchs Fleisch der Welt“ unsere Erfahrungen mit dem Werk Katz in die Worte zu fassen, die uns auf der Zunge lagen. Er geht eben auch auf die Drucker ein, von denen er einen zitiert: „Eine der größten Schwierigkeiten beim Drucken von Alex` Arbeit liegt im Format seiner Bilder. Bis zu den neueren Projekten waren Alex` Drucke großformatig und setzt4en sich aus zahlreichen Platten zusammen. Die Bearbeitung braucht lange Zeit, und bei den subtileren Porträts und großen Aquatinten gibt es für Fehler wenig Spielraum.“ (Seite 19)

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005

Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Ganz neu und in Wien immer sehr gut zu gebrauchen ist von M.P.A.Sheaffer „Jugendstil. Auf den Spuren Otto Wagners in Wien“ aus dem Pichler Verlag. In neun Touren mit der Trambahn, der U- und S-Bahn sowie den Bussen entlang den Werken Wagners in Wien erfahren wir, weshalb der Architekt und Städteplaner Otto Wagner unter so viel guten Architekten und Künstlern des Jugendstils die Übervaterrolle eingenommen hat. Wichtig dabei war und ist seine Affinität zur Technik, denn allzuoft haben Künstler das Technische abgelehnt, statt den zivilisatorischen Nutzen in eine anschaubare Ästhetik zu zwingen. Nein, unsere heutige Plastikunkultur wäre einem Otto Wagner nie eingefallen. Es verband die technische Funktionalität mit der Eleganz der Linie und nicht nur seine Stadtbahnstationen sind dafür ein noch heute sichtbarer Ausdruck. So werden die Wagner-Villa in Hütteldorf, dem XIV. Bezirk besucht und natürlich die Kirche am Steinhof, die weithin sichtbar geblieben ist und der auch Thomas Bernhard literarische Referenz erwies, einfach, weil sie die Kirche der psychiatrischen Anstalten war. Derzeit gilt dem „Chef-Bauzeichner“ Wagners, Joseph Maria Olbrich, eine sensationelle Ausstellung im Leopoldmuseum, in der auch dessen Arbeiten für Wagner eine tiefere Bedeutung erhalten und spezielle Applikationsmotive wie die Sonnenblume – ein Merkzeichen Wagners – nun auf Olbrich zurückgeführt werden. Das tut weder der Bedeutung Wagners, noch diesem Jugendstilführer irgendeinen Abbruch, zeigt aber, wie noch immer alles im Fluß ist. Das Buch ist zweisprachig, linke Seite auf Englisch, rechts das Deutsche und die Fotos bringen das alles ins Eins. Uns gefielen vor allem die praktischen Beschreibungen, wie man wohin kommt, gut.

Tipp: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit sehr freundlicher Unterstützung von Air Berlin und den Hilton Hotels Wien.

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