Neuburg, Deutschland (Weltexpress). Elma Esrig, Dozentin für Darstellende Kunst, studierte an der Hochschule für Philosophie in München mit dem Abschluss Magister in Anthropologie und Ästhetik. Von 1993 an unterrichtete sie Schauspiel und Regie an der Athanor Fachakademie für darstellende Kunst. Über verschiedene Kurse nach Pat Parelli und bei Judith Mauß durchlief sie die Ausbildung zur „Via Equi Pferdetrainerin“ bei Brigitta Wackerl und landete schließlich bei Simone Carlson, bei der sie mehrere Kurse besuchte und schließlich eine dreijährige Trainerausbildung absolvierte (2015-2017).
Seit einiger Zeit bietet sie spezielle Sensibilisierungskurse an für darstellende Künstler, Schauspieler, Regisseure, Tänzer und Choreografen, die entweder schon im Beruf oder noch in der Ausbildung sind.
Das Interview
Paschel: Liebe Elma, wie kam es dazu, dass sie jetzt spezielle Kurse für darstellende Künstler anbieten?
Esrig: Seit 1996 unterrichte ich Schauspiel und seit 2000 auch Regie an einer staatlich anerkannten Schule für Darstellende Kunst (Athanor Akademie). Schon bald stellte ich mir in meinem Unterricht mit Schauspiel- und Regieschülern die Frage, wie sich die Absicht der Figur innerlich im Darsteller manifestiert. Wie kommt man vom intellektuellen WISSEN oder VERSTEHEN zum HABEN der Absicht, letztlich zum SEIN-ALS-OB? Der Übergang schien mir zunächst mysteriös, allein eine Frage der Begabung und damit in hohem Grad der gezielten Einwirkung des Darstellers selbst, aber auch der des Regisseurs oder des Dozenten entzogen. Damit in einem zunächst nur vermuteten Zusammenhang stand eine weitere Frage: Wie kommt es zu jener eigentümlichen PRÄSENZ auf der Bühne? Ist diese nur eine Sache der Natur oder der gegebenen Befähigung des Schauspielers?
Paschel: Besser könnte ich selbst die Fragen an sie nicht stellen.
Esrig: Natürlich gibt es im Bereich der darstellenden Kunst eine Reihe von Übungen, mal improvisatorischer, mal rein körperlicher oder psychologischer Art, welche den Weg vom Intellekt zur Empfindung, zur Emotion, oder richtiger: zum Erleben des Darstellers anreizen. Ganz zu schweigen von verschiedenen Techniken, welche auf das innere Erleben verzichten und sich auf den gekonnten Ausdruck der Absicht konzentrieren. Parallel zu meiner Arbeit als Dozentin für Schauspiel und Regie arbeitete ich seit 2008 in der Ausbildung von Pferden und ihren Besitzern. Eine Ausbildung, die mehr und mehr die natürliche Kommunikation gegenüber einem konditionierten Funktionieren in den Fokus nahm. Und hier, in dieser parallelen Arbeit, entstand schließlich eine überraschende Brücke zwischen der rein körpersprachlichen Verständigung mit den Pferden und meinen brennenden Fragen in der Ausbildung von Schauspielern.
Paschel: Das kann ich mir gut vorstellen, die Pferde beobachten ja bekanntlich sehr genau und sind Meister der Körpersprache.
Esrig: Ja, Pferde besitzen keine (oder kaum eine) Sprache der Lautäußerungen. Als Flucht- und Beutetiere ist ihre Natur darauf ausgerichtet, sich ohne verräterische Laute, die Feinde anlocken können, in Sekundenschnelle zu verständigen. Als Herdentiere muss diese Verständigung blitzartig (unmittelbar) und unmissverständlich auf eine gewisse Distanz hin geschehen. Das macht diese Spezies zu Meistern der Kommunikation mittels Energie (energetische Haltungen des Körpers), Position (zu einem anderen Körper und im Raum) und Timing (millisekundengenaues Verändern von Energie und Position). Daher sind Pferde für uns Menschen hervorragende Lehrmeister in eben diesen mentalen und körperlichen Vorgängen: Wir entdecken die Steuerung der Energie des Körpers (jenseits der vereinfachten Vorstellung Energie= Bewegung, Entspannung = Ruhe) in allen Nuancen der Stärke, aber auch in ihren unterschiedlichen Qualitäten. Wir experimentieren mit unterschiedlichen Positionen, die wir im Raum und zum Pferdekörper hin einnehmen und lernen die Auswirkung auch minimalster Positionsänderungen kennen, da die Reaktion des Pferdes sie in ihrem Unterschied vergrößert und damit verdeutlicht. Wir beginnen unsere Energie punktgenau zu verändern, und zwar in Abhängigkeit von der Reaktion des Partners Pferd. So entsteht ein Dialog, in dem der Darsteller seine Energie und seine Position permanent der Aktion des Gegenübers (Pferd) anpassen muss.
Paschel: Ich kann mir vorstellen, dass der Schauspieler auf der Bühne diese Fähigkeiten nutzen kann.
Esrig: Ja, davon bin ich überzeugt! Das Ergebnis eines solchen Trainings ist nicht nur die Fähigkeit, Absichten für sich und andere spürbar einzunehmen, sondern auch eine beeindruckende Steigerung der persönlichen Präsenz – im „Arbeitsraum“ der Übungen (vergleichbar der Bühne). Auf diesen Erkenntnissen beruht mein pferdegestütztes Coaching, das ich für alle Sparten der im weitesten Sinne Darstellende Kunst (Schauspiel, Regie, Sprecher, Tanz, Performance, Choreografie etc.) anbiete. Ob noch in der Ausbildung befindlich, oder bereits im Berufsleben stehend – mittels dem unverstellten Feedback der Pferde eröffnet sich dem Trainierenden ein neuer Bereich, das ERLEBEN einer Situation und einer Absicht bewußt herzustellen und seine persönliche Präsenz in einer Interaktion zu schärfen.
Paschel: Es ist also nicht nur eine Sache der Natur oder der gegebenen Befähigung des Schauspielers?
Esrig: Mit Hilfe der Pferde wird quasi intuitives Wissen, das in uns allen zu schlummern scheint, geweckt und vor allem trainiert. Dieses Wissen brauchen wir im Alltag kaum und damit verkümmert es. Für Darsteller ist es aber essentiell an die Quelle ihres körpersprachlichen Ausdrucks zu kommen. Die Pferde sind uns dabei ein ehrlicher Spiegel und Katalysator unserer Entwicklung.
Paschel: Das ist ein gutes Schlusswort, danke liebe Elma.
Anmerkung:
Weiterführende Informationen auf der Heimatseite https://www.kentaur-pferdetraining.de im Weltnetz.