Seit Donnerstag könnten auch die Schweden von der Entdeckung eines neuen Biathlon-Stars träumen. Mit dem 22-jährigen Fredrik Lindström schlug ein Newcomer auf der höchstgelegenen Weltcuppiste – rund 1600 m über Meeresspiegel – all den Arrivierten der Szene ein Schnippchen. Im 10-km-Sprint blieb er bei zwei Schießprüfungen fehlerfrei und hatte am Ende genügend Kraft für die alles entscheidende Schlussrunde. Beim traditionellen Tagestipp der internationalen Journalistengilde für die ersten Drei hatte ihn nur ein Kollege auf einem Podiumsrang, aber keiner für den Sieg. Noch deutlicher in die Rubrik der Außenseiter darf man den Sprintzweiten Jewgeni Garanischew einordnen. Dem 23-jährigen Russen hatte keiner bei seinem ingesamt zweiten Antholz-Auftritt auf der Rechnung. Das vor der Saison fertigstellte Media-Handbuch des Weltverbandes IBU präsentierte ihn weitgehend als "unbeschriebenes Blatt". Bis auf Foto, Geburtsdatum und die Ränge 72 und 13 im vorjährigen Gesamt-Weltcup bzw. beim Weltcup-Sprint in Antholz gab es keinerlei Informationen über den jungen Mann.
Geschlagen blieb der aktuelle Weltcup-Primus Martin Fourcade, geschlagen geben mussten sich die Deutschen Andreas Birnbacher, Zweifach-Saisongewinner, und Sprint-Weltmeister Arnd Peiffer. Weit abgeschlagen die sieggewohnten Norweger mit Emil-Hegle Svendsen (23.) und dem Turiner Dreifach-Goldjunge Michael Greis (32.). Und einem Debakel gleich empfanden die Bjoerndalen-Fans dessen 56. Position beim Zieleinlauf.
Garanischew und Lindström hatten zuvor noch nie auf einem Podiumsplatz landen können. Kein Wunder, dass der Sportstudent aus Östersund seinen Coup als den "größten Erfolg seiner Karriere und schönsten Tag" in seinem Sportlerleben empfand. Haben die Schweden, deren bisherige Erfolgsgaranten Björn Ferry (Olympiasieger 2010) und Carl Johan Bergmann (Mix-Staffel Weltmeister 2007) unter ferner liefen einkamen, einen neuen Biathlon-Star entdeckt?
"Hoffentlich", meinte Cheftrainer Staffan Eklund. Er habe schon länger gesagt, dass "Fredrik unsere nächste große Hoffnung für die Zukunft" sei. Ähnlich wie die etwas ältere Helena Ekholm-Jonsson, mittlerweile Weltmeisterin, habe sich Lindströms Talent in allen Altersklassen deutlich abgezeichnet. "Aber es ist immer auch ein Fragezeichen, ob ein Talent ganz oben bei den Erwachsenen ankommt."
Lindström probierte sich in jüngerem Alter erfolgreich bei den Langläufern iwe bei den Biathleten. "Aber da im Langlauf auch der Klassik-Stil verlangt wird und ich besser im Skating war und das Schießen zusätzlich reizte, bin ich beim Biathlon geblieben. Weil der inzwischen fast ebenso populär in den Medien ist wie der traditionelle Langlauf."
Headcoach Eklund, der Mann mit dem Bleistift unter der Pudelmütze, wies darauf hin, Lindström habe die letzte Saison mit zwei elften WM-Rängen und Platz fünf beim Winterfinale in Oslo abgeschlossen. Er sei über Weihnachten erkältet gewesen und danach ein wenig "mühsam in die Gänge gekommen". In Antholz habe er, so der Cheftrainer, ihm "höchstens einen Podiumsrang" zugetraut. "Doch nach zwei Schießprüfungen ohne Strafrunde und optimalem Ski seien Lindström auf der Schlussrunde "Flügel gewachsen. Die Zwischenzeiten, die er unterwegs bekam, haben sicherlich nochmals motiviert." Und dass sein Schützling in diesem Abschnitt schneller unterwegs war als die Laufriesen Martin Fourcade oder Arnd Peiffer, das sei "natürlich der Schlüssel zum Erfolg gewesen. Es ist gewissermaßen schwedische Taktik, die ersten beiden Runden zügig und kontrolliert zu absolvieren, um dann in der Schlussrunde Vollgas zu geben."
Es sei ein Supertag, so Eklund, für den "schwedischen Biathlonsport".