Schön und nützlich! – Serie: „Halt und Zierde. Das Bild und sein Rahmen“ im Liechtenstein Museum in Wien (Teil 1/3)

Francesco Salviati (1510–1563)

Die Ausstellung im Liechtensteinmuseum bietet von allem etwas. Sie gehört zu den Ausstellungen, die ihre Antworten auf die Fragen der Besucher geben. Will ich mich an opulenten Rahmen, die oft mit schönen Bildern geschmückt sind, sattsehen, so bieten die drei dichtgehängten Räume dem Betrachter sinnliches Vergnügen. Will ich herausfinden, welcher Rahmen zu welchem Bild gut paßt, werde ich auch fündig. Aber das Besondere an dieser Ausstellung ist doch, daß sie den Rahmen für die Rahmen bildet, die sich seit dem späten Mittelalter entwickelten, als die Tafelmalerei in Europa zu blühen anfing. Das Liechtensteinmuseum beläßt es dabei bei seiner sonstigen zeitlichen Einordnung seines exquisiten Bilderbestandes und zeigt die Rahmen vom späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Dies aber in Fülle und Breite. Die Moderne nämlich hatte ganz anders zum Rahmen zu sagen und ihre Maler auch, die den Rahmen entweder ganz wegließen oder die den Rahmen immer wieder durch Bemalung zum Bildbestandteil machten, was aber trotzdem keine moderne Erfindung ist.

Fangen wir also noch einmal von vorne an, uns über die dekorative Seite der Rahmung von Bildern Gedanken zu machen. Museumsdirektor Johann Kräftner hat dazu viel zu sagen. Er fängt mit den römischen Wandmalereien an. Denkt man an Pompeji und seine vier Stile, weiß man sofort, daß auch damals dem Rahmen eine je unterschiedliche Funktion zukam, die aber eins einte, daß der auf der Wand gemalte Rahmen illusionär ein Bild vom anderen abgrenzen sollte. Um der Vielfalt Herr zu werden, suggerieren die Rahmen eine Abgrenzung, die die Wand als Bildträger erst einmal nicht herstellt. Genau das Gleiche passiert bei den bemalten Kassettendecken, wo die echte Holzrahmunge oder die illusionäre aus Malerei schön ordentlich und unterteilt eine Bilderflut strukturieren.

Diese Funktion der Abgrenzung vom nächsten Bild, hat der Bilderrahmen erst einmal nicht. Aber er bietet dem Bild die Grenze. Wie der Titel der Ausstellung sagt, vereint der Rahmen beides, ist Zierde und Halt. Das dekorative Element ist das eine und die Sicherheit, auch bemalte Leinwände – nichts anderes sind die Gemälde nach dem sukzessiven Aufgeben der Holztafeln – an Wände hängen zu können, das andere und damit haben wir mit diesen zwei Funktionen den gemeinsamen Rahmen für die Ausstellung über Rahmen gefunden. Denn längst hat die Sprache die gegenständliche Ebene des Rahmens an der Wand verlassen und kann selbst im Kopf von Leuten diese Funktion von Rahmen als etwas, das eint und etwas, das trennt, weiterspinnen.

Und bevor wir weiter in den Räumen wandeln und uns die über hundert ausgestellten Rahmen betrachten, folgen wir Direktor Kräftner bei seinen historischen Ausführungen. Denn eine Sonderform stellen historisch die gotischen Altäre da. Ein einziges großes Altarbild, wie es später üblich wurde, kann man nicht so gut auseinanderschneiden und die Teilstücke in viele kleine Bilderrahmen hängen, obwohl auch solche Grausamkeiten begangen wurden. Aber die gotischen Flügelaltäre mit ihren Abteilungen und Vorder- und Rückseiten und feinen Begrenzungen des Einzelbildes boten sich den Bilderfledderen geradezu an und so kann man heute in den USA die eine Tafel, in Berlin die andere, in London die nächste und auch in Wien fündig werden an Teilstücken, die heute schön gerahmt als Einzelbild wirken, aber ursprünglich in einem inhaltlichen und räumlichen Zusammenhang standen.

Einen solchen Zusammenhang haben dagegen die Bildergalerien erst hergestellt, in dem sie brutal vorhandene Bilder in gleichgroße Rahmen steckten, sie also beschnitten oder absägten, damit an der Wand ein Bild am anderen hängen konnte. Das sah dann wie eine Bildertapete aus und galt im Gleichmaß als Schönheitsideal im Barock, ob man nun Sträucher oder Bilder beschnitt. In diesem Zusammenhang ist David Teniers d.J. interessant, dem kürzlich in London eine eigene Ausstellung galt. Er hat „Ansicht der Galerie des Erzherzogs Leopold in Brüssel“ gemalt, das heute im Kunsthistorischen Museum hängt. In London waren seine gleichgroßen Kopien der berühmten Künstler zu sehen, die er vor Ort abgemalt hatte, um sie für sein Bild als Vorlagen verfügbar zu haben, natürlich rahmenlos. Auf seiner Brüsseler Darstellung sieht man beispielhaft, wie diese hochkarätige Gemäldegalerie bestückt ist und in welcher Form die Anordnung verläuft. Man sieht auch, daß besondere Solitäre, Raffael und Tizian, aufgestellt am Boden stehen. In diesen Prunkräumen, durch Skulpturen und Raritäten der Kunstkammern bereichert, hat das Einzelbild seine Funktion und auch Kraft verloren. Was gilt, ist der Gesamteindruck. Die Bildergalerie selbst ist zum Gesamtkunstwerk geworden.

Aus diesem Vereinheitlichungszwang haben sich die Bilder dann wieder befreit. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen zwei Modelle auf. Fürstliche Sammlungen nahmen ein und dasselbe Rahmenmodell, um innerhalb der auseinandergehängten Gemälde dann doch so etwas wie eine Einheit herzustellen oder es wurde jedem Bild der ’passende’ Rahmen zugestanden, wobei der Begriff ’passend’ sich sowohl auf die historische wie auch die ästhetische Dimension erstreckte. Weiterhin aber hingen die gerahmten Bilder nicht nur nebeneinander, sondern auch übereinander. Auch die im 19. Jahrhundert entstehenden bürgerlichen Museen, aus adligem Besitz oder aus Bürgerstiftungen hervorgegangen, hatten noch dieses Schönheitsideal der vollgehängten Wand. Unser ästhetisches Empfinden hat dem Einzelbild eine andere Individualität zugestanden und damit gleich zweierlei bewirkt, den Abstand von einem Bild zum anderen und die freie Höhe und Tiefe an der Wand und die zusätzliche ästhetische Fragestellung, welcher Rahmen paßt zu welchem Bild. Denn seit der Kunstbegriff gepaart ist mit Originalität und künstlerischem Schöpfertum ist die Frage, was die Henne und das Ei sei, entschieden. Erst kommt das Bild und dann der Rahmen. Und unter diesem Aspekt schauen wir jetzt weiter die Ausstellung im Liechtensteinpalais an.

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Ausstellung: bis 12. Januar 2010.

Überblicksführungen jeden Freitag 15 Uhr und Sonntag 11 Uhr.

Themenführungen am 29. Mai, 26. Juni und 18. September jeweils 15 Uhr

Sowie weitere Führungen und Spezialführungen sowie Führungen und ein Atelier für Kinder am 28. November 2009.

Vorträge zur Ausstellung am 29. Juni, 9. November und 7. Dezember 2009.

Im Detail

www.liechtensteinmuseum.at

kunstvermittlung@liechtensteinmuseums.at

Katalog: Halt und Zierde. Das Bild und Sein Rahmen, hrsg. von Johann Kräftner, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2009

Der Katalog gibt nicht nur die schönsten Rahmen in Vergrößerung wieder und mit ihnen auch viele der ausgestellten Bilder, sondern führt auch in das Thema ein und setzt die Schwerpunkte für den Besuch der Ausstellung. Das für unsereinen Sensationelle aber verbirgt sich im hinteren Teil, dem Anhang, den Robert Wald verfaßt hat, der für die Restaurierung und Rahmung Zuständige. Zum Beispiel die Oberflächenbehandlungen. Da kann man endlich einmal lernen, mit welchen Worten man dem Geschauten Ausdruck gibt. Diese perfekte Art, auf Punzierungen weich anmutende Erhebungen hinzubekommen, beispielsweise, heißt Aggetti und ist nichts anderes als dickflüssiger Kreidegrund, was die anschließende Vergoldung immer verbirgt. Was Gravuren sind, Intarsien, wie das mit dem Marmorieren ist, alles das wird erklärt. Noch spezifischer dann die Rahmenterminologie in Wort und Bild, die man sich kopieren sollte und in Zukunft bei jedem Museumsbesuch dabei haben sollte. Was sich Steg nennt, was Torus, wie die Holkehle vom unterkehlten Karnies sich absetzt, ach das ganze Geflecht dieser hohen Handwerkskunst findet hier auf zwei Seiten Worte, die wir schon lange vermissen und nach denen wir ständig suchen.

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