Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Kapriolen, die die momentane westliche Ideologie schlägt, werden immer wilder. Ein Artikel in der amerikanischen Frauenzeitschrift „Cosmopolitan“ belegt das. Irgendwie ist alles, was dabei herauskommt, zum Mindesten seltsam, wenn nicht erschreckend.
Frauenzeitschriften habe ich nie gelesen; irgendwie konnte ich nicht verstehen, was an einer Anhäufung von Schminktips, Rezepten und Fotografien von viel zu teuren Kleidungsstücken interessant sein sollte. Weshalb ich auch nur ungefähr weiß, wie diese Blätter heißen, und dass sie tatsächlich von vielen Frauen gelesen werden.
Cosmopolitan ist eine große Frauenzeitschrift in den USA (es gibt auch einen deutschen Ableger), eher in der oberen Liga, also auch etwas politisch, eher für die Berufstätigen als für die Hausfrauen. Weniger Familie, mehr Lifestyle und Karriere. So weit, so gut, und so uninteressant.
Im November tauchte nun auf der Webseite der US-amerikanischen Cosmopolitan ein Artikel auf, der über eine, ja, tatsächlich, „satanistische Abtreibungsklinik“ berichtet. Ein ziemlich schräges Thema, aber auf den ersten Blick liefert der Text rationale Argumente für die Einrichtung in New Mexiko. Die gesetzlichen Regelungen für Abtreibungen unterscheiden sich sehr zwischen den einzelnen US-Bundesstaaten, und die in New Mexiko sind sehr restriktiv. Dadurch, dass die Klinik von einer satanistischen Sekte betrieben wird, kann die Abtreibung als religiöses Ritual eingestuft werden und fällt damit unter die Religionsfreiheit, was es ermöglicht, die Gesetze zu umgehen.
Nun gehören noch einige Details dazu: Das ist nicht wirklich eine Klinik, sondern eher eine Telefonhotline, die Tag und Nacht besetzt ist und nach einer telefonischen Beratung Abtreibungspillen verschickt. Bis zur 11. Schwangerschaftswoche; wobei natürlich bei einer telefonischen Beratung die Frage durchaus real ist, wie das sichergestellt werden soll. Und dann ist da dieser doch irgendwie komische Geschmack bei „Der satanische Tempel“. Denn auch die Selbstbeschreibung dieser Gruppe ist irgendwie schräg. Die 1,5 Millionen Anhänger sähen Satan eher als literarischen Charakter, „ein ehrwürdiges Symbol der Rebellion, rationalen Nachfragens, persönlicher Souveränität und des Widerstands gegen Tyrannei.“ Die meisten derartigen Sekten beziehen sich irgendwie auf heidnische europäische Traditionen, aber auch heidnische Religionen feierten und verehrten vor allem das Leben. Irgendetwas fehlt.
Das ist ein Gefühl, das man derzeit vielfach haben kann; eine Abtreibungsklinik von Satanisten ist da nur das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Menschliches Leben hat in den letzten Jahrzehnten gewaltig an Achtung verloren. Und das, was sich erst langsam in einer zunehmenden Kinderfeindlichkeit und einem Verlust an Zukunftsvorstellungen abzeichnete, hat inzwischen ganz andere Ausmaße angenommen.
Der Teufel (ein banaler Witz an dieser Stelle, gebe ich zu) steckt im Detail. Es ist eine Sache, sich für das Recht von Frauen, keine Kinder zu haben, einzusetzen. Aber eine ganz andere, das zum Normalzustand zu erklären und gewissermaßen jene, die Kinder haben wollen, als irgendwie nicht ganz up to date darzustellen. Wir reden von äußerlich ähnlichen Positionen, zwischen denen dennoch ein tiefer Graben verläuft.
Wenn man sich die beeinflussbarste Gruppe der Gesellschaft ansieht, die künftigen Akademiker, dann gilt inzwischen eine heterosexuelle Beziehung beinahe als rückständig, von Kindern ganz zu schweigen. Man muss nur die Aussagen lesen, die sich über den schlimmen, schlimmen CO2-Fußabdruck erregen, den man mit Kindern hinterlässt. Und die Corona-Maßnahmen waren ein klarer Beleg dafür, dass Kinder nicht länger als besonders schützenswerter Teil der Gesellschaft gelten.
Es fühlt sich fast so an, als könne eine Frau nur entweder das Recht haben, Kinder zu bekommen, oder aber, keine zu bekommen. Dahinter gibt es all jene kleinen Feindseligkeiten, die ökonomisch begründet sind – angefangen bei der Abschaffung der freien Hebammen über den Umweg der Versicherungsprämien über die Abschaffung dutzender Geburtsstationen, weil sie sich nicht rechnen, bis hin zu Kinderkliniken, die aus dem gleichen Grund geschlossen werden. Tatsächlich wird an vielen Stellen die gesamte Versorgung immer weiter auf ein menschliches Normmodell zugeschnitten, vorzugsweise alleinstehend.
In vielen Fällen bleibt der Zynismus, der sich im Schatten der vielgelobten Freiheiten entwickelt, vor der Mehrheit der Gesellschaft verborgen. Weder Cosmopolitan noch die klinikbetreibende Sekte betrachten eine ungewollte Schwangerschaft als eine soziale Frage, auch wenn das meist der Kern des Problems ist. Im Gegenteil, die sozialen Fragestellungen verschwinden hinter Lifestyle und einer rein individuellen Freiheit; wobei eigentlich inzwischen die Erfahrung lehrt, dass ein derart begründeter vermeintlicher Zugewinn an Freiheit häufig die Entscheidungsmöglichkeit in die andere Richtung verschwinden lässt. Denn, so werden diese Leute dann argumentieren, warum sollte die Gesellschaft für das Ergebnis einer Schwangerschaft aufkommen, die schließlich hätte beendet werden können?
Es ist inzwischen schon die Norm, dass Kinder bestenfalls als die Fortsetzung der Individuen gesehen werden, die sie ins Leben brachten, und nicht mehr als die Zukunft der Gesellschaft. Wenn man genau in den Diskurs über Bildung und Erziehung hineinlauscht, kann man diese Töne auch dort finden, bis in die Begriffe hinein, die genutzt werden, wie beispielsweise „bildungsferne Eltern“. Als wäre es deren freie Entscheidung gewesen. Als wäre nicht Bildung immer, notwendigerweise, ein Ergebnis eines gesellschaftlichen Prozesses und nicht das Produkt einer kleinen privaten Produktionsgemeinschaft namens Familie.
Wie würde die heutige westliche Gesellschaft reagieren, wenn es möglich wäre, Gehirne zu transplantieren? Man kann eine ganze Menge alter Literatur finden, die sich schon mit derartigen Fragen befasst hat und ziemlich genau prognostizierte, wohin derartige Entwicklungen führen. Dabei gehören grenzenloser Individualismus und Verleugnung der eigenen Sterblichkeit untrennbar zusammen; schließlich hängen an der Wahrnehmung, dass das eigene Leben endlich ist, all diese anderen Dinge wie: Was bleibt danach?, und: Wie würde ich erinnert werden wollen, wenn das alles ist, was bleibt, und welche Konsequenzen hat das auf meine eigenen Lebensentscheidungen?
Es ist im Grunde gleich, welche Kultur man betrachtet, die Lösung für die Sterblichkeit ist immer die gesellschaftlich Erinnerung, über die Kinder oder über andere Weisen, in denen man zu einer Gesellschaft beitragen kann. Was die kultische Individualität als Befreiung erscheinen lässt, weil all die Beschränkungen, die aus dieser Orientierung auf die Erinnerung folgen, fortfallen; aber letztlich ist es, da sich ja am Faktum der Sterblichkeit nichts ändert, eine Befreiung ins Nichts (und zwar nicht im buddhistischen Sinne).
Zurück zu unserer satanistischen Sekte und dem Bericht der Cosmopolitan. Dort heißt es:
„Bei einer Demonstration im Jahr 2016 unterbrachen Mitglieder des Tempels, mit Erwachsenenwindeln und Babymasken bekleidet, einen christlichen Anti-Abtreibungsprotest mit einem BDSM-Auftritt, bei dem sie einander mit Peitschen schlugen, was nach Aussage eines Mitglieds von TST ein Kommentar zur ‚Fetischisierung des fötalen Bildes‘ durch die christliche Rechte gewesen sei.“
Für diese Truppe ist das Humor, und mir fallen spontan ein paar Deutsche ein, die derzeit als Comedians durchgehen, die das ebenfalls komisch fänden. Dabei richtet sich ein derartiger „Protest“ eben nicht gegen die Einschränkung weiblicher Entscheidungsfreiheit, sondern macht sich darüber lustig, Schwangerschaft überhaupt mit Leben zu verknüpfen.
Vielleicht lässt sich der Kern des Problems am Leichtesten fassen, wenn man es in die Skala von Verben übersetzt: müssen, sollen, können, dürfen, nicht dürfen. Damit ist die gesamte Spanne abgedeckt, vom einen Extrem zum anderen. Wenn man die Geschichte der Abtreibungsdebatte betrachtet, begann sie damit, dass Frauen Kinder kriegen müssen, gleich, ob sie wollen oder sie aufziehen können. Die Pille tauchte erst auf dem deutschen Markt auf, als ich bereits geboren war. Inzwischen nähert sich die deutsche Gesellschaft, ebenso wie Teile der US-amerikanischen, längst dem anderen Extrem, dem nicht dürfen.
Moralische Entscheidungsfreiheit existiert aber nur im Zwischenbereich, zwischen sollen und dürfen, und die woke Szenerie behandelt alle derartigen Fragen nicht weniger als endgültig entschieden, wie dies einst die alleinseligmachende Kirche tat. Das, was eigentlich sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft das Entscheidende wäre, jenes zerbrechliche, mühsam zu erringende Gleichgewicht zwischen dem eigenen Wollen in der Gegenwart und dem Streben nach der kollektiven Erinnerung, geht in beiden Fällen gleichermaßen verloren.
Eines aber zeichnet den extremen Individualismus aus, was ihn bezogen auf die Gesellschaft so destruktiv macht – nachdem der Bezug zur Gesellschaft gekappt ist und nur noch das eigene Leben von Bedeutung ist, ist der Weg frei für eine extreme Feindseligkeit gegenüber anderen. Das ist es, was diese Geschichte von der satanistischen Abtreibungsklinik so symbolisch macht: Wenn die Abtreibung selbst zum religiösen Ritual erklärt wird, ist es ein Akt einer Religion, die nicht mehr das Leben feiert, sondern den Tod. Die jene ganze kostbare Grauzone, in der die menschliche Ethik beheimatet ist, ausradiert, und die destruktive Seite des menschlichen Willens zum einzigen Maßstab erhebt.
Darunter liegt auch eine tiefe Ablehnung der biologischen Gleichheit. All die hundert Geschlechter sind letztlich ein Versuch, sich über den Körper, über die materielle Wirklichkeit zu erheben, die eben auch genau das ist, was alle Menschen miteinander verbindet. Ein Kult der Ungleichheit, der sich müht, einen nicht-fleischlichen Zustand zu erreichen, und das über eine Fetischisierung ausgerechnet der animalischsten Eigenschaft, der Sexualität. Als wäre es tatsächlich diese, die am Mühsamsten zu erringen ist, und nicht die wirkliche Nähe.
Wenn eine satanistische Abtreibungsklinik durch einen derartigen Artikel in den Status einer gesellschaftlich anerkennenswerten Institution erhoben wird, ist das genauso disruptiv wie Menschen, die am helllichten Tag auf allen Vieren an Hundehalsbändern durch die Straßen laufen. Es sind Akte, die zugunsten einer flüchtigen Selbsterhebung ihre Verachtung für jede Form gesellschaftlicher Vergangenheit und Zukunft, jeder Form von Kollektivität zelebrieren. Und wenn man eine konkrete, rein wirklichkeitsbezogene Definition des Bösen finden wollte – das ist sie.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde am 10.12.2023 in „RT DE“ erstveröffentlicht.