Aber mancher ist mit dieser Vielfältigkeit überfordert und wir bekommen mit, wie dankbar Führungen in Anspruch genommen werden, denn hinter dem Holz, dem Metall, dem Stuck oder sogar Keramik, dem leeren Rahmen, verbirgt sich ein mehrschichtiges Gefüge von Handwerkskunst, Historie, Materialien und Funktionen. Dies sinnlich aufzunehmen, dazu ist dieser Raum mit seinem gewollten Durcheinander sehr gut geeignet. Daß beispielsweise eine Johannesschüssel dort an der Wand hängt, führt erst einmal zur Irritation, denn was hat die Schüssel mit dem Rahmen zu tun. Aber schnell überlegt man sich, daß die optische Wirkung, die im christlichen Gebrauch – nach Salomes Johanneskopf auf einer Silberschüssel – eben eine Keramikschüssel einnahm, genau diese Wirkung hat. Der erhöhte Schüsselrand ist der Rahmen für den vertieft liegenden Kopf.
Hier hängen aber auch schon Prunkstücke der Ausstellung und der fürstlichen Sammlungen: Francesco Salviatis „Porträt eines jungen Mannes“ von 1548. Das Gemälde ist eingefügt in einen Tabernakelrahmen, der in Florenz im 3. Viertel des 16. Jahrhunderts Usus war und den man auch als Ädikularahmen bezeichnet. Den jungen Mann, der so sehr an den Manierismus des Pontormo erinnert, müssen wir hier wie den Maler selbst links liegen lassen. Aber es lohnt sich seine Lebensbeschreibung durch seinen Freund Giorgio Vasari zu lesen, gerade herausgekommen in der wundervollen Edition der Schriften Vasaris im Wagenbach Verlag. Die natürliche Würde des Jünglings, ja dessen hehre Haltung wird durch diesen Rahmen überhöht. Die Oberseite trägt gesprengte rundbogenförmige Giebel, unten mit Konsole und an den Seiten Sphingen und Girlanden. Auf dem Rahmen selbst sind männliche Köpfe appliziert. Der Zentralaufsatz ist wie in der Architektur aus gespalteten Voluten mit integriertem schwarzem Spiegel. Ein Antependium befindet sich unten, ebenfalls mit schwarzem Spiegel und Girlanden. Die Zentralplatte ist reich punziert und durch zentriertes geschnitztes Blattmotiv betont.
Was hier mit so vielen Worten beschrieben werden muß, sieht das Auge auf einen Blick. Das ist der Vorteil des selber Schauens, daß erst einmal eine Gesamtwirkung eintritt und sich dann nach und nach die Details entschlüsseln. Die Wirkung des Ganzen ist unbeschreiblich. Wir würden uns dieses Bild mit Rahmung ganz alleine auf einer Wand vorstellen und sind sicher, die Besucher würden einen Knicks oder eine Verbeugung machen, so sehr ist die Wirkung von Rahmen und Bild auf Erhabenheit und Hoheit ausgerichtet. Was kein Wunder ist, denn die Gesamtform dieses Rahmens aus vergoldetem Holz ist den Altären nachgebildet und die sind Stätten der Andacht und Verehrung. Diese galt erst recht der „Maria“ des Vittorio Crivelli, die ihrerseits „in Verehrung des Jesuskindes“ um 1460/65 gemalt wurde und ebenfalls in einem Tabernakelrahmen steckt, von dem wir nun lernen, daß er ein integrierter genannt wird und das Bild mit dem Rahmen unauflöslich verbindet. Dieser ist venezianisch und ist als Besonderheit am oberen Rahmenrand bogenförmig, was an den Seiten als Säulen das Ganze halten. Auch hier sind die Architekturelemente offensichtlich, Fries und Predella sind mit Delfinen und Wappen verzieht.
Auf die Tondorahmen hatten wir ja schon mit der Johannesschüssel Bezug genommen. Ein zweites sehr eindrückliches Beispiel ist die „Reliefbüste eines jungen Mannes in integriertem Terracottarahmen“ um 1470/80 entstanden. Diese Terracottabüste gehört dem lichtensteinschen Fürsten und man wundert sich, daß das schöne Stück nicht nach Arezzo ausgeliehen ist, wo derzeit die Familie della Robbia in einer mehrteiligen Ausstellung, die wirklich eine Sensation ist, geradezu gefeiert wird. Onkel Luca hatte das Verfahren erfunden und da es hier um den Rahmen geht, ist der Hinweis auf die Antike und auch auf Andrea Mantegna angebracht. Letzterer hatte die antiken Girlanden mit ihrer botanischen Vielfalt wieder aufgenommen und dieser glasierte Rahmen zeigt mehrtoniges grünes Blattwerk, weiße Blüten, gelbe und grüne Früchte, braune Kiefernzapfen, die nach innen zum Bildnis mit einem Eierstab begrenzt werden. Die meisten Tondorahmen in der Ausstellung sind aus Holz und eine Augenweide.
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Ausstellung: bis 12. Januar 2010
Überblicksführungen jeden Freitag 15 Uhr und Sonntag 11 Uhr.
Themenführungen am 29. Mai, 26. Juni und 18. September jeweils 15 Uhr.
Sowie weitere Führungen und Spezialführungen sowie Führungen und ein Atelier für Kinder am 28. November 2009.
Vorträge zur Ausstellung am 29. Juni, 9. November und 7. Dezember 2009.
Im Detail
kunstvermittlung@liechtensteinmuseums.at
Katalog: Halt und Zierde. Das Bild und Sein Rahmen, hrsg. von Johann Kräftner, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2009
Katalog: Halt und Zierde. Das Bild und Sein Rahmen, hrsg. von Johann Kräftner, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2009
Der Katalog gibt nicht nur die schönsten Rahmen in Vergrößerung wieder und mit ihnen auch viele der ausgestellten Bilder, sondern führt auch in das Thema ein und setzt die Schwerpunkte für den Besuch der Ausstellung. Das für unsereinen Sensationelle aber verbirgt sich im hinteren Teil, dem Anhang, den Robert Wald verfaßt hat, der für die Restaurierung und Rahmung Zuständige. Zum Beispiel die Oberflächenbehandlungen. Da kann man endlich einmal lernen, mit welchen Worten man dem Geschauten Ausdruck gibt. Diese perfekte Art, auf Punzierungen weich anmutende Erhebungen hinzubekommen, beispielsweise, heißt Aggetti und ist nichts anderes als dickflüssiger Kreidegrund, was die anschließende Vergoldung immer verbirgt. Was Gravuren sind, Intarsien, wie das mit dem Marmorieren ist, alles das wird erklärt. Noch spezifischer dann die Rahmenterminologie in Wort und Bild, die man sich kopieren sollte und in Zukunft bei jedem Museumsbesuch dabei haben sollte. Was sich Steg nennt, was Torus, wie die Holkehle vom unterkehlten Karnies sich absetzt, ach das ganze Geflecht dieser hohen Handwerkskunst findet hier auf zwei Seiten Worte, die wir schon lange vermissen und nach denen wir ständig suchen.