Berlin, Hohen Neuendorf, Deutschland (Weltexpress). Ihr Sportgerät heißt nicht Ei, obwohl es ganz klar danach aussieht. Es heißt Ball, und trotzdem ging es zuletzt rund im Rugby in Deutschland.
Bei der Rugby-Nationalmannschaft der Männer ist derzeit viel in Bewegung; insbesondere im Vorausblick auf die Europameisterschaften im kommenden Jahr im Februar und März. Da will das Team der 15er-Variante des Spiels von Nationaltrainer Kobus Potgieter um die vorderen Plätze mitmischen. Ob das ein realistisches Ziel ist, wird sich vor allem in den Testspielen ab dem kommenden Wochenende gehen.
Denn seit diesem September ist Chris Lane an der vordersten Trainingsfront für die Deutschen tätig. Mit Unterstützung der Wild Rugby Academy hat der Deutsche Rugby Verband den einstigen australischen Profi als neuen Mann mit Aufbauqualitäten gewonnen und als Bundestrainer Technik engagiert. Lane, früherer Nationaltrainer der australischen und der niederländischen Frauen und jetzt als einer von mehreren im Bundestrainer bei den deutschen Männern verantwortlich für Sichtung und Weiterentwicklung.
Rugby-Männer dauerhaft in der Weltspitze festsetzen
Er soll die Männer in der Weltspitze etablieren und in Berlin und Brandenburg die Verbände mit ihren Vereinen in den kommenden drei Jahren professionell unterstützen. Dabei unternimmt er auch Ausflüge ins Umland wie jüngst beim einem Sichtungslehrgang für U16 in Hohen Neuendorf nördlich von Berlin. „Wir haben hier in Deutschland viel Potenzial“, verrät Lane. „Die nächsten Generationen der U16 bis U20 sind sehr stark, haben gute Chancen für ganz oben. Gerade mit der Jugend will ich dafür sorgen, dass wir den Standard auf das Niveau auf dem Weg zur Weltspitze weiter anheben – im Training wie im Spiel auch.“ Er sei, sagt er, davon überzeugt, dass auch die deutschen Männer nach dem knappen Scheitern an der Olympiaqualifikation im 7er-Rugby für Rio de Janeiro 2016 vor einer großen Zukunft stehen. „Ja, unbedingt. Sie sind in einem Jahr ganz sicher unter den Top-Teams in der Welt.“
Das mag reichlich euphorisch klingen. Fakt ist aber, dass Rugby ähnlich wie in anderen Teilen der Welt auch in Deutschland einen großen Aufschwung erlebt; nicht zuletzt nach der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees im Jahr 2009, dass diese Sportart olympisch wird. Sie hat längst auch ihren Anstrich des reinen Männersports verloren. „Bei den Frauen haben wir die höchsten Steigerungsraten in einer Sportart weltweit, was die Entwicklung global angeht“, berichtet der Australier Lane. Er muss es wissen, trainierte er doch bereits zwei Frauen-Nationalmannschaften – zuletzt bis vergangenen Juli die der Niederlande.
Auch Robby Lehmann spürt den Aufbruch eines „schlafenden Riesen“, wie er seine Sportart in Deutschland nennt und sieht. Lehmann ist Landesstützpunkttrainer für Rugby in Brandenburg, und endlich haben sie hier im Umland der Hauptstadt eine hauptamtlichen Coach seit diesen September.
Eines der aufstrebenden Brandenburger Zentren liegt in Hohen Neuendorf bei der dortigen Rugby Union nördlich von Berlin. Das zweite dieses Ball-Kampfsports in Brandenburg bildet Potsdam, wo sie auf dem Gelände der Universität trainieren. Lehmann hat ein Nachwuchsprogramm aufgelegt: „Einig sind sich alle Beteiligten, der Nachwuchs in Deutschland muss weiter und ohne Unterbrechung gefördert werden.Wir wollen die kommenden Generationen an potentiellen U16-Nationalspielern finden und weiterentwickeln.“ Der Problem der vergangene Jahre: Der große Sichtungslehrgang sei abgeschafft worden, sagt Lehmann, und sportwissenschaftliche Leistungswerte würden nicht mehr erhoben.
Nationalspieler Michael Poppmeier und Dash Barber sichten den Rugby-Nachwuchs
Das will er ändern. Zusammen mit den beiden Nationalspielern Michael Poppmeier und Dash Barber veranstaltete er vergangene Woche eine erste gemeinsame Nachwuchs-Sichtung der Wild Rugby Academy und den neun Brandenburger und weiteren Berliner Vereinen sowie den beiden Landesverbänden, „die hier viel von ihrer Energie mit einbringen“. Berlin kommt dabei eine Schlüsselrolle zu; hier wollen sie einen großen neuen Schwerpunkt neben denen in Heidelberg und Frankfurt/Main etablieren, wie Ralf Iwan, Mitglied des Vorstandes des Berliner Rugby Verbandes für Strategische Entwicklung berichtet. Er wird in den kommenden Monaten ein organisatorisches Team für die Neuausrichtung und Weiterentwicklung des Berliner Verbandes aufstellen, wie er sagt.
Den Anfang haben sie seit diesen Herbst gesetzt. Nun soll es weiter aufwärts gehen, damit Potgieter und Chris Lane neue Talente in die Männer-Rugby-Mannschaft hinein bekommen. „Bei unseren jetzigen Sichtungen im Nachwuchs haben viele der Teilnehmer schon großartige Fähigkeiten. Ich habe da einige im Blick“, betont Nationalspieler Michael Poppmeier, der in Hohen Neuendorf und anschließend in Hannover viele junge Spieler der Generationen U16 und U18 unter die Lupe nehmen konnte.
Neben dem Spiel der Männer am Sonnabend ab 15 Uhr im Leipziger Bruno-Plache-Stadion gegen Brasilien mit Anstoß um 15 Uhr folgen die Testpartien eine Woche später am 18. November gegen die USA in Wiesbaden (Brita Arena) und dann eine weitere Woche danach gegen Chile in Offenbach. „Wir sind oben dran. Wir brauchen ein Jahr, dann sind die deutschen Männer mit in der Top-Welt-Gruppe“, prophezeit Chris Lane, der Aufbauhelfer aus Down Under. Wie kaum ein Zweiter kennt er die Rugby-Welt. Er spielt, seit er laufen kann – im Alter von knapp drei Jahren.
Das erste große Ziel für Lane winkt bereits: die Rugby-Europameisterschaft 2018. Im Februar und März geht es dabei hoch her. Dann mit Spielen gegen Rumänien am 10. Februar 2018 in Cluj (Rumänien), am 17. Februar 2018 gegen Georgien (Austragungsort noch offen), am 3. März 2018 gegen Belgien (Austragungsort noch offen), am 11. März 2018 gegen einen der Favoriten mit Spanien (Austragungsort noch offen) und am 18. März 2018 gegen Russland, wo ebenfalls der Austragungsort noch offen ist.