Sie wollten sehen, wie sich die Albatrosse gegen ein Topteam des Kontinents aus der Affäre ziehen würden. Nach Umbrüchen zu Saisonbeginn im Kader, mit Neu-Trainer Sasa Obradovic, nach langfristigen Verletzungsausfällen, Nachverpflichtungen, dem Weiterkommen aus der Sechser-Vorrunde in der Euro League und zuletzt überraschenden Ausrutschern in der Bundesliga…
Und einige der Basketball-Anhänger zog natürlich der große Name des Gegners in die Halle: Madrid, spanischer Rekordmeister, Rekordsieger auf der europäischen Klubbühne sowie noch ungeschlagener Spitzenreiter der nationalen Liga. Allerdings mit letztem Titelgewinn vor sieben Jahren. Auch daher mit hochkarätig verstärktem Personal und einem Etat von ca. 28 Millionen Euro, etwa dem Dreifachen der Berliner, unverkennbar um eine Renaissance zurückliegender, glorreicher Zeiten bemüht…
Dass Real sich auf gutem Weg dahin befindet, war auch am Donnerstag gegen die heimstarken Berliner sichtbar. Nach klarer Gäste-Führung kämpfte sich Alba mit Aggressivität und Behauptungswillen zurück. Erzielte nach einem verwegenen Dreier von Heiko Schaffartzik aus der Distanz sogar eine Führung (34:33). Und kam zu Beginn des letzten Viertels noch einmal 57:60 auf Schlagdistanz heran. Weil Madrid mit der zweiten Besetzung ein wenig Struktur und Linie verlor und die ob der Alba-Härte ein wenig irritierten Real-Stars phasenweise Soloaktionen übertrieben.
Doch immer, wenn er es brauchte, punktete der Favorit aus weiter Entfernung mit traumwandlerischer Wurfsicherheit, technisch höchst eindrucksvoll. Oder seine Protagonisten spritzten in Ballpassagen der Gastgeber (Albas Ballverluste doppelt so hoch) und schlossen Konter zu "einfachen Punkten" ab. Auch im Nachsetzen war Madrid gedanklich und körperlich oft schneller!
Solche Klasseleute wie NBA-Rückkehrer Fernandez, Regisseur Llull, den nur 1,88 m großen, aber ungemein korbgefährlichen US-Boy Carroll oder den jungen NBA-Kandidaten Mirotic, angeblich eines der größten Talente Europas, bei ihrer Ball- und Spielkunst zu beobachten, war eine basketballerische Augenweide…
Real-Trainer Laso lobte vor allem seine Abwehr, die beispielsweise Albas Spielmacher Schaffartzik und Wood unter Kontrolle. Und Berlin sonstigen Topscorer Thompson (geschwächt nach Magenproblemen), der bisher Euro League-Spiele stets mit zweistelliger Ausbeute beendete, bei nur vier Zählern hielt.
Laso lobte auch die Berliner: Das Ergebnis verrate nicht, "wie hart wir hier in Berlin, wo es immer schwierig ist, für den Sieg kämpfen mussten. Für den weiteren Verlauf in der Gruppe war der Erfolg aber schon wichtig."
Berlins Mithat Demirel war nicht unbedingt enttäuscht über den Ausgang – auch wenn er mit der Mannschaft immer gewinnen möchte: "Wir sind gut zurückgekommen und waren eine Zeit lang auf Augenhöhe, hatten sogar die Chance, das Ding zu drehen", sagte der 34-Jährige. Nach seiner Erfolgskarriere mit Alba und der Nationalmannschaft (WM-Dritter, EM-Finale, mehrfacher Deutscher Meister) bereits die dritte Saison als Sportdirektor Mittler zwischen Vorstand, Trainer und Mannschaft sowie Partner der Medien. "Wenn du jedoch gegen solch ein Klasseteam die Chancen nicht nutzt und ein paar Abstimmungsfehler (u.a. mit dem neuintegrierten Spielmacher Foster, d.A.) hast und Bälle verlierst, kannst du nicht gewinnen."
Dass inklusive Bundesliga Reisen vier Spiele binnen acht Tagen zu absolvieren waren und das Resultat gegen Real der Preis für diese Strapazen gewesen sein könnten, wollte Demirel nicht als Begründung anführen. "Ja, wir hatten Ausfälle wie die von Spielmacher Avdalovic und Djedovic zu verkraften. Ja, wir hatten zwei Niederlagen gegen Würzburg und Oldenburg, weil die Mannschaft da ihr Potenzial nicht ausreizen konnte. Aber die Euro League ist eine Herausforderung und eine Chance, sich als Spieler und Mannschaft weiter zu entwickeln."
Der einstige Spielmacher, der seine Profi-Laufbahn aus Verletzungsgründen vorzeitig beendete, sieht also die Doppelbelastung aus Bundesliga und Euro League (nach Modusänderung 10 Spiele in der Vorrunde und mindestens 14 weitere Partien in der Achter-Zwischenrunde, d.A.) nicht als Überforderung.
Was müsste passieren, wenn der achtfache Meister Alba – zuletzt nach der Saison 2008 – das momentane Spieljahr als Erfolg abbuchen dürfte? -"Wenn wir in der Bundesliga auch das letzte Spiel gewinnen und in der Euro League zumindest als Vierter der Zwischenrunde in die Play-offs der besten Acht einziehen."