Ihre Freundinnen sind erfolgreiche Geschäftsfrauen. Julie Powell (Amy Adams) hingegen ist eine kleine Angestellte, die mit ihrem Ehemann Eric (Chris Messina) in einem “winzigen” Apartment lebt. Statt Frustfressen ist bei ihr Frustkochen angesagt. Weil Julie eifersüchtig auf ihre Freundinnen ist, will sie etwas Wichtiges tun. Krampfhaft versucht Norah Ephron zu kaschieren, wie unsympathisch doch eigentlich nicht unsympathisch, sondern belanglos, uninteressant und langweilig ihre Hauptfigur Julie ist. So werden Julies Freundinnen als geldgierige Karrierefrauen dargestellt. Berufstätige Frauen sind in der idealisierten Hausfrauenwelt die Negativfolie zu den Heim und Herd liebenden Mustergattinnen “Julie & Julia”. Zudem bestellen sie im Bistro Salat: eine doppelte Todsünde in einer Komödie, welche Selbstkochen mit fettigen Zutaten preist. “Ich kochte und alles war wundervoll.”, empfindet Julie, deren Idol Julia Child ist. Mit einem französischen Kochbuch und eigener Fernsehsendung wurde Child im Amerika der Fünfziger zur Patin moderner Kochsendungen. “Ich könnte mich durch Julia Childs Kochbuch kochen und darüber bloggen.”, denkt sich Julie. “Das ist dummes Zeug.” urteilt ihre Mutter: “Wer liest diesen Blog?” Die Frage kann “Julie & Julia” nicht beantworten, aber es müssen Tausende sein. Gruselige Vorstellung.
Die zweite wahre Geschichte ist die Julia Childs (Maryl Streep), deren Gatte Paul (Stanley Tucci) Diplomat im auswärtigen Dienst ist und gerade nach Paris versetzt ist. Hingerissen von der french cuisine besucht Julia eine Kochschule und schreibt ein Kochbuch. Erst erfolgreich, sie schreibt es um und landet in den Fünfziger Jahren einen Hit in den USA, die bisher ausländisches Essen ablehnten. Mit Schrulligkeit und Entschlossenheit schlüpft Meryl Streep in die Schürze Julias, und gibt eine beeindruckende Charakterstudie, doch mit gnadenloser Herzlichkeit macht “Julie & Julia“ die Parallelhandlung ungenießbar. Mit Emanzipation hat Child Selbstständigkeit wenig zu tun. Die Anregung zum Schreiben geben die Männer den Ehefrauen “Julie & Julia” und sie sind es auch, die die Mühseligen und Geschlagenen dann trösten, wenn wieder ein Unglück passiert.
“Julia Child begann zu kochen, weil sie ihren Ehemann und Essen liebte.”, so Julie. Doch auch die Herren bleiben fade Beilage, dürfen die Teller leer putzen und den überforderten Magen mit Tabletten beruhigen. Die Hauptrolle spielen nicht “Julie & Julia“, sondern Boef Bourbuignon, Sole Muniere und andere Kalorienbomben. “Niemand könnte Julia hassen.“. Als Kinozuschauer fühlt man anders. In einem sorgenvollen Moment rätselt Julie, wie ihre Leserschaft ohne ihren Blog auskommen soll. Ein Leben ohne Kochkolumnen? Undenkbar! Sie habe sich einer geisteskranken Aufgabe verschrieben, beginnt Julie ihren Blog. Wie wahr. Spannung besitzt die fade Herdhommage nicht. Der dramatische Höhepunkt von “Julie & Julia” ist die Essensabsage einer Lektorin und Tragik wird dem Umstand abgewrungen, dass Julia Child Julies Blog nicht mochte. Übelnehmen kann man ihr das nicht.
Als Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzenten schwebt Ephron als böse Küchenfee über “Julie & Julia”. Mit ihrer verkitschten Sorgloskomödie serviert Ephron eine geistlose Geschmacksverirrung. Das Nachkriegsparis der Rückblende über Childs Küchenfeewerdung könnte auf einer Nostalgiepostkarte nicht malerischer sein. In Patisserien türmen sich die Macarons und selbst der Fischmarkt scheint zu duften. Feine Speisen werden, wie es sich in einem Film für und über Kochfetischisten gehört, wie Kunstwerke inszeniert. Ein gelungener Auflauf ist das wahre Glück, predigt “Julie & Julia“. Schon in “Harry und Sally” täuschte Meg Ryan einen Orgasmus durch leckeres Essen vor. Regie führte Ephron. Mit “Harry und Sally”, “Schlaflos in Seattle” und “E-Mail für dich” bewies Ephron ein Händchen für die Mischung aus Witz, Schmalz und Romantik, welche einen Film zum Kassenerfolg macht.
Wie ein Hausmütterchen sieht Hauptdarstellerin Amy Adams in ihrer Rolle der Julie aus. Das Gegenteil der imposanten Meryl Streep als hochgewachsene Julia Child. Die Possierlichkeit passt zum Filmideal des Heimchens am Herd. “Ich hatte mein ganzes Leben Pilze falsch gekocht.” Die kleinen Dramen des Alltags: “Gestern pochierte ich ein Ei.” Nach über zwei Filmstunden hat Ephron ihr Publikum mit der Kitschkomödie “Julie & Julia” weichgekocht. “Ich hatte einen Nervenzusammenbruch über meinen Sülzen.”, so Julie. Nicht nur sie. Zur Huldigung legt Julie ein Stück Butter vor das Bild ihrer Ikone, die in diesem Film schauspielerisch mißbraucht wird. Auf die Leinwand würde man lieber faule Tomaten werfen.
Titel: Julie & Julia
Start: 3. September
Regie und Drehbuch: Norah Ephron
Darsteller: Meryl Streep, Amy Adams, Chris Messina, Stanley Tucci, Linda Edmond
Verleih: Sony Pictures
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