Meistens wird dann der Schütze eines wichtigen Tores verlangt, der Torhüter oder ein Jubilar. Am Sonntag gab’s nur einen Wunsch – den Kapitän. Stefan Ustorf sollte Stellung nehmen zur desolaten Vorstellung beim 4:6 gegen den Tabellenvorletzten Krefeld. Weil der 37-Jährige bekannt dafür ist, Klartext zu reden. Meist überzeugende Analysen zu liefern. Kritisch zur eigenen und zur Leistung des Teams zu stehen und kritischen Fragen nicht auszuweichen…
Der frühere Nationalspieler, WM- und Olympiateilnehmer und noch beim Titelgewinn in den Play-offs der Vorsaison ein Leistungsträger, bot denn auch das Erwartete. Die Leistung der Mannschaft?-"Grottenschlecht". Die eigene Performance ("Als eure Sturmreihe auf dem Eis stand, kassierten die Eisbären drei Gegentore")?- "Katastrophal".
Ustorf, äußerst populär bei den Fans und bei Aktivitäten für soziale Projekte fleißig wie kein Zweiter, konnte einem schon fast leid tun. Denn die Niederlage allein an seiner Person festzumachen, ist natürlich absurd.
Wie Cheftrainer Don Jackson nach Abpfiff feststellte, war an diesem Nachmittag "in unserem Spiel nichts gut". Wie anders ist es zu erklären, dass die Mannschaft vor 14 000 erwartungsfrohen Zuschauern bis Mitte des zweiten Drittels mit einem 0:4 startete? Da wurde in der 19. Saisonpartie ein Mangel deutlich, der sich seit Saisonbeginn abzeichnet: Die Disbalance zwischen Abwehr und Angriff. Das Engagement für diese Erfolgssäulen ist zu unterschiedlich ausgeprägt. Ustorf: "Sechs Gegentore im Heimspiel – das ist einfach zuviel. Da müssen wir den Hebel ansetzen. Wir müssen solide und mannschaftlich geschlossen verteidigen und nicht alle blind nach vorne rennen und Tore machen wollen…".
Nach der DEL-Spielpause wegen des Deutschlands-Cups für die Nationalmannschaft Anfang November wollten die Eisbären eigentlich "eine kleine Aufholjagd" starten. Das gelang zunächst mit je einem Auswärts- und Heimerfolg. Nun kam das erste Wochenende – am Freitag 2:5 in Wolfsburg – ohne Punktgewinn. Und der Titelverteidiger, zwischendurch mal auf acht, dann auf zwei – ist auf Rang sechs zurückgerutscht. Acht Punkte hinter die überraschend führenden Hamburger.
Jetzt aber haben Ustorf und Co. zwei schwere Auswärtsspiele vor der Brust. In Ingolstadt und Wolfsburg. Wie überhaupt der Dezember mit elf Begegnungen – November nur sechs – richtungsweisend für die Jackson-Truppe sein dürfte. Es gelte, so Ustorf, "den Abwärtstrend zu stoppen, nicht Dinge zu versuchen, die wir nicht können." Nicht so viele Schnörkel, nicht so viele Fehler, "einfach mal nur gradlinig nach vorne spielen, auch mal 1:0 oder 2:1 gewinnen – das muss das Ziele sein."
Ähnliches hat Jackson bei seinen Schützlingen mehrfach öffentlich angemahnt. Aber hat er überhaupt die Spielertypen dafür? – Es fällt auf, dass im Kader kleine, wuselige und technisch beschlagene Angreifer stehen: Olver, die beiden Mulocks, Laurin Braun, Christensen, auch Busch und Felski bevorzugen das spielerisch-technische Repertoire… Jackson glaubt, "dass die auch wissen, was nötig ist, um eine vernünftige Defensive zu spielen. Das haben sie alle ja schon bewiesen." Damit das aber auch wieder zum Vorschein kommt, "ist harte Arbeit nötig". Und so hat er seinen Puckkünstlern als Mahnung an das Arbeitsethos den gewohnt trainingsfreien Montag diesmal einfach gestrichen.