Die aufgebrachte Zuschauermenge würde ihn und seinen Assistenten ansonsten lynchen. Denn statt der versprochenen Gewalt gibt es Geknutsche, dazu von zwei Männern. Nicht die einzige Szenen in Sascha Baron Cohens Kinosatire “Brüno” in welcher die Komik in beklemmende Fassungslosigkeit kippt und man um “Brüno” fürchtet. Dabei will er doch nur ein Star werden, der schwule österreichische Moderator namens “Brüno”, Hauptakteur von Cohens Kombination aus Dokumentation und Satire. Als Londoner Vorstadtrapper “Ali G” und kasachischer Botschafter “Borat” wurde Cohen zweimal zum Schreckgespenst ahnungsloser Pseudoliberaler und Erzkonservativer. Mit “Brüno” erweckt er den dritten Charakter seiner “Ali G Show” zum Leinwandleben. Der schwule Reporter des österreichischen Jugendrundfunks OJRF verbreitet mit politischer Unkorrektheit und aufsehenerregenden Kostümen bei hysterischen Talkshowgästen und tumben Modedesigner Angst und Schrecken.
Hitler kann einpacken. Die meisten amerikanischen Kleinbürger dürften “Brüno” nach dessen Veralberungen als schlimmsten Österreicher aller Zeiten betrachten. Vorausgesetzt, die hinterwäldlerischen Jagdkumpane, die Besucher der Swinger Party und die dubiosen Sprecherinnen einer Hilfsorganisation merken nicht, dass sie einem Satiriker aufsaßen. Denn wenn sie’s merkten, wäre er nicht so schlimm”¦ Der Weg zum Ruhm ist steinig für “Brüno”. Die Pilotsendung einer Fernsehshow, welche ihn ein nichtsahnendes Studio produzieren lässt, wird verrissen. Im Fetischkostüm rennen er und sein an ihn geketteter Partner einer Anti-Schwulen-Demo in die Arme und seine näselnde Mischung aus Fantasiedeutsch und Englisch wirken so unvorteilhaft wie seine hochmodische Ausstaffierung. Sogar sein afrikanisches Adoptivkind wird “Brüno” live in einer Talkshow aberkannt. Schlurft er auf einer Modenschau in einem Kleiderberg über den Laufsteg, ist diese Aufmachung des Möchtegern-Österreichers nicht minder bizarr als das flamingoartige Federkostüm des professionellen Modells. Und von der Sexparty des Swinger Clubs muss “Brüno” vor einer silikonverstärkten Domina fliehen. Wie alle guten Satiren ist “Brüno” doppelbödig. An der Oberfläche ist der bizarre Humor. Verfolgen “Brüno” jedoch auf den Straßen Israels wütende Passanten, verfliegt die Komik. Auch die Eltern, welche versichern, ihre Kleinkinder könnten für eine Fernsehsendung mit Chemikalien hantieren oder ein Drittel Gewicht in einer Woche abnehmen, sind tatsächlich so beängstigend, wie die intellektuelle Beschränktheit, die unverblümte Abscheu und Aggression, welche “Brüno” entgegenschlagen.
Mit dem politisch motivierten Sarkasmus Bill Mahers, bei dessen religionskritischem Dokumentarfilm “Religulous” ebenso wie bei “Brüno” und “Borat” Larry Charles Regie führte, kann “Brüno” nicht mithalten. Der Humor konzentriert sich auf sexuelle Witzchen. Die zieht “Brüno” bisweilen derartig in die Länge, dass das Amüsement der Langweile weicht. In den prüden USA besitzen die sexuellen Szenen weit mehr Sprengkraft. Zum anderen, wurde “Brüno” auf unter 90 Minuten verstümmelt. Cohens Versuche, Arnold Schwarzenegger über Schwulenrechte zu befragen, sein Gespräche zu diesem Thema mit den Medienvorsitzenden Neal Barton und Danny Elzner sieht man so wenig wie LaToya Jackson, die sich statt des Jurymitglieds einer Talentshow auf mexikanische Arbeiter anstelle von Stühlen setzen soll. Warum “Brüno” diese Selbstzensur übt, bleibt unklar. Dreist, aufrührerisch und bizarr ist die Satire. Hintergründig wird sie nur partiell. Brillant ist Cohen, wenn er die Abgestumpftheit der Menschen gegenüber den Massenmedien enthüllt. Diskriminierende Äußerungen, geschmacklose Fernsehsendungen und Fanatismus sind Teil der Populärkultur und somit omnipräsent. Irritierend ist “Brüno” erst in den letzten Momenten, wenn man begreift, wie gewohnt die Verrücktheiten sind.
Sogar dem aggressivsten Gewaltprotz aus der Zuschauermenge des Zweikampfes laufen da schließlich die Tränen herunter. Doch mit der hämischen Freude über den, seine Hilflosigkeit offenbarenden Herumbrüllenden, entlässt “Brüno” sein Publikum nicht. Zum Abspann stimmen die üblichen Verdächtigen aus der Wohltätigkeitsecke mit “Brüno” ein Spendenlied an. Bon, Slash, Sting und Snoop Doggy Dog singen die absurden Zeilen, in denen sich die Wünsche für eine bessere Welt mit grotesken Forderungen mischen. Die Grenzen zwischen bewusster und unbewusster Selbstparodie, Karikatur und Ernst verschwimmen. Sehr sicher scheinen die Stars sich zu fühlen, wenn sie bewusst mitmachen. Dass sie sich gerade dadurch wiederum selbst vorführen, ist ihnen nicht klar. Hier ist “Brüno” am tiefsinnigsten. Vor Sascha Baron Cohen auf jeden Fall muss man sich in Acht nehmen. Vielleicht steht er jetzt neben einem – als sein nächstes alter ego.
Titel: Brüno
Originaltitel: Originaltitel: Brüno: Delicious Journeys Through America For The Purpose Of Making Heterosexual Males Visibly Uncomfortable In The Presence Of A Gay Foreigner In A Mesh T-Shirt
Genre: Satire
Land/Jahr: USA 2009
Kinostart: 9. Juli 2009
Regie: Larry Charles
Drehbuch: Sascha Baron Cohen, Anthony Hines
Verleih: Universal
FSK: Ab 16
Laufzeit: 81 Minuten