Da zückten wildfremde Menschen am Straßenrand ihre Digitalkameras, schauten mit offenen Mündern dem vorbeirollenden Gefährt hinterher (wobei ein Mann fast in eine angrenzende Wiese gestolpert wäre) und gestikulierten noch, als der Flitzer hinter der nächsten Biegung verschwand. Und im Parkhaus konnte sich ein Paar offenbar gar nicht sattsehen an dem Roadster aus Zuffenhausen.
Ob es an der auffälligen knallroten Lackierung lag? Oder am atemberaubenden Design? Die dritte Generation des knackigen Mittelmotor-Sportwagens wuchs bei einem sechs Zentimeter längeren Radstand insgesamt in der Länge um 3,2 Zentimeter, duckt sich aber um einen Zentimeter tiefer nach unten. Die flacher stehende Frontscheibe rückte zudem um rund zehn Zentimeter nach vorn und sorgte so für veränderte Proportionen. Die vorderen Kotflügel, die sich fast schon ein wenig schwülstig über die Räder wölben, wurden um etwa zwei Zentimeter verbreitert und betonen zusammen mit den Lufteinlässen die Breite der Front. Wie die Kiemen eines Raubfischs wirken die riesigen Ansaugöffnungen vor den hinteren Kotflügeln. Sie führen Ansaugluft und Betrachterblick gleichermaßen zur charakteristischen Position des Mittelmotorkonzepts.
Möglicherweise waren die Gründe für die verzückten Reaktionen der Passanten auch eher akustischer Natur. Unser kb-Testwagen, ausgestattet mit einer sündhaft teuren Sportabgasanlage für 2.160 Euro, die zugegebenermaßen über weite Strecken per Knopfdruck voll aktiviert war, röhrte und bollerte mit einem hohen Lustfaktor in Tonlagen vor sich hin, die eher auf der Rennstrecke denn im zivilen Straßenverkehr vermutet werden dürften.
Dabei macht der gut 3,4 Liter große Boxermotor mit Benzindirekteinspritzung jede Menge Laune. Der Sechszylinder leistet 316 PS/232 kW und übertrifft damit den Vorgänger um 6 PS. Dennoch konsumiert das Aggregat laut Norm 10,2 Prozent weniger Sprit.
Okay, wer den Boxster S bis zum Anschlag über die Autobahn scheucht, wird schon bald die nächste Tankstelle anlaufen müssen. Wer aber ein wenig Zurückhaltung übt, ohne dabei auch nur einen Funken Fahrspaß einzubüßen, kommt erstaunlicherweise mit einstelligen Verbrauchswerten aus. Bei der zügigen Tour über kurvenreiche Landstraßen erhöht zudem das Aktivieren der serienmäßigen Sporttaste den Lustgewinn. Der direkter auf Gasbefehle ansprechende Motor atmet dann so frei wie der Fahrer nach dem Lutschen eines Eukalyptusbonbons.
Ob auf der Autobahn oder auf Nebenstrecken, dem schwäbischen Sportwagen scheinen die Straßenplaner gar nicht genug Kurven durch die Landschaften geschlängelt zu haben. Das ausgewogene Konzept mit dem vor der Hinterachse platzierten Mittelmotor, mit breiter Spur und direkter Lenkung verleiht ihm Agilität und Dynamik. Da erhält der eigentlich ziemlich abgedroschen klingende Ausdruck vom Fahren wie auf Schienen fast eine neue Bedeutung.
Trotz aller sportlichen Ansprüche bleibt die Alltagstauglichkeit des Porsche Boxster S keineswegs auf der Strecke. Der gegenüber dem Vorgänger großzügigere, aber wegen der mächtigen und leicht ansteigenden Mittelkonsole immer noch sportlich-knapp geschnittene Innenraum bietet vorzüglichen Reisekomfort auch auf langen Strecken und genügend Ablagemöglichkeiten für die kleineren Utensilien. Das Gepäck verteilt sich auf einen 150 Liter fassenden Stauraum vorn, in den problemlos auch zwei Getränkekästen passen, sowie auf einen 130 Liter großen Kofferraum hinten.
Frischluftfreunde freuen sich über das in Rekordzeit von rund neun Sekunden öffnende und schließende Verdeck. Es faltet sich, ohne den Gepäckraum einzuschränken, über dem Motorraum zusammen, wobei der vordere Teil der Stoffmütze gleichzeitig als Abdeckung dient. Ein zusätzlicher Verdeckkastendeckel ist deshalb nicht nötig. Und weil die ganze Prozedur auch während der Fahrt bis etwa Tempo 50 funktioniert, wird der „Strip“ auf dem Boulevard zur ganz großen Gala.
Im Detail: Porsche Boxster S
Fahrzeugklasse: Roadster mit Stoffverdeck; Motor: Sechszylinderboxer mit Benzindirekteinspritzung und 24 Ventilen; Hubraum: 3.436 ccm; Leistung: 316 PS/232 kW bei 6.700 U/min.; Maximales Drehmoment: 360 Nm bei 4.500 bis 5.800 U/min.; Übersetzung: Sechsgangschaltgetriebe; Beschleunigung 0 bis 100 km/h: 5,1 sec., Höchstgeschwindigkeit: 279 km/h; Kraftstoffart: Super plus; Verbrauch (Norm): innerstädtisch: 12,2 Liter/100 km, außerstädtisch: 6,9 Liter/100 km; insgesamt: 8,8 Liter/100 km; CO2-Emission: 206 g/km; Abgasnorm: Euro V; Effizienzklasse: G; Testverbrauch: 9,3 Liter/100 km, 220 g/km CO2; Tankinhalt: 64 Liter; Reichweite: 989 km; Antrieb: Hinterrad; Maße (Länge/Breite/Höhe): 4.374 mm/1.801 mm/1.281 mm; Radstand: 2.475 mm; Kofferraumvolumen: 280 Liter (150 Liter vorn, 130 Liter hinten); Leergewicht: 1.320 kg; Nutzlast: 335 kg; Zulässiges Gesamtgewicht: 1.655 kg; Anhängelast gebremst/ungebremst: (nicht zugelassen); Wendekreis: 11,0 m; Bremsen vorn/hinten: Scheiben innenbelüftet/Scheiben innenbelüftet; Räder: 8 J x 19 (vorn)/9,5 J x 19 (hinten) Leichtmetall; Bereifung: 235/40 ZR 19 92 Y (vorn)/265/40 ZR 19 98 Y (hinten); Versicherungstypenklassen: Haftpflicht: 13/Teilkasko: 28/Vollkasko: 27; Preis: 59.120 Euro.
kb