Aber jetzt kommen die Frauen gewaltig. Denn es geht um Kurtisanen und Mätressen, um unstandesgemäße Liebschaften, um Boudoir-Phantasien, aber auch um Intrigen, denen Frauen zum Opfer fielen. Wie „Vom Königsbett zum Schafott“ von Barbara Beck aus dem Marix Verlag. Da werden sie alle aufgeführt, die Agnes Bernauer, deren Namen Sie kennen, aber deren Geschichte auch? Quer durch die Geschichte und Länder wird das Schicksal der Frauen beleuchtet, die in Affären verstrickt waren oder wegen Unbotmäßigkeit fallen gelassen wurden oder einfach auch nur, weil sie die ihnen zugedachte Rolle nicht spielen wollten. Unter all diesen Berühmtheiten, interessierte uns am meisten Johanna I. von Kastilien, genannt „Die Wahnsinnige“.
Wir wußten, daß sie die einzige überlebende Tochter der Katholischen Könige waren, wie die spanische Krone genannt wurde, die damals aus Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien bestand. Bekannt ist auch diese Doppelhochzeit, mit der die Spanier und die Habsburger den gemeinsamen Nachbarn und Feind in die Zange nehmen wollten: Johanna heiratete Philipp den Schönen, den einzigen Sohn des Kaisers Maximilian I. und ihr Bruder Johann die Schwester des Habsburgers Margarete. Bekannt ist auch die rasende Verliebtheit der Johanna in ihren Mann und ebenso die rasende Eifersucht, zu der sie allen Grund hatte.
Barbara Beck führt nun den Beinamen „die Wahnsinnige“ nicht nur auf ihre exzessiven Gefühle und Eifersuchts- und Verfolgungsdramen gegenüber Ehemann Philipp zurück, sondern auf das Interesse des spanischen Königs Ferdinand, also des Vaters, und das Interesse des deutschen Kaisers, ab 1920 Karl I. (V.), also des Sohnes, Johanna als wahnsinnig aus dem Verkehr zu ziehen, ja einzusperren und kümmerlich leben zu lassen, damit beide: ihr Vater und ihr Sohn in Johannas Machtbereich schalten und walten konnten.
Denn Ehemann Philipp war plötzlich 1506 verstorben, bis heute glaubt man an eine Vergiftung, aber Johanna vegetierte in ihrem Verließ bis 1555. Wenn man weiß, daß ihr Sohn Karl schon 1556 die Krone niederlegte und das unregierbare Land, in dem die Sonne nicht unterging, aufteilte an seinen Sohn Philipp Spanien und die Neue Welt, an seinen Bruder Ferdinand die Habsburger Güter und den Kaisertitel, daß Karl schon zwei Jahre darauf verstarb, also nur drei Jahre nach seiner Mutter, dann spürt man die Tragik solcher von einem als unnötig erachteten Schicksale Geschlagenen um so mehr. Gut, daß Barbara Beck dies beim Namen nennt.
Benedetta Craveri zeigt in „Königinnen und Mätressen“ aus dem Hanser Verlag „Die Macht der Frauen – von Katharina de’Medici bis Marie Antoinette. Hier geht es also just um das Gegenteil: Frauen nicht als Opfer, sondern als Täterinnen und alle am französischen Hof. Herauskommt ist ein manchmal wüstes, manchmal zartes Sittenbild Frankreichs, das zeigt, daß Frau zu sein in diesem Land eine besondere Qualität hat, weil der Einfluß von Schönheit, aber auch der von Geist, in größerem Maß goutiert wird als anderswo. Aber Craveri zeigt in ihren historisch klug recherchierten Falldarstellungen auch, daß zwischen Opfer und Täterin oft kaum zu unterscheiden ist, weil ein und dieselbe Person in ihrem Lebensweg hin- und herrutscht zwischen diesen Positionen. Frauen? Ja, es langt die geschlechtliche Bestimmung, denn sonst verband die 21 dargestellten Frauenporträts nichts.
Sie kamen aus verschiedenen Ländern, Ständen, sie waren gute oder schlechte Menschen, hübsch oder häßlich, aber sie eint, daß ein französischer Potentat sich in sie verliebte oder sie ihn dazu brachten, sich zu verlieben. Ein kleiner Finger und schon ist die Person für immer verbandelt. Susan Griffin bläst mit „Die Tugenden der Kurtisanen. Mächtige Frauen mit eigener Moral`, ins selbe Horn, erschienen bei Hugendubel 2002. Allerdings gliedert die Autorin ihr Werk nach den Eigenschaften, die Frauen haben müssen, um solche Schaltzellen der Macht besetzten zu können: Da geht es um den rechten Augenblick, um Schönheit, Keckheit, Brillanz, Lebensfreude, Grazie und Charme, an denen entlang eine Frau agieren muß, um Kurtisane und erfolgreiche Kurtisane zu werden.
An diesen Punkten entlang werden die historischen Tableaus entwickelt, in deren Mittelpunkt wir dann die Kurtisanen kennenlernen. Dabei geht es nicht nur um Könige, nein, Kurtisane kann jede Frau werden, die eines reichen oder wichtigen Mannes Favoritin wird. Meist kennt man die historischen Damen nur auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Darum hat uns besonders gefallen auf der Seite 277 „Was aus den Kurtisanen wurde“ zu verfolgen, was uns beruhigt hat, daß viele von ihnen glücklich und zufrieden starben.
Passend dazu von Barbara Hauck „Ludwigs Lust“ aus dem Verlag Waldemar Kramer. Da geht es um „Unstandesgemäße Liebschaften im Hause Hessen-Darmstadt“ und wenn man mit den Kurtisanen gerade in der großen Welt unterwegs war, so gefällt einem die Beschränkung auf ein kleineres Herrscherhaus ungemein, weil man das Netz der Intrigen und der Gut- und Böswilligkeiten einfach besser verfolgen kann. Vor allem wird hier im Kleinen sichtbar, wie wenig sich solch ein adliger Herr anstrengen mußte, um die Damen zu becircen. Reihenweise fielen sie ihm in die Arme, die Bürgerstöchter, die mit ihrer Eroberung auch noch angaben. Wieder einmal stellt sich die Frage nach Täter und Opfer.
Aber darum geht es in diesem Buch überhaupt nicht, das mehr aus der Schlüssellochperspektive erzählt, was vorgefallen sein kann, denn, auch das sollte man all den oberen Büchern hinterherrufen: „Wie es wirklich war, wissen nur die Beteiligten. Wenn denn überhaupt. Wenn Sie nicht betrunken, von Sinnen, schlafend oder betäubt waren, oder eben verrückt, zu dem man gemacht wurde, wenn man, besser: Frau nicht tat, was gewollt war. Von wem auch immer“.
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Sven Kuntze, New York City. Eine wunderbare Katastrophe, Econ Verlag o.J.
Barbara Beck, Vom Königsbett zum Schafott. Frauen als Opfer von Intrigen“, Marix Verlag 2010
Benedetta Craveri, Königinnen und Mätressen, Hanser Verlag 2008
Susan Griffin, Die Tugenden der Kurtisanen, Diederichs/Hugendubel 2002
Babara Hauck, Ludwigs Lust, Waldemar Kramer Verlag 2010