Einmal sind da die Rentner, die mit der Preisentwicklung seit der Euroeinführung enorm an Kaufkraft verloren haben. Eine Regierung, die eine Rentenerhöhung von 0,25 % im Westen beschließt, kann nur als zynisch und vollkommen realitätsfremd bezeichnet werden. Zweitens ist die Pflegebedürftigkeit im Alter ein großes Tabuthema und das in einer Gesellschaft, die doch die Würde des Menschen im Grundgesetz explizit als unverletzbar verankert hat. Die heutigen Senioren haben zudem große Summen in die Sozialkassen – gezwungenermaßen – eingezahlt, dafür bekommen sie nun minimale Renten und durchleben Qualen in vielen Heimen. Hätten diese Menschen ihre Rentenbeiträge privat angelegt, wäre ihnen ein besseres Schicksal beschieden.
Dass das Alter den finanziellen Ruin ganzer Bevölkerungssichten bedeuten kann, wird einfach ignoriert. Man kehrte das Thema unter den Tisch: was scheren uns die Senioren, die in Heimen dahin vegetieren? Doch eine Gesellschaft, die sich für eine artgerechte Haltung von Tieren einsetzt, die ganze Zoolandschaften neu gestaltet, um für seltene Tierarten paradiesische Zustande zu schaffen, ist dazu verpflichtet auch eine menschenwürdige Pflege in Seniorenheimen durchzusetzen. Und dabei sind diese Senioren, die hart gearbeitet und Deutschland mit aufgebaut haben, keine Schnorrer oder Steuerbetrüger, auch zumeist keine Sozialhilfeempfänger. Nein, hier wird gut abkassiert von einer Pflegemafia. Reicht die Rente nicht, muss das Häuschen verkauft werden, um die notwendigen Zuzahlungen zur Pflegeversicherung aufbringen zu können.
Zuwendung auf Minuten beschränkt
Im Durchschnitt bekommt ein Seniorenheim mindestens 2500 Euro (ländliche Region) monatlich für den Aufenthalt in einem kleinen Zimmer mit Nasszelle, wenn man Pflegestufe I erreicht hat. Der Eigenbetrag ist ab ca. 1300 Euro anzusetzen, nach oben gibt es keine Grenzen. Eine stolze Summe, für die man 45 Minuten Aufmerksamkeit bzw. Dienstleistungen täglich verlangen kann. Denn seit der Pflegereform von Ulla Schmidt ist jede zwischenmenschliche Hilfestellung in Zeitabläufen fixiert. Das Schlimmste aber ist, dass die meisten Senioren diese 45 Minuten noch nicht einmal bekommen. Mit Pflegestufe I kann man zumeist noch laufen, essen und sich auch anziehen, wenn auch mühsam. Also fällt man durch das Raster der Aufmerksamkeit, da die Heime in vielen Fällen gemischte Wohnbereiche führen, in denen leicht demente Menschen mit schwersten Pflegefällen zusammen leben müssen. Ich kenne eine Station mit 30 Senioren, von denen 2/3 der Menschen gar nicht aus den Zimmern können. Die bringen natürlich das Geld, und wenn man hierfür nachmittags nur zwei Pfleger im Einsatz hat, morgens ist mehr Personal notwendig zum Waschen, Anziehen usw., dann rechnet sich der Aufwand. Zwei Pfleger für 30 Senioren, zwischen 14.00 und 20.00 Uhr, die auch noch das Essen austeilen müssen, ist Normalität. So etwas ist menschenverachtend, auch für das Pflegepersonal. Das bedeutet im Akkord zu arbeiten, da bleibt keine Zeit für ein Wort, für eine liebevolle Geste. Das zuständige Sozialamt beantwortete meine Anfrage mit dem Hinweis, dass zwei Personen noch ein guter Durchschnitt sei, Zynismus pur. Das geschieht in Hessen, der Pflegeschlüssel in Baden Württemberg, wohl auch in Bayern, ist höher angesetzt.
Zurück zu den Senioren mit Demenz, die sich noch bewegen können und leichte Aufgaben bewältigen, sie werden im aktuellen Pflegekonzept zumeist vollkommen negiert. Doch es gibt auch lobenswerte Ausnahme, das zumeist in Süddeutschland. Dennoch, die Mehrzahl der dementen Menschen erhalten keine würdevolle Pflege und das für einen Betrag, der es durchaus erlauben würde auch auf wirtschaftlicher Basis menschenfreundlich zu agieren, wenn man das denn nur wollte.
Das Essen ist zumeist unterste Kategorie, billiger geht kaum. Fertigprodukte voller Glutamat und Konservierungsstoffe werden angeboten, Tiefkühlkost, selten frisches Gemüse oder Salate. Tagessätze bei 4,00 Euro pro Person und Tag sind keine Seltenheit. Problematisch ist auch die Forderung nach Schonkost, nicht immer verstehen unkundige Küchenmitarbeiter, was damit gemeint ist. Angehörige sehen sich gezwungen zusätzliche gesunde Nahrung zu kaufen. Das gilt auch für Mineralwasser, Obst und Snacks. Der Geruch des warmen Mittagessens aus Industriekonserven versetzt den gesundheitsbewussten Besucher in einen Schockzustand, man denkt willkürlich an Hundefutter.
Fremdwort Empathie
Und dann zum absoluten Fremdwort in den meisten deutschen Seniorenanstalten: soziale Empathie. Ja, ich vermeide das Wort Heim, denn es sind Anstalten, die zumeist unsere Senioren aufbewahren. Da hat Deutschland zudem eine große Erfahrung und das merkt man, denn lernfähig scheinen die Institutionen nicht zu sein, auch nicht die, die unter kirchlicher Flagge firmieren. Nicht immer, wo Kirche drauf steht, ist auch Kirche drin. So verleiht die Diakonie, eine Sparte der evangelischen Kirche, vielen Anstalten ihren Namen, ist aber in keiner Weise führungsmäßig oder gar finanziell engagiert. Fast könnte man sagen, ein lohnenswertes Franchisesystem hat sich hier etabliert. Zurück zur Empathie. Auch die häufige ’Entmündigung` von Angehörigen muss hier angeprangert werden. Wenn ein älterer Mensch in ein Heim gegeben wird, ist es für Familienangehörige zumeist erschütternd von heute auf morgen nichts mehr sagen zu können, und wenn man es doch wagt, dann wird regelrechtes Mobbing angewendet, und das mit zahlende Kunden.
Demente Menschen, die noch bewegungsfähig sind, benötigen eine sozial-psychologische Betreuung, im Besonderen anregende Gespräche, auch mal unter vier Augen, eine biographische Aufarbeitung sowie eine Struktur, die mentale Sicherheit vermittelt, die auffangen kann, wenn die gewohnten mentalen Fähigkeiten aussetzen. Jeder junge Mensch hätte sicherlich in einer solchen Situation Angstzustände, warum gesteht man dies den Senioren nicht zu und betreut sie nicht entsprechend? In ihren Zimmern fühlen sie sich oft allein und verloren, besonders am Abend, also bleiben sie stundenlang in Aufenthaltsräumen schweigend sitzen, ohne ein nettes Wort oder eine anregende Aktivität zu erleben. Man steckt sie aber auch gerne nach dem Abendessen einfach ins Bett, selbst im Sommer.
Gerade über die kreative linke Gehirnhälfte wäre noch viel auszugleichen und auch aufzubauen an Lebensqualität. Demenz könnte auch eine Chance sein, um mehr Nähe zu erleben, zu kommunizieren, sich auf das Lebensende friedlich vorzubereiten. Nein, die Senioren werden auch hier mit ihren Panikattacken von zumeist ungeschultem Personal allein gelassen. Die angebotenen Aktivitäten, die noch auf Mustern aus den 80er Jahren basieren, erschrecken diese Senioren. Der Massentransport in Festsäle zum Singen oder Basteln funktioniert hier nicht immer. Ein generelles Umdenken ist gefordert, ebenso eine liebevolle Betreuung in kleinen Gruppen mit Einfühlungsvermögen in fragile Persönlichkeiten. Und dazu benötigt man ehrenamtliche Helfer. Doch es gibt immer noch Heime, die ohne solche arbeiten, vielleicht weil man niemand im Haus haben möchte, der in die Suppe guckt, sozusagen. So ein Heim ist selten zu empfehlen.
Fazit: Unterlassene Hilfeleistung dominiert
Aber was können Pflegekräfte mit einem 400- Euro- Arbeitsverhältnis bringen? Mir wurde übermittelt, dass in einem Luxuspflegheim nur mit diesen Minijobs gearbeitet wird. 90 verschiedene Angestellte hat eine Angehörige auf einer Station im letzten Jahr gezählt. Eine schlechtbezahlte Pflegekraft, die von Bettpfanne zu Bettpfanne hetzt, ist immer überfordert und zudem auch frustriert. Doch selbst mit geringen Mitteln wäre sicherlich eine menschenwürdigere Situation in vielen Heimen zu erreichen, wenn Nächstenliebe gelebt würde. Eine Gesellschaft, die permanent ihre schwachen Mitglieder misshandelt und missachtet, wird langfristig nicht erfolgreich sein können. Ein jeder Mensch kann in diese grauenhafte Situation geraten, wer jetzt hilft, hilft sich oder einem Familienangehörigen. Denn nicht nur der Heiminsasse leidet, auch die Familienangehörige tragen nach jedem Besuch immer wieder diese unmenschlichen Zustände mit sich herum, und diese Not belastet somit Millionen Menschen in einem wohlhabenden Land, das seine sozialen Strukturen verraten hat.