Dezember ist Krampuszeit. Wenn in sternenklarer Nacht dunkle Gestalten durch die Gassen des Tiroler Oberlandes huschen. Finstere in Fell gehüllte Wesen mit Furcht erregenden Masken. Vielleicht sogar geeignet, selbst dem Teufel das Blut in den Adern gefrieren zu lassen? Dabei führen die gleich gruppenweise auftretenden Krampusse bei Licht betrachtet eigentlich nichts Böses im Schilde. Sind sie doch die traditionellen Begleiter des Heiligen Nikolaus, des wohl berühmtesten aller Heiligen. Und des beliebtesten dazu, zumal er in vorweihnachtlicher Zeit die guten Menschen mit Geschenken reichlich belohnt.
Den Krampussen hingegen fällt nach bewährtem alpenländischem Brauch eine weniger geschätzte Aufgabe zu. Sind sie doch dazu da, wie anderswo der mit einer Rute ausgestattete Knecht Ruprecht, die Bösen für ihre Verfehlungen abzustrafen. Oder ihnen doch zumindest einen gehörigen Schrecken einzujagen. Was die Krampusse im Tiroler Oberland um der höheren Gerechtigkeit willen auch mit Begeisterung tun. Stets sprühend vor Energie und dazu mit hohem körperlichem Einsatz.
Herrschaftsgebiet der Perchten
Und doch stößt ihre allgegenwärtige Schreckensherrschaft an unsichtbare Grenzen. Nämlich dort, wo gleichzeitig andere wilde Gesellen Raum für ihren alljährlichen Auftritt beanspruchen. Besonders im Tiroler Unterland, das mit einer noch älteren Tradition aufwarten kann als das Oberland. Mit einem Brauchtum, dessen Ursprünge sich verlieren im Dunkel der Vergangenheit. Und vielleicht sogar zurück reichen in die Zeit des Bergwanderers Ötzi? Denn dessen nahe gelegener Fundort beweist, dass ihm diese Region nicht unbekannt war.
Vor allem in dem Ort Breitenbach am unteren Inn haben Krampusse nichts zu suchen. Denn hier erheben die noch archaischer wirkenden Perchten unmissverständlich ihren Alleinvertretungsanspruch. Immer in der Vorweihnachtszeit zeigen sie Flagge und setzen bei ihren lautstark ausgetragenen Perchtenläufen weithin hörbare akustische Duftnoten. Allerdings nicht im Dienst einer höheren Gerechtigkeit, sondern in der Auseinandersetzung mit der rauen Natur einer ringsum aufragenden alpinen Bergwelt. So dient ihr abschreckender Auftritt im Dezember allein dem Zweck, schon jetzt ein Exempel zu statuieren. Und den Winter mit seinen Unannehmlichkeiten und Unwägbarkeiten bereits zu einem Zeitpunkt auszutreiben, noch bevor dieser sich mit seinen spitzen Eiszapfen so recht im Boden festkrallen konnte.
Bizarre Perchtenmasken
Bauer Erich Ruprechter aus Breitenbach weiß ein Lied von den Naturgewalten in den Bergen zu singen. Gehört es doch zu seinen beruflichen Aufgaben, den zur Winterszeit in seinem Kuhstall aufgereihten Viehbestand mit den vorhandenen Futterreserven durch die ebenso dunkle wie kalte Jahreszeit hindurch zu bringen. So kennt er die alljährlich wiederkehrenden Herausforderungen ganz genau und hat bei seinem Zweikampf mit der Natur alle Hände voll zu tun. Glaubt man zumindest, sobald man sich noch kurz vor dem einsetzenden Schneegestöber einen Überblick über sein ausgedehntes Anwesen verschafft hat.
Doch irgendwo scheint Erich Ruprechter ein Depot mit geheimen Kraftreserven angelegt zu haben. Denn in einem zweiten Beruf ist er noch Künstler. Und als Bildhauer einer der renommiertesten Holzschnitzer der Umgebung dazu. Perchtenmasken aus Zirbenholz sind seine Spezialität und Leidenschaft, obwohl in seiner Werkstatt kaum ein Exemplar davon zu entdecken ist. „Alle sind sie in Gebrauch“, stellt er entschuldigend fest. Da sei es schon besser, sogleich einige der im Ort agierenden Perchtenläufe ausfindig zu machen und sich von den bizarren Masken persönlich ansprechen zu lassen.
Inbegriff archaischer Gefühlswelten
Und tatsächlich: Jeweils angeführt von grimmig dreinblickenden Hexen ziehen einige Perchtengruppen schwer bepackt mit voluminösen Kleidungsstücken aus raschelnden Maiskolbenblättern von Bauernhof zu Bauernhof. Unsäglichen Lärm verbreitend mit ihren Metalltrommeln aus alten Benzintanks. Oder gar mit schweren Glocken, die mit ihren das Trommelfell strapazierenden Geräuschen offenbar das Zeug dazu haben, selbst den strengsten Winter das Fürchten zu lehren.
Und als Abschluss dieser teils zentnerschweren Kostüme schließlich noch die schweren Zirbenholzmasken obendrauf. Prachtstücke, in deren ausdrucksstarken Gesichtszügen wie erwartet die phantasievolle künstlerische Handschrift Erich Ruprechters zuweilen wiederzuerkennen ist. Weit entfernt vom ästhetischen Gleichmaß venezianischer Masken. Mit ihren asymmetrischen Gesichtshälften und ihren verzerrten Mundpartien erscheinen sie vielmehr als der in Inbegriff archaischer Gefühlswelten. Faszinierend und befremdlich zugleich.
Weihnachtliche Wärme
Nur wenige Kilometer entfernt am gegenüber liegenden Ufer des Inn präsentiert sich hingegen in dem schmucken Glasbläserstädtchen Rattenberg eine völlig andere weihnachtliche Welt. Hier überwiegt auf dem Weihnachtsmarkt die von Kerzen, Fackeln und Feuerstellen ausgehende wohlige Wärme, die von Punsch und Glühwein noch abgerundet wird. „Alles auf schlichte Tiroler Art und ohne Schnickschnack, der nicht hierher gehört“, bemerkt Stadtbegleiter Leo Meixner prinzipienfest, doch dabei nicht ohne Stolz.
Stattdessen lockt in einer der angrenzenden Glasbläsereien die besonders von Kindern wahrgenommene eigene Herstellung von Christbaumkugeln. Oder im Stadtkern die szenische Aufführung der Herbergssuche des Heiligen Paares auf einem in seinem störrischen Eigensinn nicht zu überbietenden Esel. Dabei immer wieder aus Fenstern und Balkonen „von oben herab“ zurechtgewiesen bei seinem demütigenden verbalen Spießrutenlauf, der bekanntlich erst an der Krippe endet.
Gutes Omen für weiße Weihnacht
Der mit Spannung erwartete Höhepunkt ist schließlich erreicht, wenn ringsum zur festgelegten Uhrzeit alle künstlichen Lichter durch Kerzen ersetzt sind und Tiroler Volksmusik unter einem riesigen Weihnachtsbaum auf das Fest der Feste einstimmt. Als besonders ergreifend erweist sich die der Gegend entstammende Volksmusikerin „Zabine“ mit ihrem getragenen Jodler „Hascht scho g’hert?“ Ein ausdrucksstarkes und zu Herzen gehendes Stück mit Hintergrundchor, in dem die unnachahmliche Stimmung der Tiroler Bergweihnacht besonders deutlich spürbar wird.
Den abschließenden Rahmen bilden zwei Engel, die auf Holzschaukeln sanft aus der Mitte der Zuschauer empor schweben und aus lichter Höhe Sternenstaub in goldenen Stückchen aus ihren Händen herab rieseln lassen. Ein gutes Omen für eine stimmungsvolle weiße Tiroler Bergweihnacht auch in diesem Jahr?
Reiseinformationen "Alpbachtal Weihnachten":
Anreise
Flug: Innsbruck, weiter mit Zug nach Brixlegg, weiter mit Bus; Auto: über München, Rosenheim, Kufstein, Autobahnausfahrt Kramsach; Zug: München – Rosenheim – Wörgl, umsteigen in Regionalzug nach Brixlegg – oder bis Jenbach (Schnellzugstation), von dort direkte Buslinie ins Alpbachtal
Reisezeit
Wintersaison: Mitte Dez. – 1 Woche nach Ostern, neu: Zusammenschluss der Skigebiete Alpbachtal und Wildschönau zum "Ski Juwel"; Sommersaison: 1. Mai – 31. Oktober
Reiseziele
Insgesamt 10 Orte, u.a.: Alpbach ("schönstes Dorf Österreichs"), Reith ("schönstes Blumendorf Europas"), Kramsach ("Seendorf"), Rattenberg ("mittelalterliche Glasstadt")
Reiseveranstalter
Günstig: Schmetterling Reisen, Website: www.schmetterlingreisen.de, Email: reise@schmetterlingreisen.de, Telefon: 09197-6282-540 oder 0800-7246-388
Urlaubskarte
Jeder Gast erhält die "Alpbachtal Seenland Card" zur Benutzung der öffentlichen Busse sowie im Sommer der 3 Bergbahnen, Badeseen und Schwimmbäder.
Unterkunft
Businesshotel Kramsacher Hof, Claudiaplatz 9,6233 Kramsach, Website: www.kramsacherhof.com, Email: info@kramsacherhof.com, Telefon: +43-(0)5337-63987; Hildegard-von-Bingen-Angebot im Hotel Pirchner Hof, Neudorf 42, 6235 Reith, Website: www.pirchnerhof.at; Email: info@pirchnerhof.at; Telefon: +43-(0)5337-62749
Auskunft
Tourismusverband Alpbachtal Seenland, Zentrum 1, 6233 Kramsach, Website: www.alpbachtal.at; Email: info@alpbachtal.at; Telefon: 0043-5337-21200; Tiroler Oberland Tourismus, Kirchplatz 48, 6531 Ried i.O., Website: www.tiroler-oberland.com, Email: office@tiroler-oberland.com, Telefon: +43(0)50-225100