Tokio, Japan (Weltexpress). In Tokio werden heute die 29. Olympischen Spiele eröffnet. Da lohnt sich ein Blick 57 Jahre zurück, als in der Hochzeit des kalten Krieges zum letzten Mal vor eine Pause von 24 Jahren eine gemeinsame deutsche Mannschaft um die Medaillen kämpfte. Zu den Medaillengewinner gehörten auch der Potsdamer Kanu-Olympiasieger Jürgen Eschert. Er wird nächsten Monat 80 Jahre alt. Die Goldmedaillengewinnerin im Wasserspringen Ingrid Gulbin-Krämer, sie feiert am 29. Juli ihren 78. Geburtstag, gehört auch dazu.
Im vorigen Jahr beklagte sich die Dresdnerin in einem Interview mit der „Welt“, dass die ehemaligen DDR-Sportler in den Medien viel zu wenig Beachtung finden. Wir trafen die Diplom-Sportlehrerin nach der Wende in Dresden nicht in der Schwimm-Halle sondern nach Jahren der Arbeitslosigkeit als Bankmitarbeiterin an. Ehrungen wurden der außergewöhnlichen Sportlerin jedoch reichlich zuteil. Die Dresdnerin wurde bereits 1975 in die „Hall of Fame“ in Fort Lauderdale (USA) aber erst 2011 in die deutsche „Hall of Fame“ aufgenommen. 1960, nach ihren Olympiasiegen von Turm und Brett in Rom, schaffte die blonde Sächsin ein Phänomen. Sie wurde „Sportlerin des Jahres“ in der DDR und der Bundesrepublik. In Tokio trug sie die deutsche Kompromiss-Fahne mit den fünf olympischen Ringen ins Stadion.
In Zeuthen wohnt der Schwimmer Frank Wiegand (78.). Er trug in Tokio gehörig zum Glanz der deutschen Mannschaft mit drei Silbermedaillen ebenso bei wie die Lausitzer Turnerin Birgit Radochla (76) als Olympia-Zweite oder der Fußballer Jürgen Nöldner vom FC Vorwärts Frankfurt. In der Oderstadt lebte 1964 auch die leider schon verstorbene Karin Balzer., die in 10,5 Sekunden über 80 m Hürden zu olympischem Gold sprintete. Insgesamt kehrten die 372 deutschen Sportler mit 50 Medaillen, davon zehn in Gold, aus Japan zurück. Keine schlechte Bilanz, denn damals gab es lediglich 163 Entscheidungen, deren Zahl heute auf 339 angestiegen ist.
„Die drei Silbermedaillen sind das Herzstück meiner Sporttrophäen. Ganz besonders hänge ich an der Medaille über 400 m Freistil. Ich bin damals hinter dem USA-Schwimmer Don Schollander Zweiter geworden“, erzählt Wiegand. Zwei Jahre später „rächte“ sich Frank an Schollander. Bei den Europameisterschaften in Utrecht 1966 schwamm er zu Gold und schnappte Schollander mit 4:11,1 Minuten den Weltrekord weg. Im gleichen Jahr stieg er zum „DDR-Sportler des Jahres“ auf. Mit einigem Stolz spricht Wiegand auch über die 4mal 200 m Freistilstaffel. „Wir waren mit Gerhard Hetz aus Hof, Hans-Joachim Klein aus Darmstadt sowie dem 1995 verstorbenen Leipziger Hans-Günter Gregor und mir ein echt gesamtdeutsche Mannschaft. Die Verbindung zwischen uns riss nicht wirklich ab. Unsere Funktionäre knurrten zwar, aber Gerhard Hetz und Hans-Joachim Klein waren im November 1964 sogar Gäste bei meiner Hochzeit.“ Bis zu seinem Tod in Mexiko 2012 stand Wiegand mit Hetz in lockerer Verbindung. „Enger war die Beziehung mit Hans-Joachim Klein, wie sich Frank Wiegend als einstiger Schwimmstar vom ASK Rostock, erinnert: „Mit Klein hatte ich besonders gute Verbindung, als er nach der Wende in Leipzig Geschäftsführer der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft war. Jetzt ist er wieder zurück in Darmstadt. Da sind die Treffen und Gespräche seltener.“ Wiegand arbeitete in der DDR als Koordinator bei der SV Vorwärts und zuletzt bei der Gewerkschaft FDGB. Nach der Wende gründete er eine Immobilien Firma. „Um der Frage zuvor zukommen. Ins Wasser gehe ich nur noch baden“, verabschiedete sich der einstige Schwimmbecken-Held.
Wasser war noch nie sein großes Ding. Das Terrain des Fußballers Jürgen „Kuppe“ Nöldner war der Rasen. Nach einem 3:0-Sieg über Ägypten durfte das deutsche Team, es bestand nur aus DDR-Spielern., die Bronzemedaillen entgegennehmen. Es war die erste olympische Medaille für eine deutsche Mannschaft in der olympischen Geschichte. „Vielleicht hätten wir sogar Silber oder Gold mit nach Hause gebracht. Wir hatten Pech. ‚Banne‘ Urbanczyk zog sich in der 30. Minute einen Bänderriss im Knie zu. Wir mussten mit zehn Mann weiterspielen, da es damals keine Auswechslung gab“, berichtet Jürgen Nöldner (80). Deutschland verlor 2:1 gegen die CSR, nachdem die Deutschen durch einen Treffer von Nödner bis zur Halbzeit 1:0 in Führung gelegen hatten. Von den Lesern der Zeitung „Junge Welt“ wurde das Olympia-Team damals zur Mannschaft des Jahres gewählt .Zwölf Jahre später konnte Nöldner, inzwischen diplomierter Journalist, sogar vom Olympiasieg der DDR-Mannschaft in Montreal berichten. Nach dem Ende der Karriere zog Jürgen Nöldner von Frankfurt wieder nach Berlin. Er wohnt mit seiner Frau am Anton-Saefkow-Platz in Lichtenberg. Zur Widerstandgruppe „Saefkow“ gehörte Jürgens Vater Erwin. Er wurde 1944 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. In Lichtenberg sind ein Platz und eine S-Bahn-Station nach Erwin Nöldner benannt.