Auch wenn das nicht offiziell gesagt wurde, kann man erst einmal aus dem großen Anklang, den die Leipziger Buchmesse jedes Frühjahr bei den Lesern findet, daraus schließen, daß die Stadt Frankfurt daraus gelernt hat. Denn grundsätzlich wären diese beiden deutschen Buchmessen vom Anspruch an eine Messe gleichwertig, haben sich aber aus geschichtlichen Gründen unterschiedlich entwickelt. Den Frankfurtern, die seit 1949 diese Buchmesse zur bedeutendsten Weltmesse ausbauen konnten, muß man dennoch immer wieder ins historische Gedächtnis schreiben, daß nach anfänglichen Erfolgen der Frankfurter Buchmesse im Mittelalter, wo sie lange führend blieb, die Leipziger Buchmesse seit 1632 konstant die Frankfurter überholte – bis zum 2. Weltkrieg, der neue Bedingungen schuf. Seit 1991 gibt es auf der Leipziger Messe, die als alte Frühjahrsmesse Mitte März stattfindet, mit „Leipzig liest“ ein Lesefest für die Bevölkerung, die für diese Lesungen sogar von weit anreisen.
Die Frankfurter Buchmesse, als Überbleibsel der alten Herbstmessen, aber ist eindeutig eine Messe, – auf der neben den Buchneuheiten, die vorgestellt werden, und den Schriftstellern, die aus aller Welt zusammenkommen, – die vordringlich dem Handel dient, wo die Vertragsabschlüsse, die internationalen wie hiesigen, darüber Auskunft geben, wie erfolgreich das Messegeschäft war. Wobei das Wort Buch faktisch längst durch Medien aller Art ersetzt ist. Die Messe ist also auch in den ersten Tagen nur für den Fachhandel (auch Schulklassen) geöffnet und dann am Wochenende für das allgemeine Publikum. Seit vielen Jahren schon haben alle Frankfurter Institutionen, die auch das Jahr über Lesungen möglich machen, die Woche der Buchmesse genutzt, um die Anwesenheit der Schriftsteller und Dichter für Lesungen wahrzunehmen. Längst ist darum die Stadt Frankfurt zur Buchmesse schon Lesestadt geworden – und bei der Selbstbefragung auch im übrigen Jahr, was die Anwesenheit so vieler Verlage in Frankfurt einfach begünstigt und auch die Sicherheit, mindestens die nächsten Jahrzehnte die Buchmesse in der Stadt zu halten.
Was ist also das Neue, was in einer Extrapressekonferenz vorgestellt wurde? Und es ist tatsächlich etwas Neues, was gleich wie eine Bombe bei den angeschriebenen Verlagen einschlug. Auch im Verlagswesen sind die Kosten kritisch geworden, die Räume im Steinernen Haus aber können umsonst genutzt werden, was sich dann eben im freien Eintritt fortsetzt. Erst einmal wurden vom Kulturamt die Frankfurter Verlage angeschrieben und die haben sich gleich massiv eingeschaltet und Tage und Uhrzeiten und Räume erhalten. Danach wurden die noch freien Möglichkeiten den Verlagen von außerhalb angeboten. Zusammengekommen ist eine wilde Mischung, die, wenn man es genau nimmt, einen Literaturbegeisterten schon dazu treiben könnte, die Buchmesse Buchmesse sein zu lassen und sich gleich im Steinernen Haus einzuquartieren. Denn da gibt es nicht nur Lesungen, sondern Diskusionen über Bücher aller Art, auch geschichtliche, auch politische, selbst Sport und außerdem wird noch gefeiert.
Das fängt am Dienstagabend mit einem Debütantenabend an, wo einzelne Frankfurter Verlage – nett, daß mit Aufbau ein quasi Exaufbauverleger mit angesprochen ist – ihre Neuen vorstellen, wobei Suhrkamp mit Stephan Thome nicht nur einen potentiellen Buchpreisträger dabei hat, sondern man jetzt schon sagen kann, daß der dies als Heimspiel – er kommt aus Biedenkopf in Oberhessen – sicher routiniert und gehaltvoll meistert. Unmöglich die Veranstaltungen alle aufzuführen. Dazu gibt es eine kleine Broschüre, die man dann während der Buchmesse getrost unter dem Arm dabeihaben sollte. Uns sind die Verschiedenartigkeiten positiv aufgefallen. Das geht am Messemittwoch mit Peter Weidhaas „Und kam in die Welt der Büchermenschen“ im Ch.Links Verlag los. Unter dem ehemaligen Leiter der Buchmesse wurde diese, was sie heute ist, eine internationale Angelegenheit, wo sich die Welt der Buchstaben in Frankfurt zu Hause fühlt und mit seinem Namen wird auch immer die Explosion der lateinamerikanischen Literatur und ihre Aufwertung in Deutschland verbunden sein.
Dabei ist auch Ulrich Peltzer, der neue Stadtschreiber von Bergen-Enkheim mit „Teil der Lösung“ aus dem Ammann Verlag und Leon de Winter, einer der bekannten Niederländer aus dem Diogenes Verlag sowie Ilija Trojanow aus dem Hanser Verlag. Mit Norbert Scheuer und „Überm Rauschen tritt eine weiterer potentieller Buchpreisträger aus dem Beck Verlag auf, aber auch lokale Größen wie Michi Herl und Berggrößen wie Reinhold Messner. Etwas Besonderes ist der Donnerstagabend, bei dem eine Party der Frankfurter Verlage stattfindet, nicht aller, aber auch mit dem Eichbornverlag, die bisher immer alleine feierten. Es lohnt also sehr, sich das Programm zu besorgen und die untere Webseite zu studieren.
Zu dem Titel OPEN BOOKS fällt uns nichts anderes mehr ein, als daß die Kulturleute wohl zu faul waren, sich einen prägnanten deutschen Titel auszudenken. Denn dieser Titel mit englischen Worten ist zwar prägnant, aber weder englisch noch aussagekräftig. Wir haben mal ein paar Muttersprachler – Engländer und Amerikaner – befragt, was sie sich darunter vorstellen. Kopfschütteln war die einzige Antwort. Das ginge uns auch so, wenn einer ein Vorhaben „Offene Bücher“ nennt. Im Deutschen wie im Englischen gibt es die bildhafte Wendung, in einem Gesicht wie in einem offenen Buch zu lesen. Aber darum kann es ja hier nicht gehen. Wir geben übrigens den Ärger der von uns Angesprochen über das Primitivenglisch, dessen sich die Deutschen hier bedienen, gerne an die Veranstalter weiter.
Sicher wird das erstmalige Vorhaben ein richtiger Erfolg. Wir wollen dazu beitragen und freuen uns dann auf eine Umbenennung der Veranstaltung. Wenn Karl Kraus das noch erlebt hätte.