Nur die Sonne war Zeuge – Auf „Kleine Verbrechen“ wartet man in Christos Georgious Inselkomödie vergebens

Szene aus dem Film "Kleine Verbrechen"

“Ein großer Fall für eine kleine Insel”, verspricht der Untertitel. Doch eine so kleine Insel, dass die Filmereignisse ein großer Fall wären, gibt es nicht. In Christos Georgious Komödienversuch geschieht nichts. Das Inselchen, auf dem sich die Nichtigkeiten abspielen, liegt irgendwo in Griechenland und ist so sonnig, blau und weiß, wie es Reiseprospekte versprechen. Touristen sind allerdings Mangelware, weswegen eine der Inselbewohnerinnen vom Bau eines Vergnügungsparks fantasiert. Das Modell dazu wird später in Flammen aufgehen, angezündet von den Hauptfiguren. Diese Innovationsfeindlichkeit umarmt der Film gütig. Würde die Welt nicht stillstehen, wäre es aus mit der Betulichkeit. Das will doch niemand, oder? Zu Anbeginn möchte zumindest der Ortspolizist Leonidas (Aris Servetalis) aus dem öden Dorf fortkommen. Auf der paradiesischen Insel existiert keine Kriminalität. Also ruft Leonidas Nacktbader zur Ordnung und erteilt Straßenverkehrsverwarnungen. Dies soll ihn kauzig und sympathisch erscheinen lassen. Durch Servetalis verbissenes Spiel wirkt Leonidas, der andere um seines Überlegenheitsgefühls willen auf ihre Gesetzesübertretungen hinweist,  wie ein schikanierfreudiger Ordnungsfanatiker. Als eines – selbstverständlich schönen – Tages die Leiche des älteren Ortsherumtreibers Zacharias (Antonis Katsaris) gefunden wird, frohlockt Leonidas. Endlich ist ein Kriminalfall zu lösen. Von hier an quält der auch für das Drehbuch verantwortliche Regisseur Georgiou sich und das Publikum durch die müde Handlung. Selbst bei unter neunzig Minuten Länge ist diese ermüdender als die griechische Mittagshitze. Die hübsche Fernsehmoderatorin Angeliki (Viki Papadopoulou) kehrt zurück in ihren kleinen Heimatort. Zwischen ihr und Leonidas gibt es ein bisschen Liebelei, ein bisschen Zaudern, ein bisschen Streit. Weil die Sonne nicht nur vom Himmel, sondern im Herzen scheint, versöhnen sich beide selbstredend.

Und der Todesfall? Interessiert niemanden. Nicht die gelangweilten Zuschauer und nicht die Anwohner. Von ihnen hat jeder seine eigene Theorie über Zacharias Verscheiden. So muss Zacharias ein ums andere Mal in der Vorstellung von Leonidas, der mit dem Zuschauer das Pech hat, sich die Vermutungen anhören zu müssen, sterben. Einzig hier, in der Visualisierung der verschiedenen möglichen Todesarten entfaltet “Kleine Verbrechen” einen Hauch Pointiertheit. Doch die Kurzszenen entschädigen nicht für die Belanglosigkeit des geistlosen Films. Krimi, Komödie und Romanze will “Kleine Verbrechen” in einem sein. Doch Georgious inszeniert sein Filmchen so ideenarm, dass ihm nichts davon gelingt. Die eindimensionalen Charaktere schlagen sich mit aufgebauschten Alltagsproblemen herum und sind mit ihren Eigenheiten enervierend statt liebenswert-kurios. Was der Film als landesüblichen Pragmatismus verstanden sehen will, ist schlecht verhehlte Gleichgültigkeit der Ortsbewohner gegeneinander. Der Tod eines ihrer Mitmenschen bewegt sie nicht. Die Leiche Zacharias ´ packt Leonidas mal eben zum Kühlhalten in den Wagen des Eisverkäufers. Danach essen er und der  Eismann die auftauenden Süßwaren. Dies könnte schwarzhumorig sein, gesellschaftskritisch, sarkastisch, skurril. Doch nichts davon vermag Georgious der Szenen abzugewinnen. Wortwörtlich in letzter Minute glaubt man plötzlich, der Regisseur werde das Ruder noch herumreißen. Eine wunderbare Pointe bietet sich an, eine milde Wiedergutmachung für die erlittenen Langeweile und angemessene Strafe für den unsympathischen Leonidas. Nein, währen der Abspann noch läuft, stellt “Kleine Verbrechen” klar, dass der Film es ernst meint mit seiner Humorlosigkeit.

Die konservative Botschaft, man solle ja unter sich auf der Insel bleiben und Stadtleben und Karriere in den Wind schlagen, ist so überflüssig wie der gesamte Film. Wenn dieser aus Hollywood käme, wenn es eine richtig üble Kitschschnulze wäre, könnte man sich zumindest genüsslich darüber aufregen. Doch sogar dafür ist das Werk zu inhaltsleer. In die Sparte “Kleine Verbrechen” der filmischen Art fällt Georgious Sommerkomödie. Dabei gilt für kleine genau wie für große: Verbrechen lohnt sich nicht. Auch nicht für den Zuschauer.

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Deutscher Titel: Kleine Verbrechen

Genre: Krimi-Komödie

Land/Jahr: Deutschland/Griechenland/Zypern 2008

Kinostart: 18. Juni 2009

Regie und Buch: Christos Georgiou

Darsteller: Aris Servetalis, Viki Papadopoulou, Antonis Katsaris, Mara Barola

Verleih: Neue Visionen Filmverleih

Internet: www.kleine-verbrechen.de

Laufzeit: 88 Minuten

FSK: Ab 6

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