Und den Erfindergeist des Thüringers Hans Renner und des Sachsen Peter Riedel zu würdigen. Beide haben mit innovativen Neuerungen dazu beigetragen, das Skispringen zu einem Publikums-und TV-Spektakel werden zu lassen.
Thüringer Skifreunde gedachten Anfang des Jahres Hans Renner, der im zurückliegenden Sommer 95 Jahre alt geworden wäre. Der Zella-Mehliser, 1970 kurz vor dem 51. Geburtstag unerwartet verstorben, war von 1954 bis 1970 Trainer der DDR-Skispringer. Er führte seine Schützlinge mit Harry Glaß (Olympiabronze 1956), Werner Lesser und Helmut Recknagel (u.a. Olympiasieger 1960, Holmenkollen- und drei Mal Vierschanzen-Tourneegewinner) in die Weltspitze.
Und er revolutionierte das Skispringen, weil er das Sommertraining als Grundlage für Topleistungen im Winter propagierte. Nach ersten Versuchen mit Unterlagen aus Stroh und Tannennadeln, erfand Renner das Sommerspringen auf mit Wasser angefeuchteten Kunststoff-Matten (PVC/Polyvinylchlorid). Bereits 1954 wurde auf der Jugendschanze in Oberhof die Premiere eines Wettbewerbs auf diesem Belag durchgeführt. Allerdings ohne groß publiziert zu werden, denn man wollte die Konkurrenz auf dieses neuartige Trainingsmittel nicht aufmerksam machen”¦
Renner, später mit höchsten DDR-Sport-Orden dekoriert, war trotz der Planwirtschafts-Umgebung ökonomisch so clever, sich diese Idee nach marktwirtschaftlichem Kalkül patentieren zu lassen. Versehen mit der Bedingung, dass die Kunststoff-Matten nur in DDR-Kombinaten hergestellt werden dürfen. Diese Einschränkung, die dem Staat und in geringem Anteil dem Erfinder Deviseneinnahmen bescherten, galt bis Mitte der 70-er Jahre.
Aus dem Sommertraining auf Matten ist mittlerweile eine Grand Prix-Tour mit TV-Übertragungen samt Preisgeld für die Akteure geworden. Einer Meisterschaft dieser Art hat der Weltskiverband FIS aber bis heute nicht zugestimmt.
Renners Idee war seinerzeit von der Absicht geprägt, den Standortnachteil des DDR-Skisports mit zeitlich begrenzter Schneesicherheit wettzumachen.
Zugleich war es eine vorweg genommene Reaktion auf den aktuell immer sichtbarer werdenden Klimawandel.
Anlaufspuren ganzjährig für Skispringen nutzbar
Dessen Folgen sind zugleich die Grundlage für die Erfolgsgeschichte der Peter Riedel GmbH sports technology. Die Firma aus dem erzgebirgischen Raschau-Markersdorf, verwaltungstechnisch zu Sachsen gehörend, stellt als technologische Antwort auf die globale Klimaerwärmung modernste Skisprung-Anlaufspuren her.
Die sind ganzjährig oder saisonal nutzbar. Unabhängig vom Schneeangebot, trotz Wärmeeinbrüchen, Regen, Wind oder anderen Wetterunbilden.
Denn die schmale Anlaufspur herzurichten oder zu halten, war und ist immer anfälliger, aufwendiger und teurer als die Planierung des Aufsprunghanges mit Kunst- oder Naturschnee. Für Letzteres können Schneeraupen und moderne Technik eingesetzt werden. Die Präparierung der Anlaufrinnen war überwiegend mühselige Handarbeit.
Den Ausweg bietet Peter Riedel, Diplomingenieur und Geschäftsführer der sporst techology GmbH, mit seinen Angeboten: Anlaufspuren für Sommer- und Winterbedingungen. Mit Gleitelementen aus Spezial-Porzellan oder Direkteiskühlung der Spur (Eisspur bis 7,5 cm dick), die selbst bei sommerlichen Temperaturen faire Bedingungen garantiert.
„Ich habe damit Überlegungen meines Vaters aufgegriffen und weiterentwickelt“, erklärt Riedel, Junior. Eberhard Riedel, der „Blitz vom Fichtelberg“, war wie Ernst Scherzer ohne alpines Trainingsgelände in der DDR in die Phalanx der weltbesten Alpinspezialisten eingedrungen. Verfasste nach seiner Karriere auf Anordnung der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) Leipzig für sein Trainer-Staatsexamen eine Diplom- Arbeit über Zusammenhänge zwischen Ski, Belägen, Anlaufspuren und der Anfahrtsgeschwindigkeit beim Skispringen.
Sein Wunsch, sich darin mit dem Alpinsport zu befassen, war abgelehnt worden, weil die staatliche Förderung des alpinen Bereichs wegen Perspektivlosigkeit – nur Mittelgebirge zum Training – so gut wie beendet wurde.
Riedel Junior legte die sportwissenschaftlichen Erkenntnisse seines Vaters bei der Entwicklung seiner Firma seit 2003 zugrunde.
Heute werden Schanzen mit seinen Anlaufspuren betrieben – in Deutschland (Oberwiesenthal, Garmisch-Partenkirchen, Winterberg, Pöhla). Sowie in Norwegen (mit Trondheim 2010 gelang der Durchbruch), Russland, Frankreich, Österreich, der Schweiz, Japan. Zusätzlich liefert das Unternehmen Wartung, Mess- und Datentechnik, Spezialteppich-Systeme im Landebereich für innen und außen und sogar kleinere, mobile Schanzenanlagen.
Besonders stolz ist Peter Riedel (51) über die Kooperation mit dem Österreichischen Ski-Verband, für den er eine Teststation mit drei Anlaufspuren in Ramsau eingerichtet hat. Dort holt sich die dominierende Skisprung-Nation der letzten Jahre das Know-how über den mitentscheidenden Weitenfaktor Anlaufgeschwindigkeit.
Der SC Partenkirchen in Garmisch hofft, mit der Bestückung einer Normalschanze HS 89 mit einem Doppelspursystem ganzjährig optimale Trainingsbedingungen zu schaffen. Und damit seinen Status als deutsches Trainingszentrum auszubauen und zu festigen. Den Österreichern beispielsweise hat Riedel solch eine Möglichkeit in Hinzenbach installiert.
Schweizer investieren sieben Millionen Franken
Ein anderes Projekt ist die Ausstattung des Schweizer Nordischen Skizentrums in Kandersteg. Sieben Millionen Schweizer Franken sind für den Umbau und die ganzjährige Nutzung von drei Schanzen eingeplant. Peter Riedel: „Mit dieser Region verbindet meine Familie viele Erinnerungen, seit mein Vater in Adelboden 1961 als erster Deutscher den Riesenslalom gewinnen konnte. Daher freut es mich sehr, dass wir diesen Auftrag erhalten haben und mit Uli Wehling als Geschäftsführer des Skizentrums zusammenarbeiten können.“
Wehling stammt wie Riedel Senior aus Oberwiesenthal, war für die DDR dreimaliger Olympia-Rekordsieger in der Nordischen Kombination und nach dem Mauerfall Renndirektor des Weltverbandes FIS mit Sitz in der Schweiz.
Die guten Kontakte dahin haben auch zur Beteiligung an einem Spezialauftrag geführt. In der Luft- und Raumfahrthalle des Verkehrsmuseum Luzern können demnächst Besucher auf einer Indoor-Schanze, eingehakt in Seilen, Anlauf und Fluggefühl ein wenig nachempfinden.
Das Museum und Riedel versprechen „ein echtes Skisprungerlebnis“.
Aus dem Leistungssport-Kombinat SC Traktor Oberwiesenthal zu DDR-Zeiten, seinerzeit Heimstatt auch von Eberhard Riedel und Uli Wehling, ist übrigens der WSC Erzgebirge Oberwiesenthal geworden. Seit Dezember steht ihm ein neuer Präsident vor – der agile Unternehmer und Netzwerker Peter Riedel.