Kahlberg, Krynica Morska, Polen (Weltexpress). Auf Polnisch heißt er: Kanał żeglugowy na Mierzei Wiślanej. Zu sperrig für deutsche Zungen.
Gemeint ist der EU-geförderte und seit 2017 im Bau befindliche Schifffahrtskanal durch die Frische Nehrung ins Frische oder Weichsel Haff. Seit dem 17. September 2022 verbindet er offiziell das flache Binnengewässer mit der Danziger Bucht.
Damit kann ein Segler von der Ostsee ins geschützte Frische Haff bei Krynica Morska/Kahlbude einlaufen und die alte Hansestadt Elbing ansteuern. Motorbooten steht dann sogar der malerische Oberländer Kanal (siehe Beitrag in diesem Buch) bis Iława /Deutsch-Eylau mit seinen berühmten Schiffsliften zur Verfügung. Bislang war das nicht möglich, weil der nördliche Teil des Haffs russisches Sperrgebiet und damit für westliche Wasserwanderer nicht passierbar ist. Der polnische Infrastrukturminister Andrzej Adamczyk sagte in seiner Eröffnungsansprache dazu: „Dies ist eine strategische Investition für Polen. Dadurch ist es das erste Mal in der Nachkriegsgeschichte möglich, das Weichsel-Haff ohne die russische Küstenzone zu befahren. Gerade heute, im Angesicht des Krieges, kann man sehen, wie richtig die Entscheidung der Regierung war, mit diesem Projekt zu beginnen“.
Die polnische Marine kann jetzt endlich auch diese Küstenabschnitt aktiv schützen.
Auch für Kreuzfahrtschiffe
Der Kanal, für den eine 200 Meter breite Schneise in den Wald geschlagen wurde, hat eine Länge von 1,3 Kilometern, eine Breite von 40 Metern an der Kanalsohle, 80 Meter an der Oberfläche und eine Tiefe von fünf Metern. Schiffe mit einer Länge von 100 Metern, einer Breite von 20 Metern und einem Tiefgang von vier Metern können ihn passieren. Damit auch kleinere Kreuzfahrtschiffe. Die Sechs-Kilometer-Strecke vom Kanalausgang bis in die alte Hansestadt Elbing soll sogar noch vertieft werden. Am Südende hat er eine Schleuse und zwei bewegliche Klappbrücken. Die Schleuse soll das Eindringen von Salzwasser aus der Ostsee in das Haff weitgehend verhindern. Seeseitig ist außerdem ein Schutzhafen mit Wellenbrechern gebaut worden, im Haff eine künstliche Insel, die bereits von einer Vogelkolonie besiedelt worden ist.
In Mecklenburg-Vorpommern gab es ähnliche Pläne, das Fischland an der engsten Stelle nahe Wustrow und den Darß bei Prerow zu durchstoßen. Mit dem Argument der Umweltschützer, dass das Salzwasser die Boddenfauna und -flora bedrohe, hat man beide fallengelassen. Wobei Ostsee-Salzwasser aus dem Gellenstrom zwischen Hiddensee und Festland ohnehin in den Barther Bodden fließt und dort Brackwasser entstehen lässt, dessen Fauna und Flora durch diesen natürlichen Prozess nicht ge-, geschweige denn zerstört wird. In Polen hat man für den Durchstich die Schleusenlösung gefunden.
Bereits Friedrich II. hatte einen Kanalbau durch die Frische Nehrung erwogen. Nach der ersten polnischen Teilung 1772 kam Elbing zu Preußen, während Danzig bei Polen blieb. Der König wollte Elbing zu einem Konkurrenten zur Stadt an der Mottlau machen. Friedrich II. starb 1786. Nach der zweiten polnischen Teilung 1793 kam Danzig zu Preußen. Damit wurde der Kanalbau überflüssig.
Heute ein Segel- und Motorbootrevier mit Zukunft
1874 machte der einflussreiche Danziger Stadtarchitekt Julius Albert Licht den Vorschlag, das Frische Haff weitgehend trockenzulegen und als fruchtbares Polderland landwirtschaftlich zu nutzen. Diesen Gedanken griff Ende der 1920er-Jahre der Elbinger Stadtrat auf und stellte 1932 eine Denkschrift über die Trockenlegung des Frischen Haffs und den Durchstich durch die Frische Nehrung bei Kahlberg vor.
Etwa 65 Prozent des Haffs sollten trockengelegt werden. Auf rund 540.000 Hektar Neuland hätten dann bis zu 13000 angeworbene Siedlerfamilien wirtschaften können, geschützt durch Deiche, Pumpwerke und Meliorationsgräben. Bestehen bleiben sollten nur die Gewässer am Pillauer Seetief mit der Fahrrinne nach Königsberg, und Elbing sollte durch einen sechs Meter tiefen Kanal zum Nehrungsdurchstich bei Kahlberg mit der Ostsee verbunden werden. Ein zweiter Kanal durch die trockengelegte Nehrung war nach Königsberg geplant. Nach Hitlers Machtübernahme 1933 geriet der Plan schnell in Vergessenheit.
Der neue Kanal ist überwiegend durch EU-Fördergelder finanziert worden. Die Region werde durch den intensivierten Wassertourismus nachhaltig gefördert werden, sind sich die Wirtschaftsfachleute rund um das Frische Haff und darüber hinaus einig. Dazu gehört auch Lukasz Krajewski, der als erster eine heute bereits beachtliche Hausboot-Flotte in Rybina/Fischerbabke an der Königsberger Weichsel im Westen des Haffs aufgebaut hat. Für sein zukunftsweisendes Engagement wurde er vom polnischen Tourismus-Verband ausgezeichnet.