Nervende Nager – „Alvin und die Chipmunks 2“ fressen sich durch Nerven und Trommelfell der Kinozuschauer

 

Den Aufstieg der singenden, sprechenden Streifenhörnchen Alvin (Sprecher: Justin Long), Simon (Matthew Gray Gubler) und Theodore (Simon McCartney) zu umschwärmten Popstars zeigte das erste Leinwandabenteuer der Chipmunks. Unter der Obhut ihres menschlichen Ziehvaters Dave Seville (Jason Lee) feiern Alvin und seine Brüder Charterfolge. Ein Marilyn Manson Konzert ist nichts gegen die Auftritte der Chipmunks, bei denen es so wild zugeht, dass Dave schwer verletzt im Krankenhaus landet. Unfälle finden Kinder total lustig, scheint Regisseurin Thomas zu glauben, und lässt, weil es so schön war, kurz darauf Daves Tante in ihrem Rollstuhl die Treppen runter stürzen. Nachdem der Krankenwagen sie abtransportiert hat, muss ihr Neffe Toby (Zachary Levi) die Chipmunks betreuen. Der von Computerspielen besessene Spätentwickler schickt die Chipmunks zur Schule, wo sie sich nicht nur gegen die Klassenanführer behaupten müssen. Musikalisch bekommen „Alvin und die Chipmunks“ von den weiblichen Streifenhörnchen „Chipettes“ Konkurrenz. Deren Ziel: „Wir wollen auch Stars werden. Und mit den Chipmunks rumhängen.“. Als Zuschauer verspürt man nicht unbedingt diesen Wunsch. Knapp unter der Ultraschallgrenze trällern die Quiekstimmen fortan abwechselnd Popsongs, bis alle zum großen Finale als Sextette auf der Bühne herumhüpfen.

In den USA sind „Alvin und die Chipmunks“ das, was man in der vergänglichen Serienwelt des Fernsehens ein Phänomen nennt. Im letzten Jahr wurden die vermenschlichten Tierfiguren fünfzig Jahre alt. Für Streifenhörnchen ein biblisches Alter, welches die Angst schürt, die Nager seien unverwüstlich. Die Filmproduzenten stellen ihnen zur Sicherheit dennoch die „Chipettes“ an die Seite. „Singende Chipmunks – gähn! Aber singende Chipmunk-Mädchen – wow!“, freut sich Ian Hawk (David Cross), der durchtrieben Manager der „Chipettes“. Frischen Wind bringen die drei Nagermädchen nicht in den grellen Kinderfilm. Die drei sind die weiblichen Doppelgänger der auf die Stereotypen des tollpatschigen Dicken, wagemutigen Anführers und schlauen Brillenträgers reduzierten Chipmunks. Dass sich die Chipmunks in ihre weiblichen alter egos verlieben, scheint reine Selbstvernarrtheit. Um die plumpen Streiche der Hörnchen-Bande in abendfüllender Länge durchzustehen, muss man ein dickes Fell haben. Für die Gesangseinlagen braucht es ein noch dickeres Trommelfell. Die von den zwei Nagertrios fabrizierten Lieder ätzen sich dem Zuhörer ins Gedächtnis. Vermutlich kann höchstens jahrelange Psychotherapie die Streifenhörnchen-Gesänge aus dem Gedächtnis traumatisierter Kinder tilgen. An die Titelmusik der Fernsehserie erinnert man sich so noch nach einem guten Jahrzehnt. Beweis erforderlich? „We are the Chipmunks! C-H-I-P-M-U-N-K… Alvin, Simon, Theodore.“

Dass die Lieder der Chipmunks an eine zu schnell abgespielte Schallplatte erinnern, ist kein Zufall. So erzeugte Ross Bagdasarian, Erfinder der Chipmunks, deren Stimmen. Bagdasarians Künstlername war Dave Seville. Der geistige Urheber von „Alvin und die Chipmunks“ glich wohl mehr dem Charakter des geldgierigen Ian Hawk. Ausgerechnet der Fiesling ist der erträglichste der Protagonisten. Hat ein Publikum, dass statt einer Originalplatte der Bee Gees lieber eine von Streifenhörnchen gesungene Alternativversion hört, nicht verdient, dass man ihm das Geld aus der Tasche zieht? Angesichts der dümmlichen Witze und eindimensionalen Charaktere würden selbst Tierfreunde den Kammerjäger ins Kino rufen.

Titel: Alvin und die Chipmunks 2 – Alvin and The Chipmunks 2

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Trickfilm

Start: 24. Dezember

Regie: Betty Thomas

Drehbuch: Jonathan Aibel, Glenn Berger, Chris Viscardi

Darsteller: David Cross, Zachary Levi, Jason Lee

Laufzeit: 91 min.

Verleih: Fox

www.fox.de

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