Neofaschistische Provokation in Berlin-Friedenau – Aktivistin der Initiativgruppe Stierstrasse wird von Antisemiten bedroht

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Die Initiativgruppe Stierstrasse hat in den vergangenen Jahren Nachforschungen über die Juden aus der Stierstrasse angestellt und vor ihren Häusern Stolpersteine verlegen lassen. Inzwischen liegen in der Stierstrasse 54 Stolpersteine. Morgen, Mitwoch, sollen drei weitere Stolpersteine hinzukommen. Mit den Stolpersteinen wird vielen unbekannten Naziopfern in ganz Europa ihr Name wiedergegeben, denn sie haben kein Grab. Im jüdischen Glauben ist der Name jedes Verstorbenen sehr wichtig. Ihre Namen zu dokumentieren ist eine humanitäre Tat. Und es klagt die Täter an.
Das begreifen auch die Neofaschisten. Am 28. und 29. März 2013 beschmierten und beschädigten sie in Friedenau mehr als 100 Stolpersteine. Die Wohnungstür des Mitglieds der Initiativgruppe, Petra Fritsche, beschmierten sie mit der Inschrift: »Vorsicht! Juden-Freundin!«. In der Öffentlichkeit regten sich Empörung und Solidarität. Die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), fand es unerträglich, dass die Naziopfer durch die Schändung noch einmal ermordet werden. Gemeinsam mit Schulkindern und Erwachsenen schruppte sie die Stolpersteine wieder sauber. Und – der Staatsschutz ermittelte! Täter wurden nicht gefunden, aber sie waren gewarnt. Wirklich?

Die Friedenauer Aktivisten klebten in den letzten Tagen in ihrem Stadtteil Hunderte Einladungen zur Verlegung der Stolpersteine am 19. März an die Haustüren.  Am Sonnabend fand Petra Fritsche in ihrem Briefkasten abgerissene Einladungen und das Pamphlet: »Gestern geklebt – heute schon wieder abgerissen: Innerhalb von vierundzwanzig Stunden haben wir vom Anti-Stolpersteinprojekt erneut die Friedenauer Strassen von Eurer abscheulichen zionistischen Gutmenschen-Propaganda befreit. Auch in Zukunft bleiben wir wachsam und werden unsere Aktionen gegen Euch ausweiten! Schluss mit dem Schuldkult – Friedenau stolpersteinfrei machen!«
Was ist jetzt los? Richtet sich die rassistische Hetze nur gegen die Ehrung von Toten und gegen Bürger, die ganz einfach mit menschlichem Anstand handeln? Stolpersteinfrei heißt judenfrei.

Bürgerinitiativen entwickelten sich in der Bundesrepublik als demokratische Form der Mitsprache von Bürgern in ihren eigenen Angelegenheiten. Oft konnten sie die Korrektur oder Rücknahme von falschen Verwaltungsentscheidungen durchsetzen, zum Beispiel die Aufhebung des Baustops beim Bau der U-Bahn in Berlin-Pankow oder den Verzicht des Konzerns Vattenfall auf die Verpressung von CO2 im Brandenburger Boden. Genau so oft werden sie von Unternehmern, Bürgermeistern und Beamten als Chaoten und Spinner diffamiert. Doch jetzt gibt es eine neue Qualität. In den letzten Monaten organisierten sich in Berlin »Bürgerinitiativen« gegen Asylbewerberheime in Hellersdorf, Pankow und Adlershof. In Hellersdorf steckten Neonazis dahinter. Nun regen sich neuerdings »Projekte« und »Antiprojekte« als angeblicher Bürgerwille.

Eindeutig faschistisch artikuliert sich das »Anti-Stolpersteinprojekt« in Friedenau. Es hetzt gegen eine »abscheuliche zionistische Gutmenschen-Propaganda« und droht mit der Ausweitung seine Aktionen »gegen Euch.« Die Art der »Aktionen« behält es sich vor.

Wie kommt es, dass die Faschisten die Deckung verlassen und immer offener ihr Gesicht zeigen? Wollen die Antiprojekt-Mitglieder zeigen, dass sie auch ohne NSU da sind? Ihre Aggressivität wächst auf einem Boden, auf dem das Bundesverwaltungsgericht neofaschistische Kundgebungen auch am Holocaust-Gedenktag für zulässig erklärt. Aber was regen wir uns auf? Der Staatsschutz ermittelt!

Übergabe der Stolpersteine am Mittwoch, 17 Uhr, Stierstrasse 19, 12161 Berlin-Friedenau

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