Moldt hat nun Menschen befragt, die freiwillig oder unfreiwillig aus dem normalen Arbeitsalltag in der DDR ausgestiegen sind. Da gibt es den Bühnentechniker, der auf eigene Faust eine neue Arbeitsstelle sucht und dabei scheitert – Knast und Arbeitsplatz-Zuweisungen folgen und verlangen geschickte Ausweichmanöver. Eine Modellbauerin möchte selbst bestimmen, wo sie arbeitet, eine Malerin verdient mit Nebenjobs Geld zu Überleben und Malen, ein ehemaliger Schauspieler gründet ein Künstlerkollegium und ein Behinderter eine Kommune. Was romantisch und freibestimmt anmuten mag, musste hart erkämpft werden und schlingerte stets am Rande zur Kriminalität. Ohne festen Arbeitsplatz geriet ein DDR-Bürger unter den Verdacht der „Asozialität“, die wiederum mit Gefängnisstrafen geahndet wurde. Dirk Moldt beschreibt auf 70 Seiten Entwicklungsstufen von Lohnarbeit und Arbeitsverweigerung in der DDR und widmet den zweiten Teil des Buches den Interviews, die nach einem vierteiligen Fragenspiegel sortiert sind. Das macht Spaß zu lesen, denn die Antworten fallen völlig verschieden aus – oder ähneln sich. Hier werden persönliche und politische Motive untersucht, die Reaktionen von Familien und Staat und die Folgen der Wende von 1989 auf die Lebensläufe der zwölf Protagonisten. Es ist ein lebendiges, erfrischendes Buch entstanden, das durchaus ein aufregenderes Lay-out und einige Fotos vertragen hätte. Auf der Buchpremiere haben Sie die Chance, zwei der Protagonisten und den Autor kennenzulernen!
Ausschnitt Franka Silberstein zu ihrer Motivation für den Ausstieg: „Ich wollte ja alles Mögliche. Ich wollte Restauratorin werden oder Schleusenwart”¦ Ja, die kaputten Figuren auf dem Bodemuseum reparieren, das hätte ich echt gern gemacht. Ach ja, und ich wollte auch mal Köchin auf einem Hochseedampfer werden. Aber mit Westverwandtschaft ging das nicht, und das mit der Stukkateurlehre ging irgendwie auch nicht, und dann habe ich eben erst mal Bautischler gelernt”¦“
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Dirk Moldt, Nein, das mache ich nicht! Selbstbestimmte Arbeitsbiographien in der DDR, 172 S., Ch. Links Verlag, Berlin 2010, 29,90 €