Berlin, Deutschland (Weltexpress). Schon die Überlegungen der Bundeswehr zum Ablauf eines angenommenen russischen Angriffs auf die NATO waren wirklich komisch. Das, was der britische Telegraph jetzt veröffentlicht hat, setzt dem aber noch die Krone auf. Das ist Militärplanung auf Habeck-Niveau.

Irgendwie noch eine Runde absurdes Theater, diese tollen NATO-Pläne, US-Truppen an eine Front gegen Russland zu befördern. Auch wenn die Vorbereitungen in diese Richtung schon wesentlich länger laufen, als der britische Telegraph es schreibt, der behauptet, die Strecken für die Logistik seien seit dem NATO-Gipfel in Vilnius im vergangenen Jahr von allerhöchster Priorität. Schließlich werden schon seit Jahren Brücken Richtung Osten innerhalb der EU für die Last westlicher Panzer aufgerüstet, die immerhin um die sechzig Tonnen wiegen.

„Die vorhandenen Pläne lassen die US-Truppen in niederländischen Häfen landen, ehe sie in Züge steigen, die sie durch Deutschland und weiter nach Polen bringen.“

Ja, Erdkunde ist ein schweres Fach. Polen hat nur eine Grenze mit Russland, die verläuft um Kaliningrad. Ansonsten grenzt Polen an Weißrussland und – vorerst – an die Ukraine. Aber es gibt natürlich einen harten materiellen Grund, warum in Polen Schluss ist. Die Sowjetunion war nämlich geschickt und hat ein kleines logistisches Hindernis eingebaut, das bisher auch nur von einer einzigen Spur bis kurz hinter die ukrainische Grenze überwunden wurde – die Eisenbahnstrecken haben eine andere Spurweite als in Westeuropa. Und es ist zwar technisch möglich, den Radunterbau auszutauschen, aber das dauert doch ein wenig. Das will man nicht wirklich tun, unter Kriegsbedingungen und in Raketenreichweite, einen Stau von Zügen mit militärischem Gerät an einem einzigen Punkt verursachen, weil die Züge an die Spurweite angepasst werden müssen …

„Wenn die NATO-Truppen, die aus den Niederlanden kommen, von russischem Bombardement getroffen oder die nordeuropäischen Häfen zerstört werden, will die Allianz ihren Schwerpunkt auf Häfen in Italien, Griechenland und der Türkei verlagern.“

Heute soll der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu erklärt haben, sein Land wolle einen Beitrittsantrag für BRICS stellen. Weil es da so gewisse alte Reibungen gibt, kann man übrigens davon ausgehen, dass die Griechen genau dahin gehen, wohin die Türken gehen. Was dann in diesem Fall hieße, ebenfalls zu BRICS. Gibt es eigentlich schon einen Unvereinbarkeitsbeschluss der NATO eine BRICS-Mitgliedschaft betreffend? Kommt sicher noch.

„Von den italienischen Häfen könnten die US-Truppen über Land durch Slowenien und Kroatien nach Ungarn gebracht werden, das eine gemeinsame Grenze mit der Ukraine hat.“

Den Kommentar von Viktor Orbán dazu kann ich mir schon lebhaft vorstellen. Ich schätze mal, an der ungarischen Grenze ist Schluss, spätestens, außer, sie wollen sich den Weg freikämpfen. Die anderen Varianten sind ebenso lustig, die führen nämlich durch Bulgarien. Und das hat zwar eine westorientierte Regierung, aber eine sehr russlandfreundliche Bevölkerung, was womöglich eine Rolle spielen könnte, wenn man da unbedingt durchwill, um gegen Russland …

Die Route Norwegen–Schweden–Finnland käme dann noch in Frage, zumindest, solange es Sommer ist. Im Winter könnte es das kleine Problem geben, dass die NATO nicht viele Eisbrecher hat, ganz im Gegensatz zu – Russland.

Aber das ist eigentlich alles Pillepalle. Der wahre Denkfehler liegt an ganz anderer Stelle. Und das müssten die USA eigentlich zumindest in den Archiven ihrer Flotte noch finden können. Wenn sie noch wissen, wie man so etwas sucht.

Bemerkt? Es wird so getan, als sei die Strecke von der Küste der Vereinigten Staaten bis in einen europäischen Hafen überhaupt kein Problem. Vielleicht, weil man dem Aberglauben anhängt, sobald man genug Flugzeugträger hatte, habe es ja während der Blockade Englands auch geklappt. Das war übrigens eine der verlustreichsten Fronten für die US-Marine, die Begleitung der Schiffe, die damals die Versorgung Großbritanniens sicherstellten, und die Flugzeugträger waren deshalb wichtig, weil sie die Reichweite erhöhten, auf die feindliche U-Boote bekämpft werden konnten.

Blöd nur, dass die Reichweite der Fluggeräte auf heutigen US-Flugzeugträgern unter der Reichweite neuerer russischer Antischiffsraketen liegt. Selbst wenn man nicht gleich das Szenario aufmachen will, dass auch die Ausgangshäfen angreifbar sind – meint da wirklich irgendjemand in Brüssel, diese Pötte könnten mit Tausenden US-Soldaten in aller Ruhe durch den Atlantik schippern, wenn Russland bereits weiß, dass es sich im Krieg mit der NATO befindet? Um aus reinem Masochismus die Gelegenheit verstreichen zu lassen, die ganze Lieferung auf einen Schlag auf den Meeresgrund zu schicken, weil es irgendwie doch sein muss, dass Material und Personal auf Zügen durch Deutschland und Polen oder Slowenien und Kroatien oder Bulgarien fahren?

Alexander Sollfrank, der für die Logistik zuständige NATO-General (ausnahmsweise steckt hinter diesem deutschen Namen tatsächlich ein Deutscher, kein Ami), ein Fürther, der – wieder mal so ein unappetitlicher historischer Anklang – im Laufe seiner Karriere auch schon einmal die Gebirgsjägerbrigade 23 kommandiert hatte, die mit dem Edelweiß und dem Bezug zu einer der verbrecherischsten Einheiten der Wehrmacht, und danach das Kommando über die KSK übernahm, klagt nur, dass die mangelnde Luftabwehr es schwierig macht, logistische Knotenpunkte zu verteidigen. „Bei der Beobachtung und Bewertung des russischen Krieges in der Ukraine haben wir beobachtet, dass Russland die logistischen Stützpunkte der Ukraine angreift.“ Und daraus schließt er, dass große Logistikstützpunkte nicht mehr möglich seien.

Womit er ja nicht Unrecht hat, aber ist das wirklich der erste Krieg, in dem logistische Stützpunkte angegriffen werden? Oder hat Sollfrank, seiner ukrainernahen ehemaligen Einheit treu (es waren die Edelweißtruppen, die damals mit dem Bataillon Nachtigall in Lwow einbrachen), nie auch nur einen alten sowjetischen Kriegsfilm gesehen, mit Partisanen, die Benzintransporte sprengen und so?

Nein, das Ganze könnte nur aufgehen, wenn die US-Truppen, die da angekarrt werden sollen, schon längst in Europa wären, ehe Russland auch nur Böses ahnen würde. Das allerdings wäre dann ein Angriff der NATO auf Russland und mitnichten der Angriff Russlands auf die NATO, der immer an die Wand gemalt wird, um derartige Fantasien unschuldig erscheinen zu lassen.

Aber noch einmal, langsam und zum Mitschreiben, für alle, die immer noch von der großen, starken NATO träumen (und, nebenbei, da bleibt zwar nicht viel Schiff übrig, aber die Ergebnisse, sollten tatsächlich große NATO- beziehungsweise US-Einheiten es bis zu einer Front schaffen, und Russland ganz real bedrohen, wären noch viel weniger nett): Es gibt keinen, ganz und gar keinen Grund, anzunehmen, dass die Strecke hin zu europäischen Häfen im Falle eines militärischen Konflikts mit Russland auch nur ein Quäntchen sicherer ist als während der Schlacht um England im Jahr 1942. Russland soll ganz gute U-Boote besitzen. Und, wie schon gesagt, ziemlich böse Antischiffsraketen. Da soll es auch vor Hawaii ein Manöver gegeben haben, bei dem mal das Versenken einer Flugzeugträgergruppe geübt wurde.

Es ist nur wirklich witzig, dass ausgerechnet der Schreiber einer britischen Zeitung zwar irgendwie nachgefragt haben muss, wie das denn mit der Luftabwehr aussieht, aber das Stichwort U-Boot nicht einmal erwähnte. Es zahlt sich eben nicht aus, am Geschichtsunterricht zu sparen. Was Sollfrank und die NATO betrifft – vielleicht tun sie ja nur so, als würden sie sich darüber keine Gedanken machen, als Vorkriegslist sozusagen; das würde aber an den ganz materiellen Verhältnissen zwischen US-Schiffen und russischen Raketen wenig bis gar nichts ändern.

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn mit dem Titel „NATO-Pläne: Und dann verschifft man ungestört US-Soldaten nach Europa“ wurde am 4.6.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.

Siehe auch die Beiträge

im WELTEXPRESS.

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