Damit ist nun schon lange Schluß. Längst weiß man, daß Giorgio Vasari mit seinen Lobgesängen der florentinischen Malerei – Betonung der Linie – und der Abwertung der venezianischen – zu viel Farbe – den Kunstgeschmack für Jahrhunderte in seine Richtung orientierte; spät erst kam man darauf, daß ein Florentiner und ein Maler dazu einfach interessengeleitet geschrieben und geforscht hatte. Andererseits sind seine Viten oft das einzige, was von Künstlern noch übrig blieb und sein Verdienst, überhaupt Künstler als eigenständige Wesen in ihrem Lebensweg und ihrer speziellen Kunstverfertigung zu würdigen, darum kunsthistorisch unermeßlich.
Richtig also, daß der Frankfurter Professor Alessandro Nova, der heute in Florenz Direktor des Kunsthistorischen Institutes ist, vor vielen Jahren seine Studenten aufforderte, mit ihm sich an das anspruchsvolle Werk zu machen, den gesamten Vasari – oft gab es mal gerade einen Prachtband, in denen die wichtigsten Künstler gekürzt gesammelt waren – neu zu übersetzen, vor allem aber eine Kommentierung zu leisten. Ein Kommentar ist notwendig, wenn sich Angaben als falsch herausgestellt haben, aber auch, wenn Bilder ihren Standort wechselten – es geht um über 450 Jahre! – , und erst recht, wenn Vasari sich offen parteiisch und unsachlich zeigt. Aus den Studenten sind längst Kunsthistoriker geworden, weitere Fachkollegen haben sich beteiligt, so daß ein bunter Strauß von Fachkundigen nun diese Viten gemeinsam verantworten.
Im neuen Band beginnt es mit Sandro Botticelli, bei dem wir es hier belassen. Damian Dombrowski hat die Einleitung zu des Künstlers Leben verfaßt, die die Widersprüche in den Fassungen von Vasari benennt und auch die eindeutig falschen Aussagen anspricht und korrigiert; „Bei der Biographie Botticellis dürfte es sich , í la longue gesprochen, um eine der wirkungsvollsten Viten handeln, die Vasari überhaupt verfaßt hat. Dies überrascht insofern, als er augenscheinlich weder mit dem Leben noch mit dem Werkt des Florentiner Malers sonderlich vertraut war. Wenige andere Lebensbeschreibungen von Künstlern des späten Quattrocento verraten ein so hohes Maß historischer Unkenntnis, wenn nicht gar willentlicher Manipulation; und doch waren es gerade die krassen biographischen Unwahrheiten, die das Bild des Künstlers nachhaltig geprägt haben.“ (Seite 9)
Andererseits, so fährt der Text fort, hat es für lange Zeit niemanden gegeben, der so scharfsichtig die künstlerischen Qualitäten dieses Meisters erkannt und formuliert hat. Zu den Ungereimtheiten gehört die Dominanz, die Vasari der Rolle der Medicis als Förderer des Malers zuschreibt und die schon von den Jahreszahlen konterkariert wird. Botticelli hatte sich nach der Beauftragung der päpstlichen Sixtinafresken in Rom 1481/82 seine Auftraggeber aussuchen können und erst dann schuf er seine Hauptwerke. Für Vasari jedoch hatte er mit Rom seinen künstlerischen Höhepunkt überschritten und ging angeblich seinem Niedergang entgegen. Die entscheidende Falschaussage, die die Kunstgeschichte bis kürzlich tradierte und die aus den Köpfen schwer zu löschen ist, betrifft die angebliche Hörigkeit Botticellis gegenüber dem Dominikanermönch Savonarolas, der in Florenz die Endzeitstimmung der Zeit nutzte, um die Florentiner zur Buße zu bewegen und in Gottesdemut dem Luxus abzuschwören.
Noch bis vor kurzem lernte man, Botticelli habe deswegen seine Bilder verbrannt. Der Autor legt die Gründe Vasaris für seine abwertende Haltung gegenüber Botticelli dar, die in dem Vorwurf gipfeln, dieser habe ökonomisch sein Talent verschleudert und sich nicht devot genug der Herrschaft gegenüber gezeigt, was für den Anpasser Vasari oberstes Gebot war. Aber nicht nur die moralisierenden Passagen zeigen eine falsche Vita des Malers, auch die Aufzählung seiner Werke erfolgt anachronistisch. Ein so eindrucksvolles Gemälde wie „Minerva und Kentaur“ führt er nicht einmal auf. Alles in allem mehr bewußte und läßliche Fehlinformationen als geschichtliche Wahrheit durch Giorgio Vasari, dessen Botticelli-Vita man dann von Seite 19 bis 34 lesen kann, unterstützt von dem Anhang, der nicht nur die heutige Forschung aufführt, sondern auch die heute als Botticelli zugeschriebenen Werke mit Standort aufzählt. Dombrowski übrigens hat auch das weiter unten angezeigte Wagenbach Salto Büchlein über „Botticelli. Ein Florentiner Maler über Gott, die Welt und sich selbst“ verfaßt, auf dessen Grundlage er einen Vortrag innerhalb der Botticelli-Ausstellung hielt.
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Die Botticelli-Ausstellung im Frankfurter Städel endete am 28. Februar 2010
Weitere Bücher zu Botticelli:
Katalog: Botticelli. Bildnis. Mythos. Andacht, hrsg. von Andreas Schumacher, Verlag HatjeCantz 2009
Da dies die erste monographische Schau in unseren Ländern ist, ist der Katalog wichtig, um all das, was sich an falschem Wissen festgesetzt hatte, herauszubekommen und mit heutiger Erkenntnis anzureichern, denn er steckt voll kluger Essays und Anmerkungen zu den Bildern. Das gilt für die, die zum Schauen der Bilder auch lesen wollen. Aber wer nur den Eindruck aus der Ausstellung von Schönem und Eindringlichem mit nach Hause nehmen möchte, erwirbt auch dieses mit diesem Katalog.
Kunst zum Hören; Botticelli, HatjeCantz 2009
Mit dieser Reihe ist HatjeCantz eine sinnliche Weiterführung von Ausstellung gelungen, wozu die Kombination von Gemälden und der CD gehört. Vor allem die Vergegenwärtigung des Gesehenen kann immer aufs Neue wiederholt werden.
Kinderbuch zu Botticelli, HatjeCantz 2009
So wie auch in Ausstellungen auf Augenhöhe der Kinder versucht wird, durch Texte und Beispiele die Gemälde und der Künstler in den Fragehorizont der Kleinen zu bringen, leistet dies Kinderbuch eine kindgerechte Bildinterpretation und Information, ohne in kindischen Jargon zu verfallen.
Damian Dombrowski, Botticelli. Ein Florentiner Maler über Gott, die Welt und sich selbst, Verlag Wagenbach SALTO 2010
In ungewöhnlicher Art setzt sich der Autor mit dem Maler auseinander, die für Leser natürlich hinreißend ist: Er läßt die Bilder sprechen, siebzehn an der Zahl, die quer durch die Genres religiöse und mythologische Malerei, Altarbilder und Porträts ausgewählt sind. Natürlich ist es der Autor, der seine Reflexionen einbringt. Sehr interessant.
Frank Zöllner, Sandro Botticelli, Prestel Verlag 2005, Neuauflage 2009
Nach Michelangelo und Leonardo legt Frank Zöllner, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, mit diesem überdimensionierten Prachtband seinen dritten Renaissancemeister vor, wobei dieser eben aus der frühen Zeit der Wiedergeburt der Antike kommt, die im übrigen kontinuierlich über das Mittelalter vorhanden blieb. Der Band ist chronologisch aufgebaut und verbindet die Bilder mit dem Leben des Malers. Auch Simonetta Vespucci bekommt ihren Raum.
Frank Zöllner, Botticelli, Verlag C.H.Beck
In dem kleinen Bändchen faßt Zöllner seine Erkenntnisse in der ähnlichen Gliederung wie im Band von Prestel zusammen, wobei gerade die Funktion des Malers als Porträtmaler der Medicis ausgebaut wird. Ein Buch, das man sogar in der Handtasche unterwegs zur Ausstellung sehr gut lesen kann.
Internet: www.staedelmuseum.de