Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Freunde, die den Jahreswechsel in Wien verbrachten, konnten guten Gewissens auf den Besuch der Rubens-Ausstellung im Kunsthistorischen Museum verzichten und sich dem Cafe Central zuwenden – wußten sie doch, das diese Ausstellung bald auch im Frankfurter Städel zu sehen sein wird. Nun wurde das gemeinsame Projekt beider Museen in Frankfurt eröffnet und verspricht nach der Matisse/Bonnard-Ausstellung der nächste Publikumserfolg zu werden.
Sehen – Verarbeiten – Weiterentwickeln
Die umfassende Schau unter dem Motto „Rubens – Kraft der Verwandlung“ verfolgt einen ungewöhnlichen Ansatz. Nicht die Wirkung auf die späteren Künstlergenerationen steht im Focus, sondern die Frage, was prägte Entwicklung und Stil des Malers. Anhand von etwa 100 Arbeiten – darunter 31 Gemälde und 23 Zeichnungen von Rubens – arbeitet die Schau einen bisher wenig beachteten Aspekt im Schaffensprozess des Meisters heraus: Sie zeigt, wie tief Rubens in den Dialog mit Kunstwerken berühmter Vorgänger und Zeitgenossen eintrat und wie dies sein fünfzigjähriges Schaffen prägte. Dies beginnt bei antiken Skulpturen und reicht bis in die Werke unmittelbarer Vorläufer und Zeitgenossen wie Tizian und Tintoretto, Goltzius, Rottenhammer und Elsheimer sowie Giambologna. Beispielhaft verdeutlicht wird Rubens’ kreativer Arbeitsprozess gleich im ersten Ausstellungsraum anhand seiner Darstellung Christi als Ecce homo (um 1612): Mittels dreier Exponate wird die metamorphotische Verwandlung der antiken Skulptur eines Kentauren zu dem einer Zuschauermenge vorgeführten Christus veranschaulicht. Von der antiken Skulptur fertigte Rubens zunächst mehrere Zeichnungen an, die er anschließend in dem Gemälde weiterentwickelte: In einer vollständigen ikonografischen Neubestimmung verwandelte er das antike Vorbild des ungezügelten, animalischen Kentauren in eine Darstellung des leidenden, vom Betrachter Empathie und Mitgefühl einfordernden Christus.
Klassische Themen und Bildmotive gliedern die Ausstellung
Für Mythen wie das Parisurteil, Venus und Adonis, oder Kain und Abel haben die Künstler immer wieder ihre persönliche darstellerische Lösung gesucht. Rubens studiert sie, greift auf und entwickelt weiter. Dabei geht es immer auch um technische Fragen: Wie erfasse ich perspektivisch korrekt einen rückwärts auf den Betrachter zustürzenden Körper? Ein Raum der Ausstellung zeigt, wie diese Problematik der „Verkürzung“ bereits viele Künstler der Renaissance und des Manierismus beschäftigte und universell nicht nur auf den erschlagenen Abel, sondern gleichermaßen für den vom Adler attackierten Prometheus oder die Blendung Simsons anwendbar wird.
Rubens der Künstler-Unternehmer
Ähnlich wie Cranach leitete Rubens eine umfangreiche Werkstatt, in der qualifizierte Schüler und Gehilfen seine Ideen und Entwürfe umsetzten. Ihm verblieb die Endkontrolle und das Marketing, das er allerdings perfekt beherrschte. Vollständig eigenhändig erstellte Werke sind selten und blieben nobelsten Auftraggebern vorbehalten. Er selbst, von vornehmer Abstammung, hätte sich nie als malender Handwerker verstanden und strebte danach, wie schon vor ihm Tizian, geadelt zu werden.was später auch gelang. Sein Haus in Antwerpen glich einem italienischen Palazzo und er war nicht nur als Hofmaler tätig, sondern auch als Berater und Diplomat im Dienste der Erzherzogin Isabella. Er starb 1640 in Antwerpen.
Tutorial und Begleitprogramm
Es gibt auch zu dieser Ausstellung ein umfangreiches Begleitprogramm, u.a. findet eine internationale Tagung statt, die sich dem Thema „Kunst und Katholizismus in der niederländischen Republik“ widmet. Für Interessenten von außerhalb interessanter sind wieder das Digitorial zur Vor- oder Nachbereitung, das unter rubens.staedelmuseum.de abrufbar ist und den Besuch unterstützt eine Städel-App die kostenfrei im Android und Apple Store verfügbar ist. Der Katalog zur Ausstellung ist im Hirmer-Verlag erschienen und kostet 39,90 Euro. Die Ausstellung läuft bis zum 21. Mai 2018.