Der Komponist Clémont steuerte auch das Banklied bei, das Titel ihres Albums ist. Auch wenn man Französisch nicht versteht und das gesungene erst recht nicht verstehen kann, genügte es hier in Verbindung mit der Musik die Mimik der Sängerin zu studieren, verschmitzt zuerst, dann mit Drohgebärde, dann erwartungsvoll, eine breite Gefühlspalette in der Musik und ihrer Darstellung. „Chez la Mère Heuvrard“ hat Gustave Courbet geschrieben und Frau Bell hat es selber vertont, so daß wir von vertonten Versen sprechen täten, in denen es um den Lebemann Courbet geht, denn man sofort lässig im Selbstbildnis mit Pfeife vor sich sieht.
Die Bilder verlassen einen auch beim Hören nicht. Sollen sie auch nicht. Sicher aber war es eine glückliche Fügung und nicht ein zuvor ausgedachtes Hängekonzept, daß man gerade in diesem Raum „Musik“ in verschiedenen Porträts erkennen konnte. In „Selbstbildnis als Cellospieler“ hat sich 1847 Courbet mit einem Instrument dargestellt, das er selbst gar nicht spielte – schauen Sie sich die Handhaltung genau an und spiegeln Sie sie, ob er so überhaupt hätte spielen können. Was er zum Ausdruck bringen möchte, ist die gemeinsame Künstlereigenschaft, die ihn als Maler mit den Musikkünstlern verbindet, aber er zweifelt wohl daran, wieviel die Welt davon mitbekommt, denn seine Miene ist kritisch, aber auch voll Unsicherheit. Die Musik galt als stärkste der Künste, weil sie direkt in die Herzen dringe. Wir allerdings sprechen heute von zeitgenössischer Musik als einer, deren Sprache man erlernen müsse, um sie zu verstehen, während die meisten glauben, zeitgenössische Kunst verstünden sie von alleine.
Solche Diskussion können wir hier nicht führen, aber der Begleittext im Katalog zum hier ebenfalls ausgestellten Gemälde „Bildnis des Komponisten Hector Berlioz“ hat uns amüsiert und uns ins Zentrum des Liederabends versetzt. Dort heißt es, daß sich beide Künstler kaum kannten und wenig leiden konnten. Berlioz glaubte, „Courbet wolle ihn mit den formlosen Liedern, die er ihm vorsang, zum Narren halten“. Sehr gut kannte und litt Courbet einen weiteren hier hängenden Abgebildeten, den Musiker Alphonse Promayet, 1851. Der war nun von Courbets Kragenweite, auch aus Ornans, Musiklehrer seiner Schwestern, und wird hier in der Pose dargestellt, wie Courbet sich auch selbst sieht. Als der nachdenkliche, leicht melancholische Mann, der mehr fühlt und weiß, als er der Welt sagen kann, der nicht im Zenit seiner Künstlerschaft, die Geige in der Hand, gemalt wird, sondern in dem Moment, wo er über sich und das heißt die Welt nachsinnt, im einfachen Hausmantel und insgesamt sehr zurückgenommen, also just das Gegenteil von einem heroischen Künstlerbild. Mit einem Wort: der andere Courbet.
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Infos
Ausstellung: bis 30. Januar 2011
Katalog: Courbet. Ein Traum von der Moderne, hrsg. von Klaus Herding und Max Hollein, Verlag Hatje Cantz. Der speziellen Ansatz, unter dem Klaus Herding die Ausstellung kuratierte, bestimmt auch die Katalogbeiträge, die vom „anderen“ Courbet sprechen (Herding) oder Courbet als Künstler, Träumer und Philosophen zeigen (Werner Hofmann). Ulrich Pfarr geht der Introspektion un mimischem Ausdruck bei Courbet nach und S. Le Men vertieft ihn als Maler von Albtraum und Schlaf. Nein, wir können nicht alle Beiträge aufzählen, finden geglückt, daß so kenntnisreich und vielfältig dieser lyrische Courbet aufbereitet wird, dessen Werke dann vollständig abgebildet mit je eigenen Bildbesprechungen versehen sind, was für jeden Leser, auch den, der nicht in die Ausstellung nach Frankfurt kommen konnte, sinnvoll ist.
Kunst zum Hören: Gustave Courbet, Gestaltung von KOMA AMOK, Audioguide und Begleitband zur Courbet-Ausstellung in der Kunsthalle Schirn Frankfurt, gesprochen von Hannelore Elsner und Victor Pavel. Wie immer gibt es beides, für Synästhetiker beispielsweise: das Bild im Begleitband, der Text dazu, dann aber die gesprochene Interpretation im Ohr durch die CD. Zu Hause kann man das auch laut hören, was uns besser gefällt, weil wir zu mehreren hörten und dann anschließend unsere teils sehr unterschiedlichen Eindrücke zu Bild und Interpretation austauschten. Das sind eigentlich – so dachten wir – auch ausgezeichnete Grundlagen für den Schulunterricht und auch für Proseminare in Kunstgeschichte.
Inhaltlich stellen die 25 farbigen Abbildungen laut Begleittext „diesen ’anderen` Courbet vor, der von der deutschen Romantik ausgehend die Vision eines poetischen Kunst der Moderne realisiert, wie sie dann bei Paul Cézanne und Pablo Picasso, aber auch im Symbolismus und Surrealismus weiterentwickelt wurde.“ Die Spielzeit der CD beträgt 57 Minuten.