Oaxaca, Mexiko (Weltexpress). Seit Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA im Januar 1994 geraten Mexikos indigene Kommunen immer mehr unter Druck. Transnationale Bergbaukonzerne wollen auf ihren Territorien Rohstoffe fördern. Begünstigt werden sie dabei durch die neoliberale Politik der mexikanischen Regierung. Großzügig vergibt diese Konzessionen zum Abbau von Gold, Silber und anderen Mineralien. Steuern müssen die ausländischen Konzerne kaum zahlen. Die Menschen vor Ort dagegen gehen meist leer aus. Oftmals verlieren sie sogar ihre Heimat.
Es geht auch anders: Das zeigt eine kleine Gemeinde im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca. Seit mehr als zehn Jahren verteidigt die indigene Bevölkerung von Capulálpam de Méndez erfolgreich ihr Recht auf Wasser, eine saubere Umwelt und auf selbstbestimmte Entwicklung.
Ein magisches Dorf lädt ein
Capulálpam de Méndez ist eines von 111 Pueblos Mágicos, Mexikos so genannten magischen Dörfern. An all diesen Orten spüren Besucher*innen die Magie, welche eine Reise nach Mexiko einzigartig macht. Denn hier können sie fernab der großen Touristenzentren kulturelle Schätze entdecken oder die Schönheit der Natur des Landes genießen. Das verspricht die Werbung der nationalen Tourismusbehörde, welche den Titel vergibt.
Capulálpam liegt keine hundert Kilometer von Oaxaca, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates, entfernt. Wer hierher kommt, möchte die Bergwälder der Sierra Juárez erkunden. Ein gut ausgebautes Netz an Wander- und Radwegen bieten alles, was man sich für einen Aktivurlaub wünscht. Darüber hinaus wartet Capulálpam mit einem großen Angebot stilvoller Unterkünfte und Restaurants auf.
In dem von Armut geprägten Bundesstaat Oaxaca stellt Capulálpam eine Ausnahme dar. Während es den Menschen hier gut geht, finden die Bewohner*innen anderer indigener Dörfer keine Arbeit. Viele von ihnen wandern aus. Oder sie verkaufen ihr Land an ausländische Konzerne, in der Hoffnung dass diese Arbeitsplätze schaffen werden.
Auswirkungen des Bergbau
Früher war das auch in Capulálpam so. Denn in den Bergen rund um den Ort liegen reiche Gold- und Silbervorkommen. Diese wurden über zwei Jahrhunderte ausgebeutet. Profitiert hat die Gemeinde allerdings kaum davon.
Aurelio Bautista ist Vorsitzender der Kommission zur kollektiven Landverwaltung. Er sagt die Bergbaukonzerne seien nie ein guter Arbeitgeber für das Dorf gewesen. Sie hätten allen Reichtum mit sich genommen, während die Menschen wie zuvor in Armut leben mussten. Oder sogar noch schlechter, wegen der Umweltverschmutzung.
Der Abbau der Gold- und Silbervorkommen hatte Spuren in Capulálpam hinterlassen. Dreizehn Quellen versiegten in der Region. Der Boden und die Flüsse wurden mit Schwermetallen verseucht. Viele Menschen litten an Vergiftungserscheinungen.
Als die Mine 1989 geschlossen wurde, verschwand mit ihr der größte Arbeitgeber des Dorfes. Neue Arbeitsplätze wurden dringend benötigt. Da besannen sich die Bewohner*innen auf die wahren Schätze des Ortes, den Reichtum und die Schönheit der umliegenden Wälder. Die Gemeinde baute Touristenunterkünfte und eine Naturheilklinik. Sie betreibt ein Fabrik in der Quellwasser abgefüllt wird und Werkstätten, die Holzspielzeug herstellen. Heute lebt ein Großteil der Bevölkerung von nachhaltiger Forstwirtschaft oder Ökotourismus.
Versuchtes Comeback
Doch der weltweit stetig wachsende Bedarf an Edelmetallen macht den Gold-Abbau in der Region wieder lohnenswert. Deshalb bedrängen seit 2006 transnationale Bergbauunternehmen den Gemeindevorstand ihnen Land zu verkaufen. Im offenen Tagebau wollen sie wieder nach Gold und Silber schürfen.
Auch die Regierung des Bundesstaates setzte die Gemeindevorsteher massiv unter Druck. Im Gegenzug zur Verleihung des Titels „Magisches Dorf“ verlangte man von ihnen der Mine zuzustimmen. Doch so einfach wie erhofft, war diese Zustimmung nicht zu bekommen, sagt der Vorsitzende der kommunalen Waldkommission Saúl Aquino Centeno. Denn die Entscheidung darüber trifft nicht der Gemeindevorstand sondern die Gemeindeversammlung. Und nach eingehender Prüfung der Auswirkungen, die der Bergbau für die Region hatte, entschied diese Capualpam zur bergbaufreien Gemeinde zu erklären. Der ersten bergbaufreien Gemeinde Mexikos.
Aber warum gelang es nicht Capulálpam, wie viele Dörfer der Region, in ein Lager von Minenbefürworter*innen und eines von Minengegner*innen zu spalten?
Alternativen zum Bergbau
Investitionen und Arbeitsplätze haben die Bergbaukonzerne versprochen. Doch das sind keine Investitionen, die eine nachhaltige Entwicklung fördern, erklärt Saúl Aquino. Aber eine solche wollen die Bewohner*innen Capulálpams. Denn der Erhalt ihres Territoriums und seiner natürlichen Ressourcen liegt ihnen am Herzen. Das Dorf ist nämlich bekannt für die nachhaltige Bewirtschaftung seines Waldes.
Entscheidend für Capulálpams Nein zum Bergbau war die spirituelle Verbundenheit seiner Bewohner*innen zu ihrem Territorium. Die Menschen in den indigenen Gemeinden Mexikos sehen Wald und Wasser nicht als rein materielle Ressourcen an. Deshalb bewirtschaften sie ihr Land im Einklang mit der Natur und bewahren es vor Zerstörung.
Auch bei der Schaffung von Alternativen zum Bergbau spielten die indigenen Traditionen eine wichtige Rolle. Gemeinsam entschieden die Dorf-Bewohner*innen, wie sie die Reichtümer ihres Waldes nutzen wollen. Mit kommunal verwalteten Betrieben versuchten sie die Basis für ein Auskommen aller zu schaffen. Und das mit Erfolg. Den Bergbauunternehmen gelang es nicht, Befürworter*innen für ihr Projekt finden.
Weitergabe der Erfahrungen
Seine Erfahrungen gibt Capulálpam gerne an andere indigene Gemeinden weiter. Regelmäßig berichten seine Vertreter*innen über ihren erfolgreichen Kampf gegen die Mine. Auf einem Treffen von Bergbaugegner*innen Anfang des Jahres hob Saúl Aquino noch einmal hervor: „Durch die Stärkung der Selbstverwaltung der Gemeinde kann man sämtliche Probleme lösen. Und das betrifft nicht nur Bergbauprojekte. Wenn die Gemeindevertreter gut zusammen arbeiten, machen sie eine Kommune unangreifbar.“
Was er damit auch meinte, zeigte sich Anfang dieses Jahres. Ein Schädling breitete sich in den Wäldern aus. Die Raupen hatte bereits viele Bäume befallen. Besonders betroffen war ein Wald um den es seit Jahren Streit mit einer Nachbargemeinde gab. Um den nachfolgenden Generationen nicht einen toten Wald zu hinterlassen, entschieden beide Gemeinden diesen Streit zu beenden. Seitdem machen sich Capulálpam de Méndez und San Miguel Yotao gemeinsam daran ihren Wald zu retten.
Anmerkung:
Die Erstveröffentlichung dieses Beitrags von Knut Hildebrandt erfolgte beim Nachrichtenpool Lateinamerika.