Messen mit zweierlei Maß

Ein Maßband. Quelle: Pixabay, Foto: Thomas Wolter

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Nur Rentner und Pensionäre erinnern sich noch aus eigenem Erleben an die Kubakrise 1962. In jenen Tagen zitterten die Menschen vor einem neuen Weltkrieg, diesmal mit atomaren Waffen geführt. Was war passiert: die Sowjetunion hatte, nachdem sie in Absprache mit den Weltkrieg II – Siegermächten ganz Osteuropa unter ihren Einfluß zwang, auch in Afrika, dem Nahen Osten und in Asien (Vietnam, Korea, etc.) sehr erfolgreich ihre Interessen ausgebaut. Nun folgte der nächste Schritt – der Kreml griff in der Karibik ein, errichtete 80 km vor Miami Raketenstellungen. Die gesamte „freie Welt“ hielt damals den Atem an, als der US-Präsident John F. Kennedy seine US-Flotte mobilisierte und die Sowjets per Ultimatum zwang, Truppen und Raketen von Kuba abzuziehen. Keiner wäre damals auf die Idee gekommen, den charismatischem Staatsführer der USA der Kriegstreiberei zu bezichtigen.

Und heute? Seit der deutschen Wiedervereinigung haben die Vereinigten Staaten mit und ohne europäische Unterstützung – den Nahen und Mittleren Osten mit Kriegen und militärischen Interventionen (Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan, etc.) ruiniert oder destabilisiert. In Georgien trieb man den damaligen Präsidenten Saakaschwili in einen Krieg gegen Russland, um ihn dann schmählich im Stich zu lassen, als die erwartete Niederlage drohte. Im Gegensatz dazu zog man gegen das russlandfreundliche Serbien in einen völkerrechtswidrigen Krieg und erkannte das zu Serbien gehörende Kosovo genauso völkerrechtswidrig als unabhängigen Staat an.

Hören wir nicht heute aus allen westlichen Hauptstädten, dass Grenzen in Europa nicht willkürlich verschoben werden dürfen? Messen mit zweierlei Maß. In fast allen Ländern des ehemaligen Ostblocks versuchte man mit vielen Milliarden US-Dollar „Orangene Revolutionen“ anzuzetteln, mit einheimischen Personen (teilweise mit US-Doppelstaatsangehörigkeit), die samt und sonders durch US-Think Tanks zu einem Ziel eingesetzt wurden: den russischen Einfluß in der Region zurückzudrängen und die Länder der Region in eine wirtschaftliche und damit politische Abhängigkeit des Westens zu bringen. Militärisch dehnte sich die NATO gegen alle Zusagen (https://twitter.com/ernst_klaus/status/1487036156885753858) bis an die Grenzen Russlands aus.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Russland zu diesem westlichen Ansinnen eine Gegenstrategie entwickeln würde. Diese Antwort haben wir jetzt. Die Ukraine wurde und wird mit phrasenhaften Solidaritätsbekundungen gegen Russland in Stellung gebracht, wohl wissend, dass es zu einem militärischen Beistand nie kommen wird. Man kann die Ukrainer, das Baltikum, Rumänien, Moldawien und andere nur warnen: Der Westen wird für Euer Schicksal keinen Finger krumm machen – er wird Euch weiterhin gegen den großen Nachbarn hetzen – nur und ausschließlich zum eigenen Vorteil. Hinzu kommt noch eine wichtige Erkenntnis: Kein Land der Region kann sich aus Osteuropa verabschieden, um nach Spanien oder die britischen Inseln zu ziehen. Russland wird immer Euer großer und mächtiger Nachbar bleiben. Das zwanzigste Jahrhundert hat gerade über diese Länder so viel Leid und Trauer gebracht, dass der Weg zur Verständigung schon deshalb ein mühsamer und schwieriger Weg sein wird. Bei einem Besuch in Litauen vor einiger Zeit sagte mir ein einheimischer Freund, dass fast jede litauische Familie einen Verwandten hat oder hatte, der zu Sowjetzeiten umgebracht, deportiert oder eingekerkert wurde.

Wie schwer ist es da heute, neues Vertrauen und gutnachbarliche Beziehungen zum sowjetischen Nachfolgestaat Russland zu entwickeln. Die russische Regierung mag da in der Vergangenheit durchaus Fehler gemacht haben. Aber man darf nie vergessen, dass Rußland selbst, nach siebzig Jahren bolschewistischer Diktatur, erst seit einer Generation seinen Weg in eine neue Freiheit sucht. Statt hier im Sinne gemeinsamer europäischer Interessen vermittelnd zu handeln, hat sich Westeuropa zum Erfüllungsgehilfen einer US-Politik gemacht, die diesem Kontinent weder Frieden noch Sicherheit beschert. Gerade Deutschland könnte dagegen als ein selbstbewußter Vermittler eine tragende Rolle spielen. Doch das fürchtet man in Washington, wie der Teufel das Weihwasser. Berlin ist dumm genug, sich vor den Karren der Amerikaner (und ihres europäischen Erfüllungsgehilfen Großbritannien) spannen zu lassen.

Wir werden die wichtige Gaspipline Northstream2 genauso aufgeben, wie unsere gewachsenen wirtschaftlichen Verbindungen nach Rußland. Deutschland wird finanziell den höchsten Preis in diesem Konflikt tragen (aber es ist ja nur Geld, würde jetzt Herr Habeck sagen). Viel schlimmer aber ist, dass die Völker Osteuropas nun wieder gegeneinander gehetzt werden, mit neuem Leid, neuem Tod und neuen Wunden. Alea iacta est – die Würfel (in Washington) sind längst gefallen. Europa – dieser wunderbare Kontinent mit seiner in der Welt einzigartigen Zivilisation begibt sich machtlos in das Schicksal seines Niedergangs. Ohne Europa aber, wird auch Rußland nicht sein. Und ohne Rußland, wird Europa bald nur noch Geschichte sein.

Concordia parvae res crescunt, discordia maximae dilabuntur – durch Eintracht wachsen kleine Dinge, durch Zwietracht zerfallen die größten.

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