Meloni macht Ernst – Erste Immigranten im italienischen „Guantánamo“ in Albanien interniert

Zadrima, eine Ebene mit Flugplatz und am Rand die albanischen Alpen. Foto: Albinfo, CC BY-SA 4.0

Berlin, BRD (Weltexpress). Dass nach monatelanger Verzögerung nun verwirklichte Abkommen mit Albanien zur Flüchtlingsabwehr wird in Rom von der Meloni-Regierung als Erfolg gefeiert, stößt gleichzeitig weiter auf scharfe Proteste. Während Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz  seine Ampelkoalition in Berlin kaum zusammenhalten könne, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron  eine Minderheitsregierung, die jederzeit vom rechten Rassemblement National (RN) gekippt werden könnte, installieren musste, und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez mit einer hauchdünnen Mehrheit, die seinen Handlungsspielraum stark einschränkt, regiert, wirkt Italien als ein Stabilitätsanker und Giorgia Meloni bestätige sich damit als „die kraftvollste Regierungschefin Europas“, kommentierte das Hamburger „Handelsblatt“ das Ereignis. Die seit zwei Jahren in Rom amtierende ultrarechte Ministerpräsidentin bestimme damit die Migrationsagenda in Brüssel. Es sei ein Novum in Europa, dass so etwas außerhalb der EU-Grenzen passiert. Den Deal mit Albanien habe Meloni schon vor einem Jahr mit Tiranas Premier Edi Rama eingefädelt. 

Italien ist der erste EU-Staat, der Migranten in Lagern außerhalb der EU unterbringt. 16 Migranten aus Bangladesch und Ägypten hatten versucht, in einem Flüchtlingsboot irregulär nach Europa einzureisen und waren dabei von dem Küstenschiff Libra der italienischen Marine im Mittelmeer aufgegriffen worden. Später sollen die Migranten ins Hauptlager in Gjader in der Zadrima-‚Ebene im Landesinnern überführt werden. Dort will Rom exterritorial Asylanträge im Schnellverfahren prüfen und Abschiebungen schneller abwickeln. Diejenigen, die Anspruch auf Asyl haben, würden nach Italien überstellt. Wer abgelehnt wird, soll in sein Herkunftsland zurückgeschickt werden.

Die italienische Nachrichtenagentur „ANSA“ versuchte am Donnerstag, das Ereignis herunterzuspielen und betonte, dass zwei der Migranten aus gesundheitlichen Gründen mit dem Libra-Schiff nach Italien gebracht werden, ebenso zwei Minderjährige, die  nicht unter das Abkommen zwischen Rom und Tirana fallen würden, da das Verfahren nur  erwachsene Männer vorsieht, Die übrigen seien in der Einrichtung  von Ärzten, Dolmetschern  und Kulturvermittlern erwartet und kontrolliert worden. Das  endgültige Ziel für die Flüchtlinge ist das Lager Gjader im albanischen Hinterland, einige Dutzend Kilometer entfernt. Im Empfangsbereich des Standorts, der derzeit eine Kapazität für 400 Personen bietet, werden Migranten die nächsten Wochen verbringen und auf den Ausgang ihres Asylantrags warten. Diejenigen, deren Antrag abgelehnt wird, werden in spezielle Lager (CPR) überstellt, wo auch ein kleines Gefängnis für diejenigen eingerichtet wurde, die Verbrechen begehen.

Eine Gruppe junger albanischer Aktivisten war aus Tirana angereist, um zu protestieren. Sie zeigten ein Transparent mit der Aufschrift „Der europäische Traum endet hier“ und ein großes Foto von Rama und Meloni nebeneinander in der Uniform der Gefängnispolizei. „Wir haben das Abkommen von Anfang an angefochten, weil es die Menschenrechte ernsthaft verletzt“, erklärte Sidorela Vatnikaj, eine der Aktivistinnen, die auch betonte, dass  das Abkommen zu einem “gefährlicher Präzedenzfall für Europa“ werde.

Eingewiesen würden laut „ANSA“ nur Männer aus als sicher eingestuften Herkunftsländern, die auf dem Weg über das Mittelmeer nach Europa von Schiffen der italienischen Behörden aufgegriffen werden. Bevor sie nach Albanien gebracht werden, erfolge bereits an Bord eine erste Überprüfung. Von der Verschiffung nach Albanien sollen Frauen, Kinder, Kranke sowie Folteropfer ausgenommen werden. Auch Migranten, die Italiens Küsten aus eigener Kraft erreichen oder von zivilen Seenotrettern auf hoher See an Bord genommen werden, seien davon ausgenommen. Die Flüchtlingslager sollten, so hatte Ministerpräsidentin Meloni betont, der Abschreckung von Migranten dienen. Sie wertete das Verfahren in Albanien einen Tag vor dem EU-Gipfel in Brüssel, der ganz im Zeichen der Migrationsdebatte steht, als einen Erfolg. Albaniens Premier Edi Rama erklärte, er habe Anfragen von anderen EU-Ländern, Asylsuchende in Albanien unterzubringen, zurückgewiesen und betont, dass Italien eine Ausnahme sei. Italien verwalte die Lager und sorge für die Sicherheit darin. Außerdem trage Rom dafür alle «direkten und indirekten» Kosten, so Rama. Die beiden Lager kosten Italien über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt etwa 670 Millionen Euro.

Italien war 2023 mit fast 160 000 Migranten eines der Länder, die von der Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa über das Mittelmeer besonders betroffen wurde, aber 2024 kamen weniger als halb so viele Menschen an als vor einem Jahr. Dennoch machten sich noch immer Zehntausende auf oft kaum seetüchtigen Booten auf den Weg über das Mittelmeer.

Menschenrechtler kritisieren das Projekt und sprechen von einem «italienischen Guantánamo». Auch der Europäische Gerichtshofs lässt Zweifel an dem Projekt aufkommen. Ein Land könne nur dann als sicher gelten, wenn es dort unter anderem keine Verfolgung oder Folter gibt. 15 der 22 von Italien als sicher eingestuften Herkunftsländer erfüllen diese Bedingungen jedoch nicht.

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