Die Preisträgerin wurde 1968 in Becsej/Vojvodina geboren, ging mit ihren auswandernden Eltern von dort in die Schweiz, studierte an der Universität Zürich Deutsche Literatur und Geschichte. Sie ist Verfasserin literarischer Texte, Performerin, Musikerin und Leiterin einer freien Schreibwerkstatt. 2004 war ihr erster Roman „Im Schaufenster im Frühling“ erschienen. Sie lebt in Zürich. Anders als bei der deutschen Preisverleihung am Vorabend der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Römers, wo sie vollkommen überrascht war,- aber sehr angenehm reagierte -, hatte sie heute eine kurze Rede vorbereitet, in der sie klug zu den Missverständnissen um ihre Person einging: „Schon öfters habe ich mich als ungarische Serbin, die in der Schweiz lebt, bezeichnet. Diese Bezeichnung ist so präzise, dass sie in Bezug auf nationalstaatliche Einengungen unüberhörbar ironisch ist, sprachlich jedoch ist sie ein Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit, und, um noch ein bißchen weiter zu gehen: ein Bekenntnis zur Vielstimmigkeit.
Mit Leidenschaft übertrage ich ungarische Redewendungen ins Deutsche. Schlechte Laune haben, heißt dann, der Tag muß heute ohne mich auskommen oder: heute habe ich die Laune eines alten Hundes. Bei Marieluise Fleissners Prosa war von bayrischer Diktion die Rede, mir würde es gefallen, wenn man in Analogie dazu, bei meiner Prosa von Jugo-Diktion und finno-ugrischer Diktion spräche; mir ist daran gelegen, dass man meine Figuren hört wie sie sprechen –egal wo sie herkommen.“ Sie brachte zudem überzeugende Beispiele für die Aufnahme einiger österreichischer Wendungen in ihren Wortschatz, die präziser als das Hochdeutsche sind, und die sie von ihrem Verleger Jochen Jung und ihrer Lektorin Angelika Klammer gelernt hat: „die Toilette ist angeschissen und nicht verschissen.“ Sie war im übrigen auch diejenige, die bei der erstmaligen schriftlichen Publikumsbefragung mit 39 Prozent an der Spitze lag.
Die Preisverleihung war dramaturgischer Höhepunkt der Veranstaltung, die nachgerade psychologisch und logisch aufgebaut worden war. Zur Eröffnung gab es muntere Klänge, für die sich die Moderatorin Eva Wannenmacher bedankt. Sie weist auf die Besonderheit der dritten Schweizer Buchpreisverleihung hin, in der durch Verleihung des Deutschen Buchpreises an Melinda Nadj Abondji für ihren Roman „Tauben fliegen auf“ die Schweizer Jury nun in Schwierigkeiten gekommen sei, ihr nun auch den Schweizer Preis zuerkennen zu sollen oder gerade deshalb nicht.
Marianne Sax begrüßt in ihrer Verbandsfunktion diese Autorin in besonderer Weise und gratuliert ihr zum Deutschen Buchpreis, sie heißt alle Nominierten in der ersten Reihe willkommen, bei denen nur der 90jährige Kurt Marti absagen mußte, aber der Theologische Verlag anwesend ist, bei dem seine „Notizen und Details 1964-2007 erschienen sind. Aha, denkt man, er hat den Preis nicht bekommen. In dieser ersten Reihe sitzt neben dem Verleger der späteren Preisträgerin, Jochen Jung aus Salzburg, Dorothee Elmiger, deren Erstling „Einladung an die Waghalsigen“ beim Dumont Buchverlag herauskommt, daneben Urs Faes, der bei Suhrkamp „Paarbildungen“ veröffentlicht hat. Neben ihm Pedro Lenz, mit dem Roman „Der Goalie bin ig“ vom Verlag Gesunder Menschenversand, eine wahre Herausforderung für jeden des Deutschen Mächtigen außerhalb der Schweiz, denn der Roman ist in Oberaargauer Mundart verfasst. Wird gesagt. Neben ihm sitzt Melinda Nadj Abondij, neben ihr wiederum die Mitglieder der Jury.
Diese besteht im Jahr 2010 erneut aus: Martin Ebel, Sandra Leis, Manfred Papst, Hans Ulrich Probst und Martin Zingg, die vor drei Jahren für diese Zeit gewählt wurden und sich in diesem Jahr mit 69 Werken aus 41 Verlagen auseinanderzusetzen hatten, wobei 20 deutsche, 18 schweizerische und 3 österreichische Verlage Romane und Erzählungen eingereicht hatten. Wichtig bleibt festzuhalten, daß anders als beim Deutschen Buchpreis, der nur Romane zulässt, auch die Kurzprosa in der Schweiz dazugehört.
Marianne Sax führt aus, daß sich der Schweizer Buchpreis etwas erlauben könne, was der Büchnerpreis beispielsweise nicht kann, der nur abgesicherte Literaturproduzenten ehrt. Die Schweizer können sich auf Risiken einlassen, können ein Werk, das einfach da ist, prämieren, auch wenn daraus weder ein Publikumserfolg noch ein eine literarische Großproduktion wird. Grundgedanke des Preises ist es, das Lesen der hiesigen Literatur zu fördern, auch in der Bundesrepublik das Interesse an Schweizer Literatur zu stärken, was durch die Lesereise der fünf Nominierten in Deutschland gerade erfolgreich bewiesen wurde.
Felix Werner, Messe- und Festivalleiter BuchBasel, weist auf die so erfolgreiche Konstituierung des Schweizer Buchpreises hin, die sich im dritten Jahr deutlich abzeichnet, in dem in Deutschland erstmalig eine Schweizer Schriftstellerin ausgezeichnet wurde. Und tatsächlich kann er nicht nur mit der Preisvergabe, sondern auch der BuchBasel hoch zufrieden sein, die sozusagen brummt, denn neben den vielen Veranstaltungen, auf denen die Dichter und Schriftsteller direkt mit ihrem Publikum sprechen können, haben die Verlagsangebote in den Kojen und Ständen für reichliche Lesesüchtige gesorgt, die sich hier auch direkt mit aktueller Lektüre versorgen können, nachdem sie die die neuen Bücher studiert haben. Am Abend wird sich herausstellen, daß 21 805 Eintritte stattfanden, was abgerechnet der Künstler, Personal und Wiedereintritte die Basis von 16 316 Tickets ergibt. An den drei Messetagen haben in der Messehalle 4 mehr als 180 Verlage ausgestellt und es gab insgesamt 206 Veranstaltungen.
Als nach der Preisübergabe an Melinda Nadj Abonji – der Blumenstrauß und der reichliche Beifall war die nette emotionale Begleitung zum Preisgeld von 50 000 Schweizer Franken, was allemal mehr ist als das Präsent zum Deutschen Buchpreis von 25 000 Euro, erst zusammen aber an die Redakteursgehälter Leitender Literaturkritiker heranreicht-, als also nach der Preisübergabe dann alle Nominierten auf die Bühne gebeten werden, die allesamt Pedro Jung mit 202 cm überrgt, zeigt sich die interne Anerkennung für die ausgezeichnete Nadj Abonji durch ihre Kollegen durch Gesten und Worte. Auch die Jury kommt hoch aufs Podium und ein großer Schlußapplaus drückt aus, daß das Publikum mit der Veranstaltung einverstanden ist, die so außerordentlich harmonisch erscheint, einfach weil souverän entschieden wurde und für die vielen Worte trotzdem nur eine Stunde gebraucht wurde, denn vor 12 Uhr war Schluß.
Den inhaltlichen Aspekt der Veranstaltung durch die Würdigung der Werke der fünf Nominierten durch je ein Mitglied der Jury sowie das Verlesen der ersten Seite ihres Romans, begleiten wir in einem zweiten Artikel.
Die BuchBasel 2011 wird vom 18. bis 20. November stattfinden.