Meister der Dunkelheit – Vor 130 Jahren wurde der Regisseur Fritz Lang geboren

Regisseur Fritz Lang bei den Aufnahmen des Weltraum-Films "Frau im Mond". Quelle: Wikimedia, Bundesarchiv, Bild 102-08538 / CC-BY-SA 3.0

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Seine Filme schrieben Kinogeschichte: Friedrich Christian Anton Lang wurde am 5. Dezember 1890 in Wien geboren. Seine Karriere startete Fritz Lang im UFA-Filmstudio Babelsberg. Als „Meister der Dunkelheit“ wurde er bezeichnet; Filme wie „Die Nibelungen“, „Metropolis“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ sind Legende. Lang dreht Klassiker des Film noir, Western und Agententhriller. Er war Geschichtenerzähler und Schauspieler, Autor, Bonvivant und vor allem ein begnadeter Regisseur. Ein obsessiver Visionär, als Künstler so innovativ wie unerbittlich. In Berlin auf dem „Boulevard der Stars“, einem Denkmal nach dem Vorbild des „Walk of Fame“ in Los Angeles, ist er mit einem Stern verewigt. Michael Marek erinnert an den Geburtstag des Regisseurs.

Im Kino schlafen, behauptet ein wunderbarer Aphorismus, heißt dem Film vertrauen. Denn beides, Schlaf und Illusion, sind Verbündete der Traumfabrik. Der 1890 in Wien geborene Regisseur Fritz Lang hat mit seinen Bildern eher beunru­higt. Zu düster, zu pessimistisch war das, was er in über 40 Spielfilmen auf die Leinwand brachte: „Der müde Tod“, „Die Nibelungen“ – Titel jener aufs Zelluloid gebannter monumentaler Kinomythen, die Fritz Lang berühmt machten.

Berüchtigt war er für seinen Hochmut. Manche hielten das für Anmaßung und Arroganz, andere für Besessenheit. Lang war ein Künstler der Schroffheit, einer, der mit dem aristokratischen Monokel bewundert werden wollte und sich von seinen Mitarbeitern mit „Meister“ anreden ließ: „Zufrieden ist man oder war ich eigentlich nie. Man kann auch noch so schwer arbeiten, selbst nach langer Denkarbeit am Schreibtisch oder dann im Atelier und unter der Hilfe einer be­geisterten Mitarbeiterschar. Das, was man schließlich auf die Leinwand projiziert, bleibt weit hinter der Vision zurück, die man einmal gehabt hat.“ (Fritz Lang)

„Metropolis“ ist zweifellos Langs bekanntester Kinostreifen. Der 1927 uraufgeführte Stummfilm lebt von seiner Widersprüchlichkeit zwischen vorwärtsgewandter Technologie und rückwärtsgerichteter Ideologie. In einer Doppelrolle: die damals noch unbekannte Brigitte Helm als gute und falsche Maria. „Mittlerin zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein“, sagt sie am Schluss des Films, worauf sich Unternehmer und Arbeiterschaft die Hände reichen. Jahre später äußerte sich Lang eher skeptisch über das harmonisierende Filmende. Gleichzeitig aber zeigt der Streifen, was blinde Fortschrittsgläubigkeit anrichten kann: Zerstörung und Katastrophe.

1931 kommt Langs wohl brillantester Streifen in die Kinos: „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Ein Kindermörder, der mit einer gepfiffenen Melodie aus „Peer Gynt“ jeweils sein nächstes Opfer ankündigt – die Zwangshandlung eines Gehetzten und Sinnbild des deutschen Kleinbürgers. Peter Lorre in der Rolle des Gejagten.

In „M“ konstruiert Lang eine Gesellschaft, in der sich Po­lizei und Verbrecherorganisation verbünden, um den Mörder zur Strecke zu bringen; eine Stadt, in der es keine intakten Liebesbeziehungen gibt, keine Väter, nur ausgemergelte Mütter und bedrohte Arbeiterkinder; eine Gesellschaft ohne Vertrauen in den Staat.

Parellelmontage, die Verwendung des subjektiven Tons, der dokumentarische Blick der Kamera, all das zeigt den Übergang Langs vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit. Rückblickend hat Lang darauf beharrt, mit „M“ und 1932 mit „Das Testament des Dr. Mabuse“ die NS-Diktatur vorausschauend thematisiert zu haben: „Ich verwendete zum ersten Mal diesen Film als politische Waffe. Ich legte nämlich damals in den Mund eines wahnsinnigen Verbre­chers Nazi-Schlag-worte. Also zum Beispiel: Man muss die Autorität, die der Bürger eingesetzt hat, völlig untergraben, sodass der Bürger selbst nicht mehr an die Autorität glaubt. Und dann, wenn alles in Trümmern ist, auf diesen Trümmern Hitler oder respektive die Nazis sagten: das tausendjährige Reich aufbauen. Und ich sagte, das tausendjährige Reich des Verbrechens aufbauen.“ (Fritz Lang)

Im März 1933 gründet Lang mit Luis Trenker innerhalb der nationalsozialistischen Filmkammer eine Regiegruppe. Ob dies vorauseilender Gehorsam ist oder der Versuch, sich zu schützen wegen seiner jüdischen Herkunft, das lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären. Dagegen ist Lang für eine hartnäckig von ihm behauptete Legende verantwortlich: Danach habe ihm Propagandaminister Goebbels im März 1933 unter vier Augen die Leitung der deutschen Filmindustrie angeboten: „Goebbels stand auf und kam mir entgegen. Er erzählte mir un­ter anderem, dass der Führer METROPOLIS gesehen hätte. Und er hätte gesagt: Das ist der Mann, der uns den nationalsozialisti­schen Film schenken wird! Ich muss ganz ehrlich gestehen, jetzt fing ich an, ein bisschen zu schwitzen. Natürlich ließ ich mir nichts merken und sagte also: Ich bin hochgeehrt, und was weiß ich noch alles. Und ich hatte im selben Moment nur einen Gedanken: weg aus Deutschland!“ (Fritz Lang)

Tatsächlich verlässt Lang erst vier Monate nach dieser angeblichen Unterredung Deutschland.

Filmregisseurs Fritz Lang (79) bei der Ankunft in Schiphol am 10. April 1969. Quelle: Wikimedia, CC BY-SA 3.0, Foto: Joost Evers / Anefo – Nationaal Archief

Im US-amerikanischen Exil reüssiert Lang erstaunlich schnell. Er, der Ufa-Starregisseur mit dem aristokratischen Monokel, zeigt sich in Hollywood außerordentlich anpassungsfähig. Lang dreht Western wie „Rache für Jesse James“ 1940 und antifaschistische Kriminalfilme wie „Menschenjagd“ und 1943 „Auch Henker müssen sterben“. Und er gehört mit zu den Gründern der Anti-Nazi League, einer Ver­einigung prominenter Künstler und Emigranten.

Er arbeitet mit Stars zusammen wie Henry Fonda, Spencer Tracy, Marlene Dietrich und Barbara Stanwyck. In „Ministerium der Angst“, „Heißes Eisen“ oder „Geheimnis hinter der Tür“ weiß Lang die genrespezifischen Hollywood-Muster souverän zu bedienen, ohne seine zentralen Themen aufzugeben: den Aufstand des Einzelnen gegen die Macht der Organisation, den Terror des Staates oder die blinde Wut der Masse.

Lang spielt mit der Magie von Räumen; architektonische De­tails bedeuten ihm ebenso viel wie Lichteffekte. Die Helden seiner US-amerikanischen Filme kämpfen mit irdischen Mächten, dem urbanen Terror und der Korruption, nicht zuletzt den dämonischen Abgründen ihres eigenen Charakters. Sie sind Außenseiter, Outlaws wie der des Kidnapping verdächtigte Joe Wheel im „Fury“, einem Film über Lynchjustiz: „Als ich die ersten Episoden geschrieben hatte, gab ich sie einem verantwortlichen Mann in der oberen Hierarchie von MGM. Und der Held von FURY war ursprünglich ein Rechtsanwalt. Das hatte ich gemacht, damit er eben alles genau erklären kann. Das ist ein gebilde­ter Mensch. Und da wurde mir gesagt: Hör mal zu, das können wir nicht machen, das macht man in Amerika nicht. Der Held muss ein Mann aus dem Volk sein, einer, mit dem sich das Publikum identifi­zieren kann. Und das war eigentlich das Wichtigste, was ich in Amerika, in der Emigration gelernt habe.“ (Fritz Lang)

Lang fällt es zunehmend schwerer, für die Traumfabrik Hollywood zu arbeiten. Ende der 1950er Jahre kehrt Lang kurzzeitig nach Deutschland zurück. Dort dreht er den „Tiger von Eschnapur“ und „Das indische Grabmal“. Das kindische Grabmal nennt Lang diese Streifen später – zwei Kolossalfilme, beide unsagbar schlecht in den Dialogen.

Was Lang aber dennoch gelingt, ist die visuelle Architektur der Angst. Auch dafür verehren ihn die jungen Wilden der Nouvelle Vogue. Francois Truffaut schreibt ihm eine Eloge: „Immer schon hat Fritz Lang mit der Gesellschaft abgerechnet. Seine Hauptgestalten sind immer außerhalb, daneben. Für ihn steht es außer Frage, dass der Mensch böse ist – von Geburt an. Und aus seinen Filmen spricht eine entsetzliche Traurigkeit. Dieser Mann ist nicht nur ein genialer Künstler, sondern auch der isolierteste und unverstandenste unter den heutigen Filmautoren.“

In Nachkriegsdeutschland hält es der fast erblindete Lang nicht lange aus und kehrte in den 1960er Jahren endgültig in die USA zu­rück. Seine Kri­tik an sozialen Systemen wird zugespitzt durch geometrisch kon­turierten Bildaufbau, in den die Helden Sklaven des Bildrahmens sind. Lang plante seine Filme mit genaue­ster Virtuosität, mit der Detailbesessenheit einer autoritären Perfektionswut, die den Schauspielern ihre Gestaltungsfreiheit nahm.

Am 2. August 1976 stirbt Fritz Lang 86-jährig in Beverly Hills.

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