Berlin, Deutschland (Weltexpress). Am letzten Wochenende haben Menschen in ganz Deutschland von ihrem grundgesetzlich verbrieften Recht Gebrauch gemacht, friedlich für ihre Ansichten auf die Straße zu gehen. Sie machten von ihrem Recht Gebrauch. Es war aber nicht nur dieses Wochenende von Demonstrationen gekennzeichnet.
Am heutigen Montag fanden in mehr als achtzig Städten und Gemeinden Demonstrationen statt, wie wir sie selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen am Wochenende gesehen hatten. Bei der Großkundgebung in Stuttgart waren rund dreißigtausend Menschen auf dem Platz zugegen und es war in den unmittelbar nach der Veranstaltung im Netz erscheinenden Videos erstaunlich, wie eng dabei die Zusammenarbeit zwischen den Veranstaltern und der Polizei war. Hinzu kam, dass der Veranstaltungsleiter nicht nur die Ruhe selbst war sondern ungewöhnlich symphatisch wirkte. Einzelne Provokateure, die es wohl auch gab, wurden gemeinsam mit der Polizei des Platzes verwiesen.
Die Reden, die gehalten wurden hatten es in sich. Es ist die Zeit der endlich offenen Aussprache in Deutschland. Der Westdeutsche Rundfunk aus Köln hat vor nunmehr zwanzig Jahren das Motto für die Zeit ausgegeben, in der wir jetzt leben. „Es begann mit einer Lüge“, das war der Titel einer Sendung über die Art und Weise, mit der uns die jeweiligen Regierungen von einem Krieg in den anderen gelogen haben.
Der derzeitige Bundespräsident Steinmeier hat bei einem Treffen vor der Neuen Wache in Berlin aus Anlass des 8. Mai 1945 davon gesprochen, dass man – sinngemäß – Deutschland mit einem gebrochenen Herzen lieben könne. Er saß doch bei den diversen völkerrechtswidrigen Kriegen an den Hebeln der Macht. Von einem Rücktritt oder dem Verlassen des Apparates im Bundeskanzleramt ist keinem lebenden Deutschen etwas bekannt. Das lässt so viele Menschen an diesem Land so zweifeln. Da werden Amtseide auf das Grundgesetz geleistet und reihenweise aus Gefolgschaftstreue zur NATO Angriffskriege geführt. Dabei steht in der Verfassung, dass dies für Deutschland aus guten Gründen verboten ist.
Nach dem Soldatengesetz ist den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ausdrücklich die Verfassung und das internationale Recht zur unbedingten Beachtung auferlegt. Es ist das eine, über Deutschlands dunkelste Zeit Reden zu reden. Sich an die Verfassung zu halten, ist die oberste Pflicht und die muss heute wahrgenommen werden. Jetzt gehen zum ersten Male in der jüngeren deutschen Geschichte zehntausende Menschen für das Grundgesetz und seine Beachtung durch den Staat auf die Straßen. Es tut sich etwas in Deutschland.
Dabei werden Unterschiede in Deutschland deutlich. In München wird sogar davon gesprochen, dass man beim Einsatz der Polizei des Freistaates Bayern keine Verhältnisse wie in Berlin haben wolle. Wie das? Was macht den Unterschied aus? Der war schon in Stuttgart zu sehen, wo die Polizei als „Freund und Helfer“ auftrat und vergessen ließ, das es einmal wüste Einsätze gegen Demonstranten bei dem Bahnprojekt gegeben hatte. In München war eine Demo für 80 Personen genehmigt und es kamen mehrere tausend Menschen. Die Polizei in München brachte alles friedlich zu Ende. Wie anders die Bilder aus Berlin.
Dort zeigte die Polizei die Staatsmacht achtzigjährigen Demonstrantinnen, während ganze Straßenzüge in Berlin „polizeifreie Zonen“ sind. Man kann in Deutschland voneinander lernen und das gilt auch im Polizeibereich bei Menschen, die sich für das Grundgesetz einsetzen. Aus Stuttgart ist bekannt, dass im Verlauf der Versammlung Teilnehmer derselben nach ihrer politischen Präferenz gefragt worden sind. Eine junge Dame, die diese Fragen auch stellte, erhielt bei zahlreichen Personen, die sie befragte, von zwei Damen eine entsprechende Antwort. Die eine Teilnehmerin hatte bei der letzten Wahl Frau Dr. Merkel gewählt, die andere war gerade dem „Widerstand 2020“ beigetreten. Ansonsten: Fehlanzeige parteiungebunden.
Der Riss, der quer durch Deutschland beim Polizeieinsatz ging, zeigte sich noch deutlicher bei den politischen Stellungnahmen, die wegen der großen Zahl von Demonstranten selbst ARD und ZDF unausweichlich zu sein schienen. In seiner ruhigen Art und wohl in dem Bewusstsein, aus welcher politischen Formationen heraus er den Weg zu den „Grünen“ gefunden hatte, äußerte sich der Ministerpräsident aus Baden-Württenberg zu den Demonstationen. Herr Kretschmann war der Ansicht, dass die Demonstranten ihr gutes Recht auf Meinungsäußerung im öffentlichen Raum wahrgenommen hätten. Wegen der Bedeutung administrativer Maßnahmen für den einzelnen Menschen und die Gesamtheit sei es auch unausweichlich, dass Meinung dabei deutlich geäußert worden sei.
Wie anders klang es aus sozialdemokratischen Mund, beheimatet in einer Super-Regierung in Thüringen. Da sah man schon das Umkippen in Antisemitismus. Der Chef des Inlandsgeheimdienstes aus Thüringen, Herr Kramer, durfte da nicht zurückstehen und verortete alles auf dem rechten Weg. Es zeugt von hohem Fingerspitzengefühl der Regierung Ramelow, den Geheimdienstchef auf die ARD loszulassen. Er hätte sich ein Beispiel an seinem Kollegen Kretschmann nehmen können. Es war schon bei den Vorfällen in Chemnitz festzustellen, dass unter allen Umständen ein Nazi-Bezug hergestellt werden muss, gleichsam als letzter gemeinsamer Nenner, weil alles andere nicht mehr reicht.
In den Nachrichtensendungen war das Bild am letzten Sonntag jedenfalls atemberaubend. Da berufen sich zehntausende Menschen auf die verbrieften Rechte des deutschen Volkes in der eigenen Verfassung und die einzige Antwort, die man in Erfurt findet, besteht in dem Schubs in die rechte Ecke. Unser Land verkommt, wenn die Staatsmacht nur noch dazu dient, eine Parteistruktur über die Zeit hinwegzuretten.
Bei den Berichten über die Ereignisse des Demo-Wochenendes war eines nicht mehr zu übersehen: die Dominanz der sogenannten „redaktionellen Netzwerke“, in denen Staatseinrichtungen mit privatwirtschaftlicher Presse eng verzahnt die Dinge herausstellen. Früher hätte man bei so etwas auf totalitäre Staaten verwiesen. Man erinnert sich nur mit Wehmut an Rudolf Augstein, wenn er von der Presse als dem „Sturmgeschütz der Demokratie“ sprach. Kann einer der Teilnehmer an diesen „redaktionellen Netzwerken“ der staunenden deutschen Öffentlichkeit einmal erläutern, die man sich kritisch mit dem Staat beschäftigen will, wenn dieser die eigenen Gehälter garantiert? Es ist wohl wie mit der Repräsentanten eines Staates, der deutschen Bundeskanzlerin, und Herrn Gates in der WHO. Man macht so etwas nicht.