Berlin, Deutschland (Weltexpress). Mario Götze kann wieder lachen – nach seinem entscheidenden Tor im Weltmeisterschaftsfinale vor drei Jahren gegen Argentinien und seiner Stoffwechselstörung Anfang des Jahres; kurzum: Er ist wieder da, an Bord, dabei vor dem aktuellen Freundschafts-Freitagspiel im Londoner Wembley-Stadion gegen England (21 Uhr, ZDF) und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Nachvollziehbar. Auch Profis sind Menschen mit Gefühlen.
Das Ballgefühl war dem gebürtigen Schwaben nach seiner Erweckung als WM-Held sukzessive abhanden gekommen. Bei Bayern München wusste der damalige Trainer Pep Guardiola kaum, was er mit dem von Dortmund zum Rekordmeister gewechselten Offensivmann anfangen sollte. Genug Personal verstellte dem flinken und wendigen Mann den Weg in die Startelf, ja sogar zweitweise auf die Ersatzbank. Der FC Bayern wurde Götzes Waterloo. Wobei die Steigerung nach der Rückkehr nach Dortmund dort schon auf ihn wartete: Ein Trainer Thomas Tuchel im fußballerischen Gewand von Pep Guardiola – das nächste Waterloo für Götze. Er blieb somit der unglücklichste WM-Torschütze der deutschen Fußballgeschichte.
Da wirken dann aktuelle Aussagen vor dem England-Spiel im Kreise seiner liebsten Nationamansnchaftskollegen wie „Es ist eine große Vorfreude für mich, dass ich nach der langen Zeit wieder in die Nationalmannschaft berufen wurde“ wie Durchhalteparolen. Vorfreude auf die Ersatzbank? Das will schon etwas heißen, wenn sie den 2014er-WM-Helden zwischenzeitlich immer wieder mit einem wie Lars Ricken – ebenso dereinst in Dortmunder Diensten – verglichen haben. Ricken wurde vor 20 Jahren als 21-Jähriger berühmt, als er zehn Sekunden nach seiner Einwechslung mit der ersten Ballberührung das spielentscheidende 3:1 im Finale der Champions League gegen Juventus Turin erzielt hatte – in München. Danach erdrückte ihn dieses Tor; seine Karriere wurde praktisch auf diesen Schicksalsmoment reduziert, egal, was Ricken später anpackte. Götze erging es in den vergangenen drei Jahren ähnlich, ja beinahe gleich. Ignoriert von Toptrainern, vom Trend war er plötzlich raus aus einem überhitzten Spielermarkt. Ein bisschen stimmt es also: Eigentlich kann die Situation für den mittlerweile 25-Jährigen nicht besser sein.
Götze: „Hoffentlich bleibe ich gesund bis 2018“
Eine Garantie für einen Einsatz im größt unbedeutenden Spiel des Jahres gibt ihm Bundestrainer Joachim Löw freilich nicht. Da müssten schon Wunder passieren – aber sein auf den Schultern liegender und beinahe erdrückender WM-Treffer gehört ja auch zu den Wundern der jüngeren Götze-Vergangenheit. Also muss die olympische Freude des Dabeiseins, das ja schließlich schon alles ist, erst einmal reichen für ihn. „Hoffentlich bleibe ich jetzt auch wieder dabei und hoffe auch gesund zu bleiben. Und dann freue ich mich auf 2018.“
Ein entscheidendes Jahr für ihn, für den Deutschen Fußball-Bund steht bekanntlich bevor. Das Jahr der Titelverteidigung, das Jahr, in dem endlich ein Titelträger wie damals Brasilien 1962 erstmals nach dann 56 Jahren einen WM-Sieg ein zweites Mal nacheinander holt. „Ich hoffe, dass ich gesund bleibe“, sagt Götze beinahe andächtig. Und fügt an: „Jetzt lag ja noch eine Europameisterschaft dazwischen. Mein Tor von damals war für mich nach wie vor einfach eine großartige Sache. Ich denke da gerne dran zurück.“
Seine nachfolgenden Trainer wie Guardiola oder Tuchel offenbar nicht; auch für seinen derzeitigen Klub-Coach in Dortmund Peter Bosz bedeutet der vergangene Ruhm keine Eintrittskarte in die Startelf bei der Borussia. Zumal dort seine Lieblingspositionen auf der 8 oder der 10 personell bestens mit Shinji Kagawa oder Christian Pulisic besetzt sind; wie auch die BVB-Ersatzbank. Aber davon ist jetzt nicht die Rede – jetzt gilt Vorfreude auf sein 63. Länderspiel. Einer wie Mario Götze lässt sich das nicht nehmen und lächelt diesen magischen Augenblick herbei; zunächst an diesem Freitagabend im Wembley-Stadion gegen Englands 2. Garnitur von der Auswechselbank.