Kursk: Zwei deutsche Generäle und ein schwerer Fall von Revanchismus

Denkmal auf dem Schlachtfeld der Panzerschlacht von Prochorowka (2012) zwischen Kursk und Belgorod. Foto: Voyagerim, CC-BY-SA-3.0

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Aussagen, die der Ukraine-Konflikt aus deutschen Politikern und Journalisten hervorlockt, sind schlimm. Während an der Oberfläche beteuert wird, wie demokratisch und gut man doch sei, ist das, was mittlerweile nach oben brodelt, etwas völlig anderes.

„Im Übrigen, als Historiker ist mir auch bewusst, welche Rolle Kursk gerade im Großen Vaterländischen Krieg gespielt hat, und ausgerechnet dort findet diese Demütigung der russischen Führung statt, das ist schon enorm.“

Na, wer hat das gesagt? Und wie Nazi ist dieser Satz, auf einer Skala von eins bis zehn? Also ich würde dafür mindestens eine Acht vergeben. Die Schlacht um Kursk war im Sommer 1943, also noch einige Zeit vor beispielsweise der Befreiung von Auschwitz, und diese klammheimliche Freude an einer Art Revanche für die Wehrmacht ist selbst dann noch ekelhaft, wenn die Grundlage dieser Freude eine völlig irre Einschätzung des ukrainischen Angriffs bei Kursk ist.

Wobei ich zugebe, das ist ein wenig geschummelt, denn ich weiß, wer diesen Satz gesagt hat, und dass dieser Herr unter keinen Umständen auf Nichtwissen plädieren kann. Das ist nämlich ein General a. D. namens Klaus Wittmann, der gerne als Militärexperte durch die Sender tingelt. Und der noch dazu (wie sinnig man das finden mag) in Geschichte promoviert hat, über „Schwedens Wirtschaftsbeziehungen zum Dritten Reich 1933 – 45“. Man kann, ja man muss also genauere Kenntnisse über diese Zeitepoche voraussetzen.

Aber es wird noch viel schöner, oder skandalträchtiger. Dieser Klaus Wittmann war nämlich gegen Ende seiner Dienstzeit von 2000 bis 2005 Direktor Lehre an der Führungsakademie der Bundeswehr und danach in einer ähnlichen Position am NATO-College in Rom. Nicht nur Historiker, sondern auch Ideologe; was dann bedeuten müsste, dass er seine Worte sehr gezielt wählt.

Er ist übrigens, das sagte er an anderer Stelle, sehr dafür, die Taurus-Raketen nach Russland zu liefern. Ob das nun daran liegt, dass er so gerne ein Rückspiel für Kursk will, oder nur daran, dass er irgendwie unter Todessehnsucht leidet, ist nicht klar ersichtlich.

Wir sind aber noch nicht am Ende der Fahnenstange. Es gibt einen offenen Brief von ihm aus dem Jahr 2019, der in diesem Zusammenhang deutlich strafverschärfend wirken dürfte. Darin wendet er sich an einen Kollegen, Generalleutnant a. D. Joachim Wundrak, und zwar im Brustton tiefster Empörung. Nicht nur, weil Wundrak nach seiner Pensionierung für die AfD bei der Wahl zum Oberbürgermeister von Hannover antrat. Es ist auch nicht wirklich die Tatsache, dass Wundrak damals die Politik Angela Merkels „antideutsch“ nannte.

Die vielen weiteren Fragen, die er Wundrak an den Kopf wirft, wirken im Rückblick geradezu komisch. Denn es ist der aktuelle SPD-Verteidigungsminister, der gerne die Wehrpflicht wiederhätte, und es war noch die Regierung Merkel, die unter dem Corona-Regime die Möglichkeiten zum Einsatz der Bundeswehr im Innern erweiterte. Wenn man weiß, was die Bundeswehr derzeit sonst noch treibt, ist dieser Absatz besonders komisch, in dem er wissen will, ob Wundrak „die Vorstellung, die deutsche Armee müsse in die Lage versetzt werden, das deutsche Staatsgebiet 20 Tage lang ‚autonom‘ zu verteidigen, wofür ein deutscher Generalstab zu bilden sei“, unterstütze. Ich will das jetzt nicht gesammelt wiedergeben, die Details kann man im oben verlinkten Dokument selbst nachlesen.

Was jedenfalls nicht bekannt ist, ist öffentlicher Widerspruch des Ex-Generals Wittmann gegen die Umsetzung mehr oder weniger aller Punkte, zu denen er 2019 von Wundrak eine Distanzierung verlangte, durch die letzte Merkel-Regierung und danach durch die Ampel. Das ist schon erstaunlich, dass ein General, der gerne und häufig in der Öffentlichkeit auftritt, seine Positionen, die er in diesem offenen Brief vertreten hat, so schnell und klanglos begräbt. Und während er 2019 an Wundrak noch schrieb, er teile die Forderung nach einer aktiven Entspannungspolitik der NATO gegenüber der Russischen Föderation, verlangt er jetzt unüberhörbar die Lieferung von Taurus-Raketen an das Kiewer Regime.

Der von ihm angegriffene Wundrak ist zwar – zumindest nach dem, was man auf die Schnelle findet – einer der AfD-Vertreter, die eine schwache Stelle gegenüber der NATO haben; er hat bei der Rede Selenskijs im Bundestag nicht den Saal verlassen und hatte 2022 den Sanktionen gegen Russland zugestimmt (mit der Einschränkung, die Bundesregierung müsse in jedem Fall darauf achten, dass sich Deutschland damit nicht zu sehr selbst schade; was, wie jeder Einwohner Deutschlands inzwischen erleben durfte, nicht geschah). Aber immerhin hat er Anfang Juni erklärt: „Gab es zu Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine noch das Verständnis, dass die NATO nicht in diesen Konflikt hineingezogen werden sollte, so hat NATO-Generalsekretär Stoltenberg jüngst die langfristige, massive Unterstützung der Ukraine durch die NATO-Staaten gefordert und zugleich die ‚Koordinierungs- und Führungsrolle‘ der NATO hinsichtlich dieses Konfliktes betont. Diese Eskalation ist eine fatale Entwicklung, die die NATO-Staaten weiter in Richtung Kriegsteilnahme treibt, statt eine Verhandlungslösung zu befördern. Dies kann nicht in deutschem Interesse sein.“

Das sieht ziemlich danach aus, als hätte Wittmann Wundrak auf der Spur rechtsaußen überholt. Aber es kommt noch besser.

Der Hauptvorwurf, den Wittmann Wundrak 2019 machte, lautete nämlich wie folgt: „Ein Offizier, gar General, der die skandalöse Äußerung des AfD-Vorsitzenden Gauland zur Relativierung der NS-Verbrechen, ‚Hitler und die Nazis [seien] nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte‘, ’nicht schlimm‘ findet, hat wohl im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst und Jahrzehnte politischer Bildung in der Bundeswehr – für die er als Vorgesetzter ja verantwortlich war – verschlafen. Er sollte sein Engagement in dieser Partei überdenken, solange noch Zeit ist, den guten Ruf zu retten.“

Ja, tatsächlich. Dabei ist das, was Gauland gesagt hatte, nicht einmal wirklich eine Relativierung, und man sollte hinzufügen, um diese deutsche Geschichte zu verstehen, dass man auch einiges über die Zeit vor und nach diesen zwölf Jahren der Nazidiktatur wissen sollte.

Wie auch immer. Wittmann jedenfalls, der Wundrak damals vorgeworfen hat, nicht auf den Satz Gaulands hin sofort empört aus der AfD ausgetreten zu sein, und der ihm dabei auch noch das Soldatengesetz vorhält, sitzt heute in einem Interview und sagt: „Im Übrigen, als Historiker ist mir auch bewusst, welche Rolle Kursk gerade im Großen Vaterländischen Krieg gespielt hat, und ausgerechnet dort findet diese Demütigung der russischen Führung statt, das ist schon enorm.“

Dass er dabei die in Russland übliche Bezeichnung für den Zweiten Weltkrieg verwendet und vom Großen Vaterländischen Krieg spricht (eine Bezeichnung, die man als Deutscher nur verwenden sollte, wenn man mit Herz und Hirn auf der Seite der Sowjetunion gestanden hätte, weil es eben Deutsche waren, gegen die das Vaterland verteidigt werden musste, die nebenbei schon bei jenem Krieg mit angegriffen hatten, der als erster Vaterländischer Krieg bezeichnet wird), ist sicher kein Versehen, sondern für ihn, Wittmann, die Kirsche auf der Torte, sein persönlicher Anteil an der „Demütigung der russischen Führung“ in dem Gebiet, in dem in einer der gewaltigsten Schlachten der Menschheitsgeschichte die Niederlage des Nazismus, die der Sieg in Stalingrad eingeläutet hatte, besiegelt wurde.

Es gibt eine gute Romantrilogie aus der DDR, in der ein ganzer Band der Schlacht von Kursk gewidmet ist, „Roter Schnee“ von Günter Hofé. Das ist ein hilfreiches Buch, um zumindest verstehen zu lernen, wie das mit jenen Deutschen war, die begriffen, warum in Kursk die richtige Seite gesiegt hat. Denen es damals oft schwergefallen ist.

Heute aber wäre es leicht. Oder war es zumindest einmal. Dieser Satz macht aus der Ardennen-Offensive des Selenskij-Regimes (mit der Absicht einer Atomkatastrophe als Beilage) eine ersehnte Rache für die Niederlage der Wehrmacht. Er ertönt aus dem Munde eines deutschen Generals, der noch dazu für die Unterrichtung von Offizieren zuständig war; dem trotz der Sprengung von Nord Stream, dem Schaden, den die Sanktionen Deutschland zugefügt haben, und der gut sichtbaren Ideologie der aktuellen ukrainischen Regierung nicht auffällt, dass der heutige Kurs den Interessen des deutschen Volkes ebenso wenig dient, wie es damals die Verlierer der Schlacht von Kursk taten; der sich nicht dafür schämt, sich auf diese Weise gleich doppelt auf die Seite von Nazis zu schlagen, der früheren wie der heutigen. Das ist um ein Vielfaches schlimmer, als es der Satz von Gauland je hätte sein können. Und in jenem anderen deutschen Staat, der leider solche wie ihn nicht mehr im Zaum hält, hätte es dafür nur eine Bezeichnung gegeben: ehrlos.

Anmerkungen:

Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde unter dem Titel „Kursk: Zwei deutsche Generäle und ein schwerer Fall von Revanchismus“ am 18.8.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.

Siehe auch die Beiträge

im WELTEXPRESS.

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