In dieser Kulisse wird gegrillt, gegessen, getrunken, geraucht und Smalltalk ausgetauscht. Die Beteiligten sind zwei Frauen und vier Männer zwischen dreißig und Mitte vierzig.
Der Architekt Paul (Harald Baumgartner) ist der Älteste. Er hat eine jüngere Freundin, Miranda (Natali Seelig) und mit dieser ein Baby. Pauls Ex-Ehefrau, die Fotografin Jennifer (Judith Hofmann), hat einen jüngeren Freund, den Sänger Flynn (Moritz Grove). Mit von der Partie ist außerdem Jennifers Bruder, der Lichtkünstler Oskar (Bernd Moss) mit seinem Lebensgefährten Martin (Helmut Mooshammer).
Alle wirken egozentrisch und oberflächlich und würden, mit ihrem Beziehungsgeflecht, gut in eine Boulevardkomödie hineinpassen. Die Tragödie, in die das Sextett hineingerät, ist die Folge eines Unfalls, verursacht durch Ignoranz und Rücksichtslosigkeit.
Zu Beginn des Stücks ist Flynns Stimme aus dem Off zu hören mit einer Beschreibung der Gesellschaft, die mit einem VW-Bus ins Grüne fährt, in den von der Sommerhitze ausgedörrten Wald. Während der Grillfete sprechen auch die anderen AkteurInnen aus dem Off, fügen dem seichten Geplauder der Feiernden kluge Betrachtungen und über die ganz persönlichen Interessen hinausgehende Zukunftserwartungen hinzu.
Diese Stimmen, Ausdruck umsichtigen, intelligenten Denkens, haben jedoch keinen Einfluss auf das Verhalten der Personen. Die stellen den Grill zwischen trockene Äste, während sie über ihre körperliche Fitness und das Verfallsdatum der Würste debattieren, und schnippen glühende Asche ins welke Laub, während sie erwägen, sich das Rauchen aus gesundheitlichen Gründen abzugewöhnen.
Sie betten das Baby im VW-Bus, sorgsam bei offenem Fenster, und irgendwann schlafen sie auf dem weichen Waldboden ein. Als sie aufwachen, brennt der Wald, und die klare Luft hat sich in erstickenden schwarzen Qualm verwandelt.
In Jorinde Dröses Inszenierung ist die Bühne dunkel im zweiten Teil des Stücks. Die Menschen, die dort schemenhaft herumlaufen, erscheinen auf Videobildern in Schwarzweiß. Die Katastrophe wird dokumentiert. Die Stimmen erstatten Bericht, informieren detailliert über die entstandenen Schäden. Die Mitteilungen geschehen sachlich, ohne Emotionalität oder gar Sensationslust. Das entsetzliche Geschehen wird seriös übermittelt. Neben dem tragischen Tod einer jungen Frau und ihres Babys gibt es auch Positives zu vermelden über menschliche Hilfsbereitschaft, über Tapferkeit und Pioniergeist.
Der dritte Teil zeigt die Überlebenden der Waldparty in einer Großstadtwohnung, die jeder oder jedem von ihnen gehören könnte. Miranda und die kleine Gloria sind tot. Die Anderen empfinden sich als Opfer und lügen bei der polizeilichen Untersuchung bezüglich der Brandursache. Eigentlich kommunizieren sie nur noch per Telefon oder Email. Jorinde Dröse lässt sie jedoch leibhaftig zusammentreffen, miteinander streiten oder einander vergeblich um Verständnis oder Liebe anbetteln.
Paul springt vom Balkon, Jennifer fotografiert nur noch tote Tiere, Flynn macht Karriere in den USA. Nur Oskar, dem ein Arm amputiert werden musste, scheint etwas begriffen zu haben. Er will Verantwortung übernehmen und sich der Polizei stellen. Das tut er allerdings doch nicht, denn er hat eine bessere Idee:
Im Epilog erfolgt die schriftliche Ankündigung einer Ausstellung, in der ein Künstler das Erlebnis des Waldes spürbar werden lässt.
Jorinde Dröse hat Anja Hillings Stück „Schwarzes Tier Traurigkeit“ sehr zurückhaltend, fast wie eine Dokumentation inszeniert, deren Interpretation dem Publikum vorbehalten bleibt. Erkennbar ist der verantwortungslose Umgang mit der Umwelt. Darüber hinaus wird deutlich, dass Kunst in hohem Maß von Katastrophen profitiert, und es stellt sich die Frage, inwieweit Natur nur noch wahrgenommen werden kann, wenn sie, nach ihrer Zerstörung, als Reproduktion präsentiert wird.
„Schwarzes Tier Traurigkeit“ von Anja Hilling hatte am 06.06. Premiere in den Kammerspielen. Weitere Vorstellungen: 11., 16., 25. und 27.06.