Kubas Staatssport leidet unter Finanzproblemen – Nun soll den Volleyballern der Weg ins Ausland geöffnet werden

Kuba dagegen war lange Volleyball-Großmacht. Noch Fünfter der Weltrangliste, WM-Zweiter 2010. Aber gebeutelt nicht nur von videotechnischen und finanziellen Engpässen. So musste Cheftrainer Samuels Blackwood Orlando ohne insgesamt neun Spieler anreisen, die er gern dabei gehabt hätte. Drei Leistungsträger aus dem WM-Team sind seit dem Vorjahr wegen Fluchtabsichten ins Ausland gesperrt. Sechs weitere konnte er aus unbekannten Gründen nicht aufbieten. So standen u.a. zwei 18-Jährige und ein 17-Jähriger im Aufgebot.

Die videotechnischen Defizite könnten ausschlaggebend für den 3:2-Erfolg der Deutschen gegen die Blackwood-Schützlinge gewesen sein. Kuba hatte versucht, am ersten Tag Hinweise auf das Spiel des vermeintlichen Hauptgegners Deutschland zu erhalten. Doch Bundestrainer Vital Heynen hatte beim 3:0 über Indien die zweite Garnitur aufs Feld geschickt. Kuba, schlecht vorbereitet, lag rasch gegen die Deutschen vorentscheidend 0:2 zurück…

Allein die videotechnische Ausstattung verdeutlicht, dass in Berlin zwei oder drei Volleyball-Welten aufeinander trafen.

Kubas Spieler – zuvor in der kontinentalen Olympiaselektion Kanada und den USA unterlegen – sind Schüler, Studenten, Armeeangehörige. Die Staatsamateure erhalten neben gratis Wohnen und Essen ein besseres Taschengeld.

Keine Vergleich mit den Bezügen der Deutschen (Nr. 13 der Welt), bei denen neun von zwölf Nationalspielern im Ausland Summen bis zu einer Viertelmillion Euro pro Jahr kassieren. Ähnlich gut entlohnt werden die tschechischen Schmetter-Asse, von denen gut die Hälfte der Auswahl (23. der Rangliste) im Ausland unter Vertrag stehen.

Die offenen Profi-Verhältnisse im deutschen und tschechischen Verband sind auch durch die Verpflichtung ausländischer Trainer erkennbar. Des Belgiers Vital Heynen beim DVV und des Niederländers Stewart Bernard (vormals DVV) bei den Tschechen.

Beide verfügten über Videomaterial zu den London-Mitbewerbern. Heynen durfte sich sogar den Luxus leisten, Anfang Mai die Kubaner bei der Weltliga in Japan unter die Lupe zu nehmen.

Gegebenheiten, von denen Orlando nur träumen kann. So ist die Teilnahme der kubanischen Volleyballerinnen – seit Jahrzehnten Medaillen-Kandidatinnen – und ihrer Kollegen an den finalen Qualifikationen für London nur auf Druck und durch finanzielle Unterstützung des Weltverbandes FIVB zustande gekommen.

Dass beide Kollektive den Sprung in das Zwölfer-Elitefeld bei Olympia verpasst haben, symbolisiert den Auflösungsprozess der einstigen Volleyball-Großmacht.
Neben strukturellen Problemen Engpässen gibt es einen Personaladerlass, der die Leistungssubstanz angreift. Die Besten möchten wie ihre Kollegen in anderen Nationalteams ihr Können versilbern. Doch das geht momentan nur im Ausland.
Dafür gibt es indes derzeit legal keine Möglichkeit. Dennoch haben rund 25 Volleyballer und Volleyballerinnen in den letzten Jahren bei Auslandsstarts Mannschaft und Heimat verlassen.

Nicht alle fanden eine Lücke im Abschottungssystem wie zwei, die den Weg in die Bundesliga und nach Berlin fanden. Hidalgo war auf Kuba kein Auswahlkader und durfte auf Vermittlung seines Onkels hier ein Studium aufnehmen. Nebenher schmetterte er bei den Netzhoppers, erhielt einen Vertrag beim SCC, bekam den deutschen Pass und ist nun als Profi in Istanbul. Gil, obwohl Beachauswahl-Kader, durfte nach längerem Hin und Her seine deutsche Freundin auf Kuba heiraten und kam so legal nach Berlin. Nach Karriereende machte er seinen Trainerschein und betreut heute erfolgreich die Bundesligafrauen des Köpenicker SC.

Anfang der 90er Jahre durften verdiente Sportler jenseits der 30 ins Ausland. Vor allem beim Kooperationspartner Italien heuerten die Volleyballerinnen und Volleyballer an. Doch das weckte Neid daheim, "außerdem kamen die Auswahlkräfte oft verletzt zurück in die Nationalmannschaften", wie ein Insider erklärt. So wurde die Öffnungsklausel aufgehoben. Profibox-Promoter lockten und locken Olympiasieger und Weltmeister dennoch zur Flucht aus der neben Nordkorea letzten sozialistischen Volksrepublik.

Bei dieser Konstellation ist jeder Wettkampf außerhalb Kubas für Trainer abenteuerlich. Wie er damit umgehe, immer fürchten zu müssen, dass Spieler sich absetzen, was dagegen zu machen wäre?- Orlando zuckt mit den Achseln. Nichts. Und ob er nach seinen freimütigen Auskünften zuhause nicht Probleme bekommen könne?- "Warum? Ich habe ja nichts Schlechtes über Kuba gesagt."

Auf der Abschlussparty in Berlin wurde indes bekannt, dass der Verband demnächst Auslandsjobs gestatten würde. Wenn sich bewahrheitet, dass die beiden Diagonalangreifer Hernandez nach Brasilien und Cipeda nach Polen tranferiert werden, wäre das eine sportpolitische Maueröffnung von weitreichender Bedeutung.

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