Kritik zum Berlinale-Film „Der Kreis“

© Aliocher Merker

In abwechselnd dokumentarischen und Spielfilmsequenzen wird die Geschichte von dem schüchternen Lehrer Ernst Ostertag erzählt, der sich, als er in den neugegründeten Undergroundclub „Der Kreis“ eintritt in den
lebenslustigen Travestieskünstler Röbi Rapp verliebt. Wir befinden uns in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhundert in Zürich. Hier gründet sich ein Netzwerk aus Schwulen um die Zeitschrift „Der Kreis“ und einen kleinen Club , der zum Treffpunkt der Mitglieder wird. Die Schweizer Schwulenorganisation Der KREIS gilt heute europaweit als Wegbereiter der schwulen Emanzipation und der homosexuellen Selbstbestimmung. Der Film berichtet von den Aktionen der Mitglieder, ihrem, in den Anfangsjahren noch weitgehend unbeschwerten Leben innerhalb des Zirkels, über eine Mordserie gegenüber Homosexuellen bis hin zur endgültigen Auflösung der Vereinigung.

Der junge Lehrer Ernst muss sich zwischen seiner bürgerlichen Existenz und seiner Homosexualität entscheiden und macht durch seinen Eintritt in den Untergroundclub “der Kreis” den ersten Schritt in Richtung seines Bekenntnisses zu seiner homosexuellen Veranlagung und in Richtung seiner persönlichen Integrität. Aus einem konventionellen Elternhaus stammend, in dem Ernst die Möglichkeit verwehrt bleibt, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, eröffnet sich dem schüchternen Lehrer durch den Eintritt in den farbenreichen Club eine neue Welt, in die er nach und nach eintaucht. Das
Zusammentreffen mit dem jungen Travestiestar Röbi Rapp, der als
Frisör arbeitet, entwickelt sich zu einer ernsthaften Liebesbeziehung,
die ein Leben lang halten wird. Die Familienverhältnisse von Röbi
zeigen sich als vollkommen entgegengesetzt zu seinen eigenen – stammt dieser doch aus einfachen Verhältnissen und lebt eng verbunden mit seiner
Mutter – hier exzellent verkörpert von Marianne Sägebrecht, die in
ihrer Figur die Warmherzigkeit und vollkommenen Annahme ihrer Sohnes
in überzeugender Weise zum Ausdruck bringt. Die sensible
Liebesbeziehung zwischen Ernst und Röbi, die beide fasziniert und im
Vertrauen einander gegenüber leben werden, bildet den roten Faden des Filmes. Ihre Geschichte in der Organisation wird in spielfilmhaften Rückblenden erzählt, die immer wieder durchbrochen werden durch die Erzählungen, der realen Figuren, Ernst Ostertag und Robert Rapp. Die heute – schon, im betagten Alter von über 80 Jahren -, im Film, in trauter Eintracht auf dem Sofa sitzend ihr Leben, ihre Beziehungen, Herausforderungen und Kämpfe in erfrischender und humorvoller Weise dem Publikum nahebringen. In sensibler und zurückgenommener Spielweise verkörpert Matthias Hungerbühler eindringlich den Lehrer Ernst Ostertag und überzeugt gemeinsam mit Sven Schelker, der den sanftmütigen Röbi Rapp darstellt, als jüngere Verkörperungen des realen Liebespaares. Dem Regisseur gelingt eine überzeugende Verzahnung der verschiedenen Filmelemente, die dokumentarischen Einschübe fügen sich stimmig in den Spielfilmteil des Filmes ein. Die Geschichte ist sowohl musikalisch und als auch rhythmisch spannungsvoll inszeniert.

Stimmungsvolle Bilder aus dem Travestietheater samt Gesangeinlagen von Röbi Rapp, satte Farben – häufig dominiert von warmen Brauntönen -, gezielt eingesetztes Licht, besonders deutlich in den Szenen während der Treffen der Mitglieder des Kreises, vermitteln eine Atmosphäre der 30er und 40er Jahre in der Schweiz, die den Zuschauer in den Film eintauchen lassen. Das Thema der Filmmusik, das die Entwicklung der Geschichte begleitet, unterstützt die filmischen Bilder wirkungsvoll.

„Weltveränderung ist dem Panorama Herzensangelegenheit“, sagt Wieland Speck der Programmleiter des Panoramaprogramms der Berlinale. „Die
Themen liegen in der Luft und wir sammeln sie ein.“ So entspringt auch
der Film „Der Kreis“ von Stefan Haupt einem politischem Hintergrund, der Historisches liefert – das in seiner Brisanz, bedenkt man beispielsweise aktuell die Diskriminierungen im heutigen Russland, nichts an seiner Unmittelbarkeit und Bedeutung verloren hat. Vor allem aber vermittelt der Film überzeugend die Beziehung der beiden Hauptdarsteller – sowohl der realen, als auch fiktiven Figuren – und schafft es, die Verbindung von Dokumentations- und Spielfilmelementen dem Zuschauer in einem stimmungsvollen Film. nahezubringen.

* * *

Der Kreis, Schweiz 2014, 102 Min, Schweizerdeutsch, Deutsch, Regie: Stefan Haupt, Darsteller: Marianne Sägebrecht, Anatole Taubman, Matthias Hungerbühler, Sven Schelker, Antoine Monot Jr., Website: http://www.derkreis-film.ch

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