„Krieg, Flucht und Vertreibung“ aus Ostpreußen – Ein Interview mit Arno Surminski

Arno Surminski liest im April 2017 aus seinem Buch "Besuch aus Stralsund" in der Stadtbibliothek Stralsund. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther

Stralsund, Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der Ostpreußen-Schriftsteller Arno Surminski feiert seinen 88. Geburtstag. Dr. Peer Schmidt-Walther stellte ihm ein paar Fragen.

Schmidt-Walther: Du hast während der Schulzeit, so ist es in „Jokehnen“ nachzulesen, als Peter Aschmoneit schon nach allem gegriffen, was Du an Lesbarem in die Hände bekommen hast. Hat Dich das im Hinblick auf Deine spätere Laufbahn inspiriert, selber zu schreiben?

Surminski: Ans Selberschreiben habe ich damals noch nicht gedacht. Ich war auch kein lesender Stubenhocker, sondern habe die Sommermonate in der Natur verbracht.

Schmidt-Walther: Wodurch ist dieser Impuls letztlich ausgelöst worden?

Surminski: Durch die Erlebnisse des Krieges.

Schmidt-Walther: Was hat dazu geführt, dass „Krieg, Flucht und Vertreibung“ zu Deinem Hauptthema geworden sind?

Surminski: Weil das Geschehen mich und meine Familie stark betroffen hat.

Schmidt-Walther: Welche Intentionen hast Du damit bis heute verfolgt?

Surminski: Die Wahrheit über das Kriegsgeschehen zu schreiben, und „Nie wieder Krieg!“

Schmidt-Walther: Wurde das in der Nachkriegszeit immer geschätzt?

Surminski: In der Nachkriegszeit schätzten diese Art zu schreiben nur diejenigen, die Ähnliches erlebt hatten.

Schmidt-Walther: Du bist vor drei Jahren vom evangelischen Rastenburger Bischof Pawel Hause zum Ehrenbürger der Stadt ernannt worden. Wie hat er das begründet und welche Reaktionen gab es dazu von offizieller polnischer Seite?

Surminski: Die Reaktionen von polnischer Seite waren sehr positiv. Dazu trug auch der polnische Name Surminski bei. Ich war eben ein „Rastenburger“.

Schmidt-Walther: Wann seid Ihr zuletzt in Jäglack, das heute Jeglawki heißt, gewesen?

Surminski: Vor zwei Jahren, aber davor mindestens ein Dutzend Mal.

Schmidt-Walther: Konntest Du positive und negative Veränderungen feststellen?

Surminski: Mein zerstörtes Elternhaus war wieder aufgebaut und das Schloss wurde neu gestrichen. Die Mühle allerdings, das einstige Symbol von Jäglack, ist total zerstört.

Schmidt-Walther: Was ist aus der „Aschmoneit“-Zeit unverändert geblieben?

Surminski: Schule, Krug, Schloss und Teich, der Anger, der Park und die eindrucksvollen Eichenalleen an der Chaussee.

Schmidt-Walther: Gibt es noch Zeitzeugen, zu denen Ihr Kontakt habt?

Surminski: Nein.

Schmidt-Walther: Hast Du mal Reaktionen von jungen Lesern auf „Jokehnen“, „Kudenow“ oder andere Deiner Werke bekommen?

Surminski: Vor zwei Jahren, aber davor mindestens ein Dutzend Mal.Die meisten jungen Leute wenden sich an den Autor, wenn sie über eines seiner Werke eine Arbeit schreiben sollen. Sie sind immer wieder verwundert, dass es so etwas wie in meinen Büchern überhaupt gegeben hat.

Schmidt-Walther: Welche Auflagen haben Deine Bücher bisher erreicht und in wie viele Sprachen sind sie übersetzt worden?

Surminski: Die addierten Auflagen aller Bücher überschreiten die Millionenzahl. Einige Bücher sind in zehn Sprachen übersetzt.

Schmidt-Walther: Kannst Du mal schildern, wie Du an einen neuen Roman herangehst? Fliegt Dir eine Idee zu und Du machst Dir dann ein Konzept oder wie geht das?

Surminski: Die Arbeit an den meisten Romanen beginnt mit dem Ende. Wenn ich von einem Geschehen erfahre, frage ich mich, ob es lohnt, für dieses Ende einen Roman zu schreiben. Auch muss ich etwas von der Umgebung kennen. Einen Roman, der in Hongkong spielt, könnte ich nicht schreiben.

Schmidt-Walther: Wo und wie bist Du am produktivsten? Ich könnte mir vorstellen, dass Dich die wald- und wasserreiche Umgebung Eures ein wenig an Ostpreußen erinnernden holsteinischen Wochenendhauses besonders inspiriert.

Surminski: Nur ein Buch („Kudenow“) ist auf dem Dorf entstanden, alle anderen am Schreibtisch.

Schmidt-Walther: Wobei erholst Du Dich dort, was gibt Dir immer wieder Kraft zum Schreiben?

Surminski: Ich erhole mich am liebsten in einem Wald und beim Holzhacken.

Schmidt-Walther: Wie lange braucht ein Romanmanuskript, bis es druckreif ist?

Surminski: Meistens zwei Jahre. Nur der Wenderoman „Kein schöner Land“ war schon nach einem Jahr fertig.

Schmidt-Walther: Deine Frau Traute hält Dir den Rücken frei für ungestörtes Schreiben. Welche Rolle spielt sie für Dich während dieses Prozesses?

Surminski: Ich freue mich immer, wenn sie ans Telefon geht und mit dem Briefträger spricht. Dann werde ich nicht aus meiner Arbeit gerissen.

Schmidt-Walther: Wo und wie habt Ihr Euch eigentlich kennengelernt? Habt Ihr ein „Rezept“ für eine gute Beziehung und lang anhaltende Ehe?

Surminski: Kennengelernt haben wir uns in deren Kirche. Sie spielte in einem Krippenspiel einen Engel, ich den Teufel. Unser Rezept heißt ganz schlicht gegenseitige Zuneigung.

Schmidt-Walther: Ihr seid inzwischen so etwas wie eine Großfamilie geworden. Wie sehen Eure Kinder und Enkel den erfolgreichen Vater und Großvater sowie sein Lebenswerk?

Surminski: In der Familie diskutieren wir nicht über meine Bücher. Nur mit meiner Frau spreche ich über neue Manuskripte, aber nur, wenn sie fast fertig sind.

Schmidt-Walther: An welchem Stoff arbeitest Du gerade, wann kann man mit einem weiteren „Surminski“ rechnen?

Surminski: An einem Roman, in dem die russischen und kanadischen Wälder die Hauptrolle spielen, und an Erzählungen über Ost und West, Liebe und Tod. 2023 ist wieder mit Veröffentlichungen zu rechnen.

Schmidt-Walther: Gibt es noch ein Thema, von dem Du träumst?

Surminski: Ja, vom Frieden, aber der ist ja noch weit weg.

Schmidt-Walther: Danke für die Beantwortung meiner „bohrenden“ Fragen!

Anmerkung:

Siehe auch den Beitrag Arno Surminski und seine Traute – Die Zeit der drei Jubiläen im Hause des literarischen Ostpreußen-Urgesteins von Dr. Peer Schmidt-Walther im WELTEXPRESS.

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