Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Landschaft um das heutige Kiew war schon Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung – also v. Chr. – eine blühende, ja: fast städtische Region. Denn hier trafen sich die verschiedensten Handelsrouten, zu Land und zu Wasser. Selbst skandinavische Stämme brachten ihre Waren hierher, so dass sie auf dem Wasserweg – Don etwa oder Dnjepr – bis in den Mittelmeerraum gelangen konnten. Auch Ost-West florierte der Warenaustausch, von Sibirien bis ins westliche Europa.
Ab dem 8. Jahrhunderten dominierten die „Waräger“ die Region, die wir heutzutage „Handelsmetropole“ nennen würden – Waräger: das waren skandinavische Fernhändler, die sich nach einheimischen Texten und Runensteinen selbst als „Garderiken“ bezeichneten, übersetzt etwa „Burgenbauer“ – wobei „Burg“ nicht dem heutigen Wort entsprach, sondern schlicht „Siedlung“ meinte.
Die einheimischen Stämme, die zum Geschlecht der „Rurikiden“ gehörten und slawischen Ursprungs waren, widersetzten sich nicht, weil sie von diesem ganzen Treiben profitierten und auch in Ruhe gelassen wurden. Ihr Stammesoberhaupt war „Riurik“ – und davon wird „Rus“ abgeleitet: So nannten die „internationalen“ Händler und Siedler die Ursprungsbevölkerung, die vielen Quellen zufolge einst an der Wolga zu Hause war. Riurik hatte zwei Brüder, Truwor und Sineus, die benachbarte Gebiete beherrschten. Diese Familienbande bedeuteten jahrzehntelangen Frieden für das gesamte Gebiet, die „Rus“ wurden schließlich zur Ruriden-Dynastie, die den russischen Raum bis 1610 beherrschte.Aus „Rus“ wurde mit der Zeit „Russland“, und das war zunächst mehr ein geografischer, denn ein staatliches Begriff.
Es waren diese Ruriden, die ihre eigenen Interessen letztlich bündelten und Kiew, dieses Handelszentrum, 882 zu ihrer Hauptstadt machten. Die Gründung Kiews wird der „Nestorchronik“ zufolge auf die Zeit zwischen 430 und 600 gelegt. Diese Chronik schrieb der Abt Silvester zwischen 1113 und 1117, in ihr werden die Gebrüder Choriw, Schtschek und Kyi sowie deren Schwester Lybid genannt, die auf drei Anhöhen drei Dörfer und eine gemeinsame Festung gründeten – die sie nach dem Ältesten der Brüder – Kyi – benannten, woraus schließlich Kiew wurde.
Die „Rus“ entwickelten die Region dann zu ihrem eigenen Staat mit der Hauptstadt Kiew. Im Norden grenzte dieser Staat an die Ostsee und das Weiße Meer, im Westen an baltische Stämme und Polen, im Süden ans Schwarze Meer. Hier lebten bis zu acht Millionen Menschen.
Natürlich ging es nicht immer friedlich zu. Viel zu groß waren die Gelüste der „Nachbarschaft“ und einzelner Teile dieses Großreiches, sich abzuspalten. Kosaken und Tataren taten ihr übriges, wobei vor allem die Kosaken – berittene Wehrbauern – interessiert waren, auch integriert zu werden. Kiew wurde bei diesen zahllosen Kämpfen wiederholt zerstört, aber stets größer und schöner wiederaufgebaut. Woran gerade die „einverleibten“ Kosaken eine bedeutende Rolle spielten. Daher auch kommt es, dass im Text der ukrainischen Nationalhymne das Wort „Kosakenbrüder“ mehrmals vorkommt. Ihnen sei Freiheit und Unabhängigkeit zu verdanken.
All das hat ein Kriegsverbrecher namens Putin wohl kaum bedacht. Der erste Satz der Nationalhymne hätte ihm zu Denken geben sollen: „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben…“